Souleymane Cherif war der einzige Schwarze im DDR-Fußball. 1964 schoss er den SC Neubrandenburg überraschend in die Oberliga, dabei wollte er eigentlich nur studieren.
Sein letztes Spiel für den SC Neubrandenburg machte er am 14. Juni 1964. Es war ein kurioser Spieltag, denn Neubrandenburg lag zwei Punkte und 16 Tore vor dem TSC Berlin (heute Union Berlin). Uneinholbar. Eigentlich. Doch die Berliner schossen an diesem Tag gegen den SC Frankfurt/Oder 15 Tore, schon bei einer 0:1‑Niederlage Neubrandenburgs wären die Berliner aufgestiegen. „Vielleicht wollten die Funktionäre lieber eine weitere Mannschaft aus der Hauptstadt in der Oberliga sehen“, sagt Schröder. „Aber wir hatten ja Pelé!“ Der machte beim 7:1 gegen SC Cottbus zwar ausnahmsweise mal keine Tore, bereitete aber für seinen kongenialen Sturmpartner Meinhard Uentz eines nach dem anderen vor.
Nach dem Abpfiff trugen die Fans ihren Aufstiegshelden auf Schultern durch das Günther-Harder-Stadion. Und dann war Schluss für Pelé. „Natürlich war er enttäuscht“, sagt Krabbe. „Er kannte zwar die Statuten, aber es hat trotzdem ein bisschen an ihm genagt.“ Vielleicht weil er insgeheim doch darauf hoffte, als DDR-Oberliga-Spieler für westeuropäische Vereine attraktiv zu werden. Vielleicht auch, weil er zum Pionier geworden wäre. Zehn Jahre vor Ibrahim Sunday, der 1975 zu Werder Bremen wechselte, hätte er der erste Afrikaner in einer deutschen Eliteliga werden können.
30 Jahre hörte man nichts von ihm
Ein paarmal traf er seine alten Mitspieler noch, gelegentlich nahm er als Zuschauer auf der Tribüne des SCN Platz. 1965, nach einem Jahr bei Empor Neustrelitz, ging es zurück nach Guinea. Ein ehemaliger Vereinsarzt besuchte ihn Anfang der Siebziger mehrmals in Conakry. Zwischen 1965 und 1980 spielte er dort für den Hafia FC, gewann in dieser Zeit zwölf Mal die nationale Meisterschaft und drei Mal die afrikanische Champions League. In jenen Jahren erschien ein letztes Interview mit Cherif.
Ein Redakteur der „Neuen Fußballwoche“ hatte ihn ausfindig gemacht. Im sozialistischen Satzbaukasten-Sprech erinnerte sich Cherif an seine Zeit in Neubrandenburg: „Ich bin der DDR immer verbunden, weil ihre Menschen praktizieren, was unser Anliegen ist: die Solidarität.“ Danach hörte man in Deutschland über 30 Jahre nichts mehr von ihm.
Umso euphorischer berichtete der „Nordkurier“ im Juli 2014, dass Cherif sich gemeldet habe. Er gratulierte dem Klub zum 50-jährigen Jubiläum des legendären Oberliga-Aufstiegs und schickte die besten Grüße aus Conakry.
„Er dachte wohl, das sei immer noch die höchste Liga“
Heute arbeitet Cherif als Technischer Direktor beim AC Horoya in Conakry, aber eine Kontaktaufnahme ist außerordentlich kompliziert. Der Klub antwortet wochenlang nicht auf E‑Mail-Anfragen, die auf der Homepage angegebenen Telefonnummern führen zu Faxgeräten oder ins Nichts. Auch Anfragen an Journalisten aus Conakry lassen einen ratlos zurück. Einer sagt, dass Cherif mittlerweile in Frankreich lebe. Ein anderer glaubt, Cherif sei verschollen, vielleicht lebe er irgendwo im Süden Guineas.
Ende August aber, wenige Tage vor Redaktionsschluss, hebt beim AC Horoya doch jemand das Telefon ab, und auch Cherif meldet sich bald darauf. Wir schicken ihm die Fotos. Ach ja, sagt er. Das seien gute Erinnerungen, Harry Mehrwald, Jürgen Schröder, Peter Krabbe – alles gute Typen.
Auch Krabbe sagt: „Natürlich wäre ein Wiedersehen toll.“ Allerdings würden sie ihm dann beichten müssen, dass es sportlich nicht mehr ganz so gut läuft. „Als Pelé uns 2014 schrieb, freute er sich, weil Neubrandenburg in der Oberliga spielt. Er dachte wohl, das sei immer noch die höchste Liga.“