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Seite 2: „Irgendwann nannte mich jemand ›der Wolf‹“

In der Fuß­ball­schule haben sich zwei Cha­rak­ter­grund­züge Iwa­nows her­aus­ge­bildet: eine grö­ßere Liebe zum Spiel als zum Trai­ning und die Nei­gung zur Rebel­lion gegen jede Auto­rität. Als er anfing, hatte der Klub drei Trai­nings­ein­heiten pro Tag ange­setzt. Das war für Iwanow ein Pro­blem, weil er schnell keine Lust mehr hatte zu laufen“. Später wurde das nicht anders, wie Gil­bert Gress, 1994 Iwa­nows Trainer bei Neu­châtel Xamax, bestä­tigt: Wenn wir Wald­läufe machten, war es nicht so, dass er ging oder sich durch­zu­schum­meln ver­suchte, er lief ein­fach in seinem Rhythmus. Aller­dings konnte er auch nicht viel schneller sein, denn er hatte kom­plett krumme Beine.“

Und tat­säch­lich, mein Name stand nicht in der Auf­stel­lung“

Iwanow mochte Letzter beim Joggen sein, aber er war Erster, wenn es darum ging, sich Befehlen zu wider­setzen. Unser Jugend­trainer war sehr gut, aber auch sehr streng“, erzählt Balakow. Er bestrafte uns oft, wenn wir nicht genau das machten, was er sagte. Damals im Kom­mu­nismus wurde einem zur Strafe der Schädel rasiert, und Trifon hatte oft sehr kurze Haare.“ So wun­dert es nicht, dass sich Iwanow gerade von dem für seine Strenge bekannten Gil­bert Gress her­aus­ge­for­dert fühlte. Wir durften zum Bei­spiel nicht mit dem Cabrio zum Trai­ning kommen, und natür­lich habe ich genau das gemacht. Alles, was er ver­boten hat, habe ich gerade des­wegen gemacht“, erzählt Iwanow. Aller­dings war die Situa­tion zwi­schen Spieler und Trainer von Beginn an ange­spannt, weil der Ver­eins­prä­si­dent und nicht Gress den Bul­garen ver­pflichtet hatte. Als ich zum Trai­ning kam, hat Gress mich gefragt, wer ich sei und was zur Hölle ich hier mache.“

Und dann erzählt Iwanow noch die Geschichte, wie er eines Tages das Trai­ning ver­ließ, nicht ohne Gress vorher ent­ge­gen­zu­brüllen, er habe keine Ahnung von Fuß­ball. Der Trainer hin­gegen hat ganz andere Erin­ne­rungen an ihr Ver­hältnis: So ein Quatsch! Hatte er getrunken, als er das erzählt hat? Er war immer sehr respekt­voll, auch wenn er ein biss­chen wild war. Bei Trai­nings­be­ginn habe ich jedem meiner Spieler die Hand geschüt­telt und er war der Ein­zige, der dazu auf­ge­standen ist.“

Viel­leicht hat Iwanow keine große Lust, als guter oder respekt­voller Spieler in Erin­ne­rung zu bleiben, und pflegt lieber das Image eines Hau­de­gens. Als Gress vor einem Heim­spiel seine Ansprache hielt, hörte ich wie gewöhn­lich nicht zu. Dann stand ich auf, um mich vor­zu­be­reiten, als mich ein Mit­spieler seltsam ansah: ›Warum machst du dich warm, du spielst doch gar nicht?‹ Und tat­säch­lich, mein Name stand nicht in der Auf­stel­lung. Also verzog ich mich in das Café auf der Tri­büne, um mir von dort das Spiel anzu­sehen. Ich trank einen Kaffee, rauchte eine Ziga­rette, und auf einmal stand der Prä­si­dent hinter mir: ›Was machst du hier? Spielst du nicht? Ich küm­mere mich darum.‹ Ich bin dann zur 15. Minute ein­ge­wech­selt worden, wir haben 2:1 gewonnen, und ich habe den Sieg­treffer erzielt.“

