Laut einer neuen Studie berichtet jeder dritte Fußballprofi von Depressionen oder Angstzuständen. Sind Berufsfußballer anfälliger für mentale Probleme als andere Menschen?
Die Spielervereinigung FIFPro veröffentlichte vergangene Woche, pünktlich zur „Mental Health Week“, die Studie „Mental health problems in professional football“. Zu den Teilnehmern gehörten Spieler aus Chile, Japan, Paraguay, Peru, Belgien, Frankreich, Schweden, Spanien, Finnland, Norwegen und der Schweiz. Die Untersuchungen leitete Dr. Vincent Gouttebarge, ehemaliger Fußballprofi (u.a. AJ Auxerre) und derzeit Chef-Mediziner bei FIFPro.
Dr. Vincent Gouttebarge, laut FIFPro ist Ihre Studie ein zweiter Schritt in der Erforschung von Depressionen und anderen psychischen Krankheitserscheinungen im Profisport. Was zeichnet diesen zweiten Schritt aus?
Wenn man Präventionsarbeit in dieser Sache leisten möchte, muss man schrittweise vorgehen. Das ist ganz einfach unser wissenschaftlicher Ansatz. Zuerst geht es um die Identifikation des Problems. Mit welchen mentalen Problemen haben wir es überhaupt zu tun und in welchem Ausmaß liegen diese vor? Die Beantwortung dieser Fragen leistete eine Pilotstudie, die wir 2013 durchgeführt haben. Im zweiten Schritt suchen wir nach Gründen für seelische Belastungen und versuchen herauszufinden, welche Faktoren eine Rolle spielen und die geistige Gesundheit negativ beeinflussen.
Im Rahmen ihrer Studie haben Sie 607 aktive und 219 ehemalige Fußballprofis auf deren geistige Gesundheit untersucht. Wonach haben Sie und Ihr Team genau gesucht?
Wir haben die Spieler zu verschiedensten Symptomen befragt. Anzeichen von Stress, depressive Tendenzen und Angstzustände, Schlafstörungen sowie übermäßiger Alkoholkonsum waren dabei die entscheidenden Kategorien. Die entsprechenden Fragen basieren auf uns bekannten Fällen und früheren Studien. Wir haben uns zum Beispiel nach Sorgen, Ängsten oder Konzentrationsproblemen erkundigt.
Was haben Sie herausgefunden?
Es bestätigte sich, was wir 2013 schon feststellen konnten. Nämlich dass Fußballprofis in großer Zahl mit seelischen Belastungen und Krankheiten zu kämpfen haben. Nicht nur während ihrer aktiven Zeit, sondern auch über das Karriereende hinaus. In geringerem Maße haben wir das auch 2013 schon erkennen können, aber mit der neuesten, größer angelegten Studie haben wir herausfinden können, wie verbreitet das Problem ist.
38 Prozent der Aktiven und 35 Prozent der Ehemaligen berichten von Depressionen und Angstzuständen. Die Zahlen der Profisportler liegen damit über dem Bevölkerungsschnitt. Sind Berufsfußballer also anfälliger für mentale Erkrankungen als andere Menschen?
Zunächst einmal sind Fußballspieler, genau wie alle anderen Menschen, verschiedensten Stressfaktoren ausgesetzt, die psychische Erkrankungen herbeiführen können. Aber Profifußballer sind vielen zusätzlichen Faktoren ausgesetzt. Wir haben uns beispielsweise mit der Trainer-Spieler-Beziehung auseinandergesetzt. Ein belastendes Verhältnis oder jegliche Form von Konflikt mit dem Coach kann die Psyche entscheidend belasten. Dasselbe gilt für Beziehungen zu den Mitspielern. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die sportliche Leistung, die Form des Spielers. Wird ein Leistungstief nicht gut verarbeitet, kann dies fatale Folgen für die geistige Gesundheit haben. Das führt uns zum nächsten, vielleicht wichtigsten Stressfaktor: den Verletzungen. Im Gegensatz zu den anderen Faktoren ist das ein sportspezifischer Stressor. In Kombination erhöht sich dadurch das Risiko für mentale Probleme.