Der Uerdinger Grotifant gilt als Skandal-Maskottchen. Weil er auf den Platz stürmt und sich mit gegnerischen Torhütern kloppt. Höchste Zeit, zum heutigen Tag des Elefanten der Frage nachzugehen: Wie fühlt sich das Leben an als Animal Terrible? Unser Autor hat es ausprobiert.
Es gibt genau zwei Anweisungen an den Grotifanten. Erstens: Mach ordentlich Radau. Und zweitens: Mach nicht so viel Radau, dass es zum Spielabbruch kommt. Was mir der Pressesprecher vom KFC Uerdingen zehn Minuten vor dem Anpfiff damit eigentlich sagen will: Bitte, elendes Greenhorn, versau es nicht!
Der Grotifant ist kein gewöhnliches Maskottchen, in der deutschen Fußballlandschaft ist er berüchtigt. Was vor allem an Andreas Bosheck liegt. Der steckte die vergangenen 13 Jahre im Kostüm des Plüschelefanten und man könnte sagen, dass er sich in dieser Zeit nicht immer im Griff hatte. Einmal polterte er wutentbrannt aufs Spielfeld, riss sich den Elefantenkopf von den Schultern und stellte den Schiedsrichter wegen einer Roten Karte zur Rede. Ein anderes Mal legte er sich mit dem gegnerischen Torhüter an. Der ihn kurzentschlossen per Fausthieb niederstreckte.
Hoffentlich wird das Stadion nicht voll!
Für „Bossi“, wie ihn hier alle nennen, war das Leben als Grotifant mehr als ein Job, er blieb stets Fan. Und sorgte nicht für Krawall, weil er das wollte, sondern weil er nicht anders konnte. Doch seit er in diesem Sommer in den Betreuerstab des Regionalligisten wechselte, war die Stelle als Grotifant vakant. Weswegen der Klub sie vor ein paar Wochen per Inserat ausschrieb. Und ein Kollege von mir auf die ulkige Idee kam, sich einen Abend als Grotifant zu versuchen. Der Verein sagte begeistert zu, mein Kollege krankheitsbedingt wieder ab, die Aufgabe wurde intern durchgereicht und an einem Freitagabend im November laufe also ich armer Teufel die Uerdinger Straße in Richtung Grotenburg-Stadion entlang.
Je näher ich dem Spielort komme, desto heller stechen die Flutlichter durch den Abendhimmel. Ein Anblick, der ja eigentlich Vorfreude auslösen soll, denke ich. Doch ich fühle mich bedroht. Die Flutlichter, diese tückischen Biester, sie werden heute auch mich ausleuchten, dafür sorgen, dass ich mich nicht verstecken kann, nicht vor den Zuschauern, nicht vor mir selbst. In das Stadion passen 34 000 Zuschauer. Ich bete, dass nicht alle kommen. Was, wenn ich einfach kündige?
Lassen sie mir zumindest den Mittelfinger?
Ich hatte mich zuvor nur unzureichend mit den Anforderungen an ein Maskottchen vertraut gemacht, ich dachte, ich würde einfach hinfahren in diese westdeutsche Stadt, mich als Elefant verkleiden und dann die Aktion halbwegs glimpflich an mir vorbeirauschen lassen. Doch als ich durch Krefeld laufe, eine Stadt, gefährlich nah an Duisburg, drücken sich immer mehr Sorgen in mein Gehirn, als würde sie mir ein durchgeknallter Arzt per Spritze direkt in den Schädel injizieren. Kann man Maskottchen lernen? Oder ist es eine angeborene Fähigkeit wie freihändig rauchen, was man entweder beherrscht oder nach den ersten Versuchen, gepeinigt von beißendem Rauch in Nase und Augen, lieber wieder bleibenlässt? Dann das Kostüm. Wurde es in den vergangenen 13 Jahren gewaschen? Und wenn nein, warum zur Hölle nicht? Wie schwer ist der Kopf, wie eng ist der Kopf, muss ich tanzen, erwartet Krefeld akrobatische Finesse? Bekomme ich klobige Fäustlinge? Oder lassen sie mir zumindest den Mittelfinger?