Der VfL Wolfsburg hat sich die Chance auf den Klassenerhalt bewahrt. Dabei weiß unser Autor und Wolfsburg-Fan Simon Volpers: Niemand hätte den Abstieg mehr verdient gehabt. Jetzt geht’s in die Ehrenrunde.
Als der Ball nach 43 Sekunden im Kölner Tor einschlägt, ist für einen Moment alles vergessen. Die letzten Wochen und Monate, der Frust einer ganzen Saison liegt in diesem Torschrei. Jaaaaa! Ich falle nach links, nach rechts, wieder nach links und lande in den Armen meiner Freunde, die es genauso wenig fassen können wie ich selbst. Bisher hat es oft eine ganze Halbzeit gedauert, bis sich die elf grün-weißen Spieler dort unten dem Tor auch nur angenähert haben, nun liegt der Ball nach dem ersten Angriff im Netz. Was ist denn hier los?
Sollte diese Saison doch noch ein halbwegs versöhnliches Ende finden? Schaffen wir das kurzfristig ausgerufene Minimalziel Relegation oder gelingt gar noch der große Befreiungsschlag? Auf einmal ist alles wieder voll da. 43 Sekunden und nicht nur die Mannschaft scheint aus ihrer andauernden Lethargie erwacht, auch ich selbst und all die Leute um mich herum. „Das ist Fußball“ – einer dieser unzähligen nichtssagenden Slogans unseres Vereins, plötzlich passt er einmal.
Dann soll es eben so sein
Dabei war von Aufbäumen und Leidenschaft in den vergangenen Wochen nur wenig zu spüren. In der Vorsaison ging es darum, gemeinsam den Abstieg im 20. Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit zu verhindern. Dieses Jahr fehlt die Motivation. Zu enttäuschend die Leistungen und die Einstellung der Spieler, zu aufgesetzt und ideenlos das Bild, das der Verein in dieser Situation abgibt.
Klar, auch 2018 geht es wieder gegen den Abstieg, den wir in zwei Jahrzehnten Bundesliga bisher nie erleben mussten. Aber sollte es dieses Jahr doch passieren, ich würde es fast mit einer Portion Gleichgültigkeit hinnehmen. Selbst die rosaroteste Vereinsbrille täuscht nicht über die Erkenntnis hinweg, dass dieses Jahr kein Team den Knock-Out mehr verdient hätte als der VfL. Vielleicht haben sie ja doch alle recht, die auch jetzt wieder auf die Millionentruppe ohne Fans schimpfen, und der Provinzverein mit dem großen Werk im Hintergrund hat in der deutschen Eliteliga nichts verloren. Auch am Samstag bleiben wieder etliche Tickets ungenutzt, der Platz zu meiner Rechten ist wie schon die gesamte Saison verwaist. Andernorts wäre das Stadion längst restlos ausverkauft, das weiß auch ich. Aber hier trauern doch eh nur die paar üblichen Verdächtigen, falls es in Liga Zwei geht. Dann soll es eben so sein, was soll‘s?!
Kind der Bundesliga
Und dann steigt die Anspannung eben doch. Spätestens als ich mich über die weiten Landstraßen Niedersachsens auf den Weg nach Wolfsburg mache, gibt es nur noch ein Ziel. Ich kenne jeden Baum entlang der Strecke, bin diesen Weg hunderte Male gefahren. Eines war dabei immer gleich: Ich fahre zum VfL, meinem Herzensklub – und der spielt in der ersten Liga. Ich bin ein Kind der Bundesliga. 1997 wurde ich eingeschult, 1997 haben uns Roy Präger, Detlev Dammeier und Sven Ratke vor 15.000 begeisterten Wolfsburgern im alten VfL-Stadion zum Aufstieg geschossen. Den VfL als schnöden Zweitligisten kenne ich nur aus den Erzählungen der Älteren auf Auswärtsfahrten oder von vergilbten Fotos an den Wänden der Vereinskneipe am Elsterweg. Und das soll auch bitteschön so bleiben!