Eine Woche lang war Ralf Rangnick der Beinahe-Retter auf Schalke. Dann sagte er ab. Warum? Weil Rangnick oft absagt – und weil der Klub wirklich verdammt kompliziert ist.
Von außen blickt man wie so oft irritiert auf die Vorgänge der vergangenen Woche. Zusammengefasst: Eine Initiative namens „Tradition und Zukunft“ möchte gerne Ralf Rangnick nach Schalke holen. Sie trifft sich mit ihm, sie verhandelt mit ihm. Alles offenbar ohne das Wissen des Aufsichtsrates, dem seit dem Ende von Clemens Tönnies der Rechtsanwalt Jens Buchta vorsteht.
Dieser erklärt in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, dass AR-Mitglied Stefan Gesenhues ihm jüngst von seinen Kontakten zu einer Gruppe berichtet habe, die mit Ralf Rangnick über ein Engagement als Vorstand und Trainer von Schalke 04 gesprochen hätte. Buchta: „Man habe bereits gewisse Konditionen ausgehandelt, sagte Gesenhues. Diese Konditionen, etwa zur Gehaltsfrage und zur Laufzeit, hat er auch bereits in Eckpunkten umrissen.“ Weiter erklärt Buchta im Interview, an Rangnick störe sich der AR gar nicht. In der Halbzeitpause des Spiels gegen Gladbach sagte er bei „Sky“ außerdem, man werde niemanden im Rat finden, der gegen Rangnick sei. Nur die Vorgehensweise der Initiative hätte ihm nicht gefallen: „Man muss sich das einfach mal vorstellen: Da hat eine nicht-legitimierte Gruppe mit Rangnick gesprochen und ihm im Namen des Vereins ein Angebot gemacht.“
Uwe Kemmer, ein Mitglied dieser „nicht-legitimierten Gruppe“, war bis vor wenigen Monaten Teil des Aufsichtsrates. Damals soll er schon in Alleingängen mit möglichen Sportvorstand-Kandidaten verhandelt haben, etwa mit dem ehemaligen Schalker Erik Stoffelshaus, der zuletzt mit Lokomotive Moskau Meister in Russland geworden war. Auch der Name Oliver Ruhnert, aktuell Union Berlin, ehemals Schalke, soll gefallen sein. Rangnick sei da noch kein Thema gewesen.
Die Initiative wiederum übt scharfe Kritik an der Vereinsführung, vor allem an Buchta, der erklärt hatte, dass man Rangnick nicht angesprochen habe, „weil wir meinten, wir könnten ihm nicht die Rahmenbedingungen bieten, wie er sie in Leipzig und Hoffenheim hatte“. Jörg Grabosch, ein Mitglied der Gruppe, erwiderte bei „Sky“: „Das Argument ist vorgeschoben. Man fragte bei Krösche an, der ebenfalls nicht für einen Kreisliga-Etat eine Mannschaft aufbauen kann oder will.“
Ach ja, Markus Krösche, Sportvorstand von RB Leipzig. Der wurde tatsächlich auch auf Schalke gehandelt. Unter der Woche, nach der 836. herausposaunten Rangnick-Interna erklärte Krösche, potzblitz, er stehe nicht mehr zur Verfügung. Aber auch das nur am Rande.
„Ich habe keine Lust mehr auf politische Possenspiele“
Man könnte jetzt mal wieder sagen: Transparenz ist wichtig, völlige Transparenz über die Vorgänge. Allesaufdentischpacker. Funktionäre, die auf Macht verzichten. Offizielle, die sich selbst zurücknehmen. Ehrlichkeit. Aber wahrscheinlicher scheint es, dass Schalke kommende Saison in schwarz-gelben Trikots aufläuft.
In diesem ganzen Remmidemmi muss man diesmal sogar festhalten, dass man alle Parteien irgendwie verstehen kann. Jens Buchta, der nicht unbedingt ein Mann der Tat ist, aber der sich auch nicht von außen überrumpeln lassen will. Die geheime Gruppe, die angesichts der Lethargie des Aufsichtsrates eigeninitiativ handeln möchte. Die Fans, die so sehr auf einen Heilsbringer gehofft haben und nun annehmen müssen, dass der Verein wirklich jeden kompetenten Trainer oder Funktionär vergrault. Und ja, sogar Ralf Rangnick, der auf diesen Irrsinn offenbar doch lieber verzichten möchte. Der nun eine Woche in königsblauen Likes und Liebeserklärungen baden konnte und dann beleidigt gesagt hat: „Ich habe keine Lust mehr auf politische Possenspiele, ich bin es leid.“
Oh, sorry, das Zitat ist ja von 2004, als Ralf Rangnick nach Streitereien mit Rudi Assauer auf Schalke hingeworfen hatte. Andere Zeiten. Damals hieß er auch noch Rolf Rangnick.