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Seite 2: „Die wichtigsten Spieler fehlten ständig beim Training, weil sie vor Gericht aussagen mussten“

Was sagen Sie dann?
Dass sie beim nächsten Gran Canaria Urlaub in Oscars Pub“ ein­kehren, dort fünf Pils trinken und dann beim Deckel einen Euro abziehen lassen sollten. Die Kneipe gehört näm­lich Oscar“ Sie­bert…

Wie kam Ihr Zieh­vater Steil­mann mit Ihren Abwan­de­rungs­ge­danken klar?
Ihm war bewusst, dass er mich nicht halten kann. Er sagte: Wenn du das machen willst, dann geh. Und wenn Du nicht dort zurecht kommst, geben wir Schalke das Geld zurück und du kommst wieder“. Damit hat er sehr viel Druck von mir genommen.

Was machte die Bezie­hung von Steil­mann und Ihnen aus?
Er hatte eine gran­diose Men­schen­kenntnis. In neun von zehn Gesprä­chen erkannte er sofort, welche Fähig­keiten in einem Mensch schlum­mern und wie er sich diese zunutze machen kann. Mit ihm konnte ich jeder­zeit unter vier Augen über Fuß­ball reden, das war vor allem in meiner Trai­ner­zeit wichtig, denn auf sein Wort konnte man sich ver­lassen und er hat den Stress von einem weg­ge­halten.

Waren Sie mit Steil­mann per Sie?
Er sagte Hannes“ zu mir, ich nannte ihn Boss“.

Der Spar­gel­tarzan“ musste bei Schalke 04 unter Trainer Ivica Horvat erstmal ordent­lich schuften.
Das erste halbe Jahr auf Schalke war die Hölle. Horvat wollte, dass ich zulege. Wäh­rend die anderen vor Sai­son­be­ginn zu Freund­schafts­spielen über die umlie­genden Dörfer tin­gelten, rannte ich tagein, tagaus mit der Blei­weste im Revier­park Nien­hausen die Hügel rauf und runter. Als die Saison anfing, war ich platt wie eine Flunder und in der Hin­runde kriegte ich fast gar nichts auf die Reihe.

Es war damals viel Unruhe im Klub, Schalke 04 stand unter dem Ein­druck des Bun­des­li­ga­skan­dals. Sogar Stan“ Libuda war nach einem Jahr bei Racing Straß­burg zurück.
Das war eine Good Will“-Aktion des Klubs. Er trai­nierte nur noch, mehr ging leider nicht mehr. Es war skurril. Die wich­tigsten Spieler fehlten ständig beim Trai­ning, weil sie in Essen vor dem Land­ge­richt aus­sagen mussten. Manchmal wurde die Ein­heit um eine halbe Stunde nach hinten ver­schoben und wir war­teten, bis die Kol­legen im Anzug aus dem Gericht kamen.

Schalke war eine lau­ni­sche Diva. Ständig wurden die Trainer gewech­selt.
Daran war ich aber nicht schuld. Ich würde sagen, dass ich es keinem unserer dama­ligen Trainer beson­ders schwer gemacht habe.

Ihr Team­kol­lege Helmut Kre­mers soll wäh­rend des Kurz­zeit­enga­ge­ments von Max Merkel wäh­rend eines Spiels gesagt haben: Trainer, ich muss mal zur Toi­lette.“
Das hätte ich mich nie getraut. Merkel war extrem auto­ritär, uns jün­gere Spieler hatte er gut im Griff, auch wenn ich sagen muss, dass man­ches, was wir uns von ihm anhören mussten, heute für eine Klage aus­rei­chen würde. Aber wir haben gekuscht. Die Älteren waren da etwas auf­müp­figer, des­wegen war Merkel bald wieder weg.

Ihnen eilte der Ruf voraus, eine schlam­piges Genie“ zu sein.
Tech­nisch begabten Mit­tel­feld­spie­lern sagt man oft eine gewisse Schlam­pig­keit nach. Denken Sie nur an Günter Netzer oder Hansi Müller. Bei Typen wie Bulle“ Roth oder Kat­sche“ Schwar­zen­beck heißt es im Gegen­satz: Der ver­ge­wal­tigt den Ball.“ Beides ist doch nur zum Teil richtig. Ein Zehner grätscht eben sel­tener.

Wie lief das Pro­fi­leben Mitte der Sieb­ziger auf Schalke ab?
Wir konnten uns völlig frei bewegen. Mit­tags gingen wir nach dem Trai­ning zusammen im Kaufhof“ zum Mit­tag­essen. Vor Heim­spielen fuhren wir am Freitag nach dem Abschluss­trai­ning mit dem Bus nach Flaes­heim und kehrten im Jägerhof“ ein. Dort gab es das beste Essen. Nach dem Dinner gingen wir spa­zieren, vorm Ein­schlafen tranken wir an der Hotelbar noch ein Bier­chen und am Samstag fuhren wir die 35 Kilo­meter zurück bis ins Park­sta­dion.

