Christian Heidel stand dafür ein, die Situation auf Schalke zu entschärfen. Jetzt muss er aus genau diesem Grund gehen.
Wenn Domenico Tedesco am 34. Spieltag an der Trainerbank von Schalke 04 stehen sollte, dann hätte Christian Heidel ein kleines bisschen Geschichte geschrieben. Immerhin: Seit Mirko Slomka war niemand länger als zwei Jahre am Stück Trainer auf Schalke (Januar 2006 – April 2008).
Als Christian Heidel im Mai 2016 vorgestellt wurde, stand er zwar im feinen dunkelblauen Cardigan vor den anwesenden Journalisten, es hätten aber ebenso gut hochgekrempelte Ärmel sein können. Schließlich galt es zu diesem Zeitpunkt, einen unruhigen Verein in einen seriösen Bundesligisten zu verwandeln, „bei dem alle an einem Strang ziehen“. „Ich sehe meine Aufgabe nicht nur als Sportdirektor, sondern möchte den Verein als Ganzes sehen, schaue über den Tellerrand des reinen Transfergeschäfts hinaus“, hatte Heidel gesagt. Kurzum: Er wollte Schalke in Ruhe revolutionieren.
Genialer Kniff
Nach seinem ersten Jahr und einem enttäuschenden 10. Tabellenplatz unter Markus Weinzierl geriet dieses Vorhaben bereits ins Wanken. Heidel hatte damit begonnen, den Kader nach seinen Vorstellungen umzubauen, Altlasten loszuwerden, und trotzdem schien den Beteiligten klar: Eine erneute Saison mit diesem Abschneiden dürfe sich Heidel nicht erlauben, wenn er auf Schalke bestehen wollte.
In diesem Moment traf Heidel eine riskante Wahl: Er holte Domenico Tedesco, der bis dahin in seiner Trainerkarriere elf Spiele bei Erzgebirge Aue an der Seitenlinie gestanden hatte und als großer Tüftler galt, nach Gelsenkirchen. Und er verkaufte dem unruhigen Verein damit eine Vision – die unbedingte Ruhe brauchte. Weshalb endlich und erstmals nach langer Zeit auf Schalke „alle an einem Strang“ zogen.
Die Rolle des Außenseiters
Die Geschichte, die Heidel und Tedesco in der vergangenen Saison bemühten, ist schnell erzählt: Schalke spielte die demütige Rolle eines Außenseiters. Ein Verein, der – gerade auch im internationalen Vergleich – finanziell nicht mithalten kann, und Spieler aus der eigenen Schmiede werde ziehen lassen müssen. Und dessen Führung, um seine langfristigen Ziele zu erreichen, deshalb auch unbequeme, aber konsequente Entscheidungen wird treffen müssen.
In Verbindung mit dem überraschenden sportlichen Erfolg ging dieser Plan auf. Bei der Trennung von Vereinsikone Benedikt Höwedes blieb die Unruhe im Rahmen. Der Abgang von Max Meyer, der eine zeitlang zu den besten Spielern Schalkes gehörte, wurde vom Umfeld sogar begrüßt. Und als Schalke zu Beginn dieser Saison die ersten fünf Spiele verlor, wackelte der Trainer nicht. Heidel: „Wenn es Probleme gibt, gehen wir da gemeinsam durch.“
Was sich Heidel vorwerfen lassen muss
Allein Tedesco ist kein Trainer, der lapidar Ruhe ausstrahlt. Tedesco verändert sofort, wenn etwas nicht funktioniert. Er stellte die Defensive um, er rotierte rein und raus (in dieser Saison oft verletzungsbedingt), er schrieb die Idee wieder ab, selbst Fußball spielen zu lassen. Er verabschiedete, wie zuvor Höwedes, nun auch unerwartet Naldo und setzte Ralf Fährmann auf die Bank. Tedesco ist kein Aktionist, er will jede Entscheidung begründen können. Doch wenn in dieser Gemengelage die Erfolge ausbleiben, wirkt Veränderung wie Planlosigkeit. Und ohne erkennbaren Plan kommt Unruhe auf.
Christian Heidel wird sich vorwerfen lassen müssen, dass abgesehen von Mark Uth – der im Schalker Trikot für die Nationalmannschaft berufen wurde – kein Neuzugang wirklich funktionierte. Er beklagte, dass ihn die „Sport Bild“ in den vergangenen Wochen scharf attackiert hatte. Sie forderten ihn auf, sich „zu schämen und zu gehen“.
Was ist die Alternative?
Heidel geht zum Saisonende, tritt schon jetzt in den Hintergrund und will auch auf seine Abfindung verzichten. Ein respektabler Schritt, der – so heißt es – wegen fehlender Rückendeckung nun auch noch Domenico Tedesco den Job kosten könnte. Vielleicht bleibt er auch bis über den Sommer hinaus, dann hätte er so lange durchgehalten wie kein Zweiter seit Huub Stevens.
Ob es ohne Christian Heidel – und möglicherweise ohne Tedesco – besser wird auf Schalke? Ob Schalke diese innere Unruhe einfach braucht? Die Statistik der letzten Jahre spricht dagegen.