Auf der anderen Seite des Kon­fe­renz­ti­sches in seinem Büro in den Kata­komben des Yvailow-Sta­dions, zündet Iwanow sich gerade eine dünne lange Ziga­rette an, als der Klub­se­kretär fragt: Kaffee? Tee? Whiskey?“ Als Iwanow hier im Sta­dion in der ersten Mann­schaft von Etar Tar­nowo debü­tierte, war er acht­zehn Jahre alt. Fünf Jahre später wech­selte er in die Haupt­stadt, um dort mit Hristo Stoitschkow, Lju­boslaw Penew und Emil Kosta­dinow die wohl beste Mann­schaft in der Geschichte von ZSKA Sofia zu bilden. Unter dem Regime des kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tors Todor Schiwkow war es Fuß­bal­lern nicht gestattet gewesen, vor dem 28. Lebens­jahr ins Aus­land zu gehen, aber mit seinem Sturz 1989 öff­neten sich die Tore und alle hatten Lust auf etwas Neues. Penew ging zum FC Valencia, Kosta­dinow nach Porto, Stoitschkow zu Barca. Iwanow ent­schied sich für Betis Sevilla, aber die Anfänge dort waren mühsam. Als er ankam, konnte er kein Wort Spa­nisch und hat nur über Gesten mit den anderen kom­mu­ni­ziert, wie ein Taub­stummer“, erin­nert sich Juan Merino, Ver­eins­wirt bei Betis zu dieser Zeit. Aber Iwanow setzte sich nicht nur sport­lich durch. Er brachte es sogar fertig, mit anda­lu­si­schem Akzent zu spre­chen“, sagt Moreno.

Der Prä­si­dent hat den Transfer ver­hin­dert“

Trifon hatte eine große Klappe, das war einer der Gründe, warum die Mann­schaft ihn zum Kapitän machte. Er hatte die Eier zu sagen, was sich sonst keiner traute und bei irgend­wel­chen Unge­rech­tig­keiten ging er auf die Bar­ri­kaden.“ Das Pro­blem war aller­dings, das zwi­schen seinem ersten und zweiten Enga­ge­ment in Sevilla der Haupt­ak­tionär und Prä­si­dent wech­selte. Der neue Mann hieß Manuel Ruiz de Lopera, war eine Art Jesus Gil y Gil aus Sevilla und legte keinen großen Wert auf Kom­mu­ni­ka­tion. Die Infra­struktur des Ver­eins war schlecht, die Arbeits­be­din­gungen alles andere als ideal und die Gehälter wurden nicht immer frist­ge­recht bezahlt. Trifon warf Lopera in einer Tour vor, seine Füh­rung des Klubs wäre der Dritten Welt ange­messen.“

Als 1993 beim FC Bar­ce­lona Ronald Koe­man meh­rere Monate auf­grund einer Ver­let­zung aus­fiel, kam der Klub auf den Bul­garen zu. Sie boten mir einen Ver­trag an, aber der Prä­si­dent hat den Transfer ver­hin­dert“, erklärt Iwanow, wäh­rend er seine dritte Kippe aus­drückt. Er sagte, dass unsere Mann­schaft ohne mich nicht funk­tio­nieren würde. Ich kann es ihm nicht vor­werfen, aus seiner Sicht war es viel­leicht die rich­tige Ent­schei­dung. Aber mit einem Wechsel zum FC Bar­ce­lona wäre meine Kar­riere viel­leicht noch ganz anders ver­laufen.“ Es gibt noch ein zweites Angebot, das sich im Nachhin­ein als ver­passte Chance erwies. Von … Sturm Graz. Damals war ich bei Aus­tria Wien, und Ivica Osim, der Trainer von Sturm Graz, wollte mich holen. Aber meine Frau hatte damals was dagegen. Graz qua­li­fi­zierte sich dann in den fol­genden drei Jahren für die Cham­pions League.“ Der Wolf betont jedoch, dass sich die Fehl­ent­schei­dungen seines Lebens ansonsten an einer Hand abzählen lassen, inklu­sive zweier Roter Karten. Einmal musste ich sechs Spiele aus­setzen, weil ein Spieler von Linz mich als dre­ckigen Bul­garen beschimpft hatte und ich ihm dar­aufhin meinen Ellen­bogen ins Kinn gerammt habe. Und bei einem Freund­schafts­spiel 1991 gegen Ita­lien in Sofia spuckte mir Gian­luca Vialli mitten ins Gesicht. Im nächsten Moment lag er schon auf dem Boden, es war wie bei Zidane und Mate­razzi. Ich war im Unrecht, aber kein mensch­li­ches Wesen hat seine Emo­tionen ständig unter Kon­trolle.“ Trifon Iwanow jeden­falls nicht.