Marcelinho gilt als einer der spektakulärsten Spieler der Ligageschichte – gestern hat er mit 44 Jahren endgültig seine Karriere beendet. Wir haben mit ihm über seine aufregende Laufbahn gesprochen. Und über Samba in der Hauptstadt.
Marcelinho, 2002 waren Sie ein Star in Berlin und ein Topspieler der Bundesliga. Doch während Brasilien Weltmeister wurde, saßen Sie nur auf der Couch.
Felipe Scolari hatte mir versprochen, mich nach Japan und Südkorea mitzunehmen. Ich war in einer tollen Form, hatte in der Qualifikation fast jedes Spiel gemacht. Doch dann gab es einen Vorfall.
Was für einen Vorfall?
Es war Februar und ich war in Berlin in einer Disko ein bisschen feiern gewesen. Dort hatte ich einen über den Durst getrunken. Dann bin ich besoffen ins Auto gestiegen – und wurde auf dem Kaiserdamm in Charlottenburg erwischt.
Mit 70 km/h zu viel und 1,27 Promille im Blut.
Die Polizei hielt mich an, und dann ging es für mich die Nacht erst mal aufs Revier. Und wenn du als brasilianischer Nationalspieler bei der Polizei landest, weiß es am nächsten Tag das ganze Land. Felipe Scolari galt als Disziplinfanatiker. Er rief mich an und fragte, was passiert sei. Ich erzählte ihm alles und er sagte, er würde sich wieder bei mir melden. Auf den Anruf warte ich allerdings noch immer. (Lacht.)
In Brasilien ist die Seleçao heilig. Wie fühlten Sie sich nach diesem unrühmlichen Abgang?
Mir tat es unendlich leid – und es tut bis heute weh. Meine Kollegen wurden Weltmeister, ich habe mir diese Chance selber verbockt. Diese Nacht damals im Februar war der Fehler meines Lebens.
Sie kommen aus dem Bundesstaat Paraiba im Norden Brasiliens. Wie würden Sie das Kind Marcelinho beschreiben?
Als einen Knirps mit extrem großem Ehrgeiz. Ich habe Fußball immer geliebt, war jeden Tag auf den Sandplätzen bei mir im Viertel. Aber mir ging es um mehr als Spaß: Ich wollte schon als kleiner Junge unbedingt Profi werden, um später meiner Mutter ein großes Haus zu kaufen. Ich komme aus armen Verhältnissen. Es war immer mein Traum, meiner Mutter einmal ein so großes Geschenk zu machen.
Ihr Vater war Fußballer. Hätte er das nicht erledigen können?
Mein Vater war ein guter Stürmer. Allerdings hat er immer nur bei kleinen Vereinen in der Region gespielt. Und damit längst nicht so viel Geld verdient, wie nötig gewesen wäre.
Also zogen Sie bereits mit 16 Jahren ganz allein in die Metropole Sao Paulo.
Ich war extrem schüchtern, fast ängstlich. Ich komme aus einem kleinen Staat, den ich bis dahin noch nicht ein einziges Mal verlassen hatte. Plötzlich stand ich in einer der größten Städte der Welt und wohnte in einer Art WG mit 15 anderen Jungs.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie besser sind als die anderen?
Ich war als Kind extrem heiß auf den Ball. Und wenn du den Ball immer haben willst, musst du auch viel rennen, um ihn zu bekommen. Also war ich nicht nur technisch gut, sondern auch laufstark. Deshalb haben mir in Brasilien alle gesagt, ich würde es schaffen – auch in Europa.