Seit Samstag steht der Videobeweis in den Regeln. Und er wird auch bei der WM zum Einsatz kommen, weil sein größter Fanboy das so will. Dabei ist das System nicht ausgereift.
Glenn sprach von mehr als tausend Spielen auf der ganzen Welt, die untersucht worden wären. Später kursierten Zahlen, nach denen früher 93 Prozent der Schiedsrichterentscheidungen korrekt waren. Nach Einführung des VAR sei der Wert auf 98,9 Prozent gestiegen.
Aber alles andere wäre natürlich auch absurd gewesen. Nicht einmal die größten Gegner der Männer mit den Monitoren werden bestreiten, dass der Videoreferee in nahezu allen Fällen, in denen er in der Bundesliga zum Einsatz kam, einen Fehler des Schiedsrichtergespanns auf dem Rasen korrigierte. Man kann das, wie Infantino es tut, als mehr Fairness oder Gerechtigkeit betrachten. Und deswegen lautete bei der Pressekonferenz gleich die erste Frage aus dem Plenum: „Wann wird beschlossen, ob der VAR auch bei der WM in Russland zum Einsatz kommt?“ Infantino verwies auf den Kongress des FIFA-Councils am 15. und 16. März in Bogota. Doch seine Miene ließ keinen Zweifel daran, was dort beschlossen werden wird.
Warum diese Hast?
Wenn man sich vor Augen hält, wie lange über die Einführung einer Testphase diskutiert wurde, dann muss es verwundern, wie schnell das Ganze plötzlich geht. Denn ausgereift ist das System ja nun weiß Gott nicht. So stellt sich nach den letzten Wochen in der Bundesliga zum Beispiel die Frage, ob der Videoreferee nicht einfach nur viele Fehler korrigiert, die es ohne ihn nicht geben würde.
Immer mehr Linienrichter neigen zum Beispiel dazu, ein Abseits nicht anzuzeigen, sondern die Sache dem VAR zu überlassen. Das mag bei knappen Entscheidungen noch im Sinne des Angreifers und des Spiels sein, aber inzwischen bleiben die Fahnen selbst bei klaren Abseitspositionen unten. Und es gibt erste Anzeichen, dass nun auch die Schiedsrichter ihre Arbeit verweigern.
Schiedsrichter verweigern die Arbeit
So hatte Sören Storks gestern beste Sicht auf das vermeintliche 2:0 des 1. FC Köln gegen den VfB Stuttgart. Er musste eigentlich erkennen, dass Ron-Robert Zieler die Hand auf dem Ball hatte, bevor der weggespitzelt wurde. Und das gleich zweimal! Vermutlich sah Storks es sogar, denn er wies ja nicht mal zur Mitte, sondern blieb direkt vor dem fassungslosen Zieler stehen und machte ihm deutlich, dass die Entscheidung überprüft würde. Trotzdem tobte der Keeper – und das zu Recht. Ein Lippenleser hätte vielleicht sehen können: „Das musst du doch pfeifen! Warum machst du das nicht?“
Wenn das weiter um sich greift, dann hat zumindest die Bundesliga das, was sie eben nicht wollte: immer mehr Unterbrechungen. Und ob diese Entwicklung bis zur WM zu stoppen ist, scheint fraglich. So wurden die wahrsten Sätze am Samstag von Michael Glenn gesprochen. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, sagte er. „Wir müssen sicherstellen, dass nicht nur das Prinzip gut ist, sondern auch die praktische Umsetzung.“