Ousmane Dembélé soll der neue Wunschspieler des FC Bayern sein. Darüber machen sich viele lustig. Dabei spricht vieles dafür. Ganz besonders die Erfahrung.
Gefühlt ist gewusst. Das gilt ganz grundsätzlich, besonders aber für den Fußball.
Gut zu beobachten ist das derzeit rund um die Transfergerüchte, die Barcelonas Ousmane Dembélé kurz vor einem Wechsel zum FC Bayern München sehen. Der Ex-Dortmunder soll der „Plan B“ sein, sofern „Plan A“, Leroy Sané, nicht zu realisieren sei. 100 Millionen Euro Ablöse sind im Gespräch, doch das ist schon nichts mehr, worüber sich die Auguren ereifern.
Viel lieber spotten sie über die vermeintliche Charakterlosigkeit des immer noch gerade einmal 22-jährigen Franzosen, der 2016 wie ein Naturphänomen über die Bundesliga kam und im vergangenen Sommer Weltmeister wurde. Ein Spieler, der dem FC Barcelona nicht ohne Grund 125 Millionen Euro wert war, und bei dem damals niemand grundsätzlich in Frage stellte, ob er fußballerisch das Zeug dazu habe, mit Messi und Co. auf dem Feld zu stehen.
Probleme, Probleme! Probeme?
Dembélé vereint Spielfreude und ‑witz, Tempo und eine erstaunliche körperliche Robustheit. Er ist ein idealer Außenbahn- , und auch wenn er noch zu oft die falschen Entscheidungen trifft, ein Unterschiedsspieler. Er stand in der vergangenen Saison bei 20 Ligaspielen in der Startelf, hat dort nach Messi und Suarez die drittmeisten Tore erzielt (8) und ebenso viele Treffer vorbereitet wie Mittelfeldstratege Ivan Rakitic (5). Insgesamt ist er im Trikot des FC Barcelona alle 1,8 Spiele direkt an einem Tor beteiligt.
Sollte der Klub ihn überhaupt ziehen lassen, dann nur, weil die Möglichkeit auf die Zugänge Antoine Griezmann und Neymar besteht. Der Meinungsmache tut das keinen Abbruch. Zu verlockend scheint es, alte Boulevard-Titel aufzugreifen. In welchem Zustand Dembélé einst das Haus in Dortmund verlassen habe! Und überhaupt: verschlafene Termine, ungesunde Ernährung, ein Kindskopf durch und durch! Hat man gehört. Wird schon stimmen, allein, weil es passt. Gefühlt ist gewusst.
Dass er auch im Trikot des BVB und trotzdem immer wieder Münder offen stehen ließ, dass sie sich rühmten, dieses Juwel entdeckt zu haben, war schnell vergessen, sobald er weitergezogen war. Und am Ende nichts weiter als der verletzte Stolz des Liebhabers, der allein zurückgelassen wird. Aber es soll sich ja auch in Barcelona fortgesetzt haben, das Problem-Verhalten des jungen Ousmane. Weshalb ihm der Klub irgendwann Koch und Bodyguard an die Seite gestellt habe. Kein Fast-Food, keine verpassten Termine mehr. Und trotzdem immer mal wieder: Probleme. Und trotzdem immer auch wieder: entscheidende Tore, Vorbereitungen, Momente zum Staunen.
Und sollte das nicht genügen, von der Richtigkeit der bajuwarischen Bemühungen überzeugt zu sein, hilft vielleicht ein Blick in die Vergangenheit.
Denn so groß sie sich an der Säbener Straße auch wünschen: Hinter den Top-Klubs aus England und Spanien, hinter Paris St.-Germain, spielt der FC Bayern eine vorzügliche, aber doch nur die zweite Geige. Der Klub kauft keine internationalen Superstars, das hat er nie getan. Er macht sie.
Arjen Robben war nur zu bekommen, weil er bei Real Madrid keine Rolle mehr spielte. Franck Ribéry war vor dem Wechsel zu den Bayern schlicht nicht auf dem Zettel von Real, Barca und Co.; dabei wäre er, der zunächst keine Lust auf Bundesliga hatte, dorthin viel lieber gewechselt. Kylian Mbappé, Neymar, Antoine Griezmann, Cristiano Ronaldo oder Eden Hazard sind heutzutage für den deutschen Rekordmeister völlig unrealistische Transferziele. Das hat viele Gründe, ist aber unumstößlich. Und nicht weiter schlimm. Ganz im Gegenteil, es ist ein lohnendes Geschäftsmodell.
Dembélé? Locker!
Und noch etwas sollte man bedenken, wenn man sich spöttisch über die Bemühungen um Ousmane Dembélé auslässt: Die Bayern haben Erfahrung mit schwierigen Charakteren. So hieß es vor dem Wechsel Ribérys zu den Bayern im Sommer 2007 in der „SZ“: „Frankreichs große Entdeckung der WM 2006 in Deutschland hat nicht nur einen Ruf als genialer Tempodribbler, Pass- und Flankengeber. Er gilt vielen auch als Prototyp des von Managern gesteuerten Söldners. Eine gewisse Unreife attestierte dem Spieler vor einem Jahr der OM-Präsident Pape Diouf, Ribéry sei Instrument gewisser Geister, die über ihn wachen.“
Zwölf Jahre, vermeintliche Rundum-Betreuung und viel bayrische Nachsicht später verabschiedeten sie einen „Bayern at heart“. Wer das geschafft hat, wird mit Dembélé locker fertig.
Weil, klar: Gefühlt ist gewusst.