Der Uerdinger Grotifant gilt als Skandal-Maskottchen. Weil er auf den Platz stürmt und sich mit gegnerischen Torhütern kloppt. Höchste Zeit, zum heutigen Tag des Elefanten der Frage nachzugehen: Wie fühlt sich das Leben an als Animal Terrible? Unser Autor hat es ausprobiert.
In den Katakomben angekommen, glaubt der Pressesprecher mich beruhigen zu können. Nein, der Kopf werde zwar nicht herkömmlich gewaschen, das sei ob der Form leider nicht möglich, aber, kein Problem, es gebe ja Febreze. Das Leben kann dir nicht immer Zuckerstückchen vor den Rüssel halten, denke ich. Danach werden meine Kompetenzen abgesteckt. Jubeln mit den Fans? Geht in Ordnung. Nach dem Spiel besoffen ins Ermüdungsbecken (wenn es denn eines gäbe) pinkeln? Nicht in Ordnung. Krieg ich hin. Zum Abschluss der Einweisung fällt dann der Satz, der faule Menschen im Allgemeinen und mich im Speziellen einigermaßen verunsichert: „Das schlimmste ist eigentlich, wenn du gar nichts machst.“
Dass ich überhaupt die Chance habe, einmal als Grotifant durchs Leben zu tapsen, verdanke ich auch Thorsten Harrer. Als Uerdingen, damals noch für Bayer unterwegs, Anfang der Neunziger einen Namen für das neue Vereinstier suchte, schlug Harrer den Namen Grotifant vor – und überzeugte die Verantwortlichen. Immerhin war Harrer damals bereits zwölf Jahre alt. 1994, drei Jahre später, wurde der erste reale Grotifant zum Leben erweckt. Allerdings kam es zunächst zu Komplikationen: Das Kostüm war so schwer, dass der Darsteller über Rückenschmerzen klagte und, noch schlimmer, unter Abschürfungen an den Beinen litt. Außerdem, so steht es auf der Homepage, hatte „der Träger mit einer ständig beschlagenen Brille zu kämpfen“ und musste „etliche Auftritte nahezu blind durchführen“. Ein unhaltbarer Zustand, das Kostüm wurde modifiziert, allerdings ging es wieder schief. Das neue, bequemere Outfit erinnerte viele Fans „eher an einen Ameisenbären als an einen Elefanten“. Und sah so gruselig aus, dass sich Kinder vor ihm fürchteten. Nach einigem Hin und Her und vorübergehendem Aussterben nahm sich „Bossi“ der Sache schließlich an – und sorgte 2004 mit neuem Kostüm für die Auferstehung des Grotifanten.
„Geh nackt rein“
13 Jahre später steht er beim Umziehen neben mir und erteilt mir mit einer Stimme Ratschläge, so heiser und rau, er muss sie sich hart erarbeitet haben: „Geh nackt rein“, sagt er, „kann heiß werden.“ Er relativiert das Wort „nackt“ zwar im nächsten Satz, die Buxe solle ich gefälligst anbehalten, aber ich habe jetzt eine grobe Vorstellung davon, wie er den Job früher angegangen ist. Und als ich mich endlich traue, den Kopf überzustülpen, rieche ich sie auch, die Leidenschaft vergangener Jahre, die Hingabe meines Vorgängers und, nun ja, seinen Schweiß. Alles Gewöhnungssache, hoffe ich, und wanke los.
Zunächst vor das Stadion, weg von den Scheinwerfern, erstmal reinkommen. Mein Sichtfeld ist so breit wie eine Streichholzpackung, die Geräusche aus der Umgebung dumpf wie nach einem gewaltigen Anschiss von Werner Lorant, an Türrahmen bleibe ich verlässlich mit dem stets fröhlich nach oben abstehenden Rüssel hängen. Aber ich habe Glück. Mein erstes Aufeinandertreffen mit Menschen findet mit einer E‑Jugend statt, die heute, beim Spiel gegen Wiedenbrück, an den Händen der Profis einlaufen wird.
Und die Kinder lieben den Grotifanten. Oder, noch besser: Sie lieben mich. Sie kreischen „KFC, KFC, KFC“, und ich stachele sie, verblüffend begeistert, klatschend weiter an. Ich posiere bereitwillig für Fotos, recke ihnen die Faust entgegen, sie geben sie durch ihre eigenen kleinen Fäuste wieder frei und nach zwei Minuten fühle ich mich unverhofft wohl in meinem Fell. Bis mich der Stadionsprecher erwischt und hinter sich herschleift, es gehe schließlich gleich los, und jetzt würde er mal eine kleine Ansage vor den Fans machen, und dann, dann würde ich mal ein bisschen abgehen, richtig? Richtig. Grmpf.