Und nach den Spielen?
In Gel­sen­kir­chen gingen wir oft in eine Disco namens Python“. Und wenn wir ver­loren hatten, gab es von den Gästen dort auch mal Feuer. So wie der Koh­len­pott halt ist: hart, aber herz­lich.

Ihnen gelang das Kunst­stück, 1976 die Bayern mit einer Welt­klas­se­leis­tung 7:0 zu schlagen und ein Jahr später in Mün­chen mit 1:7 zu ver­lieren.
Und ich Trottel schieße in der Schluss­mi­nute ein Eigentor. Der Ball fiel mir so unglück­lich auf den Fuß, dass ich mit ihm ins Netz stol­perte und mir nichts bes­seres ein­fiel, als zu grinsen. Ein Foto­graf hin­term Tor ließ sich das Bild nicht ent­gehen und am nächsten Tag sah man in allen Zei­tungen, wie ich lächelnd im Tor stehe. Unserem Trainer Friedel Rausch ging die Fratze da natür­lich auch runter.

Was haben Sie ihm gesagt?
Soll ich, wenn eh schon alles ver­loren ist, am Ende noch in Tränen aus­bre­chen?

Ihre größten Spiele erlebten Sie, nachdem Sie 1978 nach Kai­sers­lau­tern wech­selten. Dort trafen wieder auf Kalli Feld­kamp.
Er hatte mich geholt. Schalke war mal wieder knapp bei Kasse, Oscar“ Sie­bert brauchte die Ablöse. Ich kam in das beste Team, in dem ich je gespielt habe, wir spielten vier Jahre in Folge UEFA-Cup.

Real Madrid fegten Sie im Vier­tel­fi­nale 1981/82 mit 5:0 vom Bet­zen­berg. Das beste Spiel Ihrer Lauf­bahn?
Sicher eines der besten. Im Hin­spiel hatten wir in Madrid 3:1 ver­loren. Die Spa­nier traten uns mit einer der­ar­tigen Bru­ta­lität zusammen, sowas kannten wir nicht. Danach war zwei Wochen Aus­nah­me­zu­stand in Kai­sers­lau­tern. Die Bun­des­liga spielte über­haupt keine Rolle mehr – es ging nur noch darum, es Real heim­zu­zahlen. Wir wollten Rache – und die nahmen wir dann auch.

Berühmt-berüch­tigt waren Sie in der aktiven Zeit für Ihren Über­steiger. Woher hatten Sie den Trick?
Es gab einen Angreifer in Aachen, Her­bert Gronen, den hatte ich in den Sech­zi­gern am Tivoli gesehen, und war ganz begeis­tert von seinem Trick gewesen. Also pro­bierte ich es aus – und es wurde zu meinem Mar­ken­zei­chen. Es war eine gute Finte, um vom Gegen­spieler weg­zu­kommen.

Aber wer als Profi für einen Trick bekannt ist, wird es nicht leicht haben, diesen ständig anzu­wenden.
Ich weiß noch, wie ich im Spiel gegen den HSV auf Manni Kaltz zukam. Er rief mir schon von weitem zu: Mach ihn nicht, Hannes, mach ihn nicht.“

Und Sie haben Ihn doch gemacht.
Ich habe es immer wieder ver­sucht, meis­tens ging es auch gut.

Warum haben Sie eigent­lich nur vier Län­der­spiele gemacht?
Ich habe stets ehr­geizig auf meine Ziel hin­ge­ar­beitet, aber wenn ich das Vor­ge­nom­mene erreicht hatte, neigte ich mit­unter zur Zufrie­den­heit. 1976 hatte ich es in den DFB-Kader geschafft – ein lang­ge­hegter Traum ging in Erfül­lung. Aber es gab viele gute Spieler auf meiner Posi­tion, da hätte ich mehr beißen müssen.

Ihren größten Auf­tritt im Natio­nal­trikot hatten Sie im EM-Finale 1976 gegen die Tsche­cho­slo­wakei. Im Elf­me­ter­schießen traten Sie erfolg­reich an.
Es wollte ja kein anderer. Die gingen alle weg, als Helmut Schön sie fragte, ob jemand schießen möchte. Sogar Franz Becken­bauer lief an die Seite. Ich hatte damit kein Pro­blem, aber natür­lich wird das Tor auf dem Weg von der Mit­tel­linie zum Punkt immer kleiner. Und wenn dann der Clown auf der Linie auch noch Faxen macht, kommt man schon ins Grü­beln.