Er war der Kultspieler der Neunziger mit dem Gesicht eines Vorbestraften: Trifon Iwanow. Heute vor fünf Jahren verstarb er an einem Herzinfarkt. Wir machten uns einst auf Spurensuche nach dem großen Schweiger. Eine Erinnerung.
HINWEIS: Dieser Text erschien erstmals im Januar 2014
Auch wenn Weliko Tarnowo mit seinen 70 000 Einwohnern gerade einmal die sechzehntgrößte Stadt Bulgariens ist, reklamierte sie nach dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reichs im 14. Jahrhundert den Titel „Drittes Rom“ für sich. Vielleicht ein bisschen anmaßend, aber ausreichend, um 700 Jahre später zu den schönsten Städten des Landes zu zählen. Das Viertel ums Yvailow-Stadion ist dafür aber nicht repräsentativ. Schlaglöcher in den Straßen und glanzlose Gebäude, an denen außen die Klimaanlagen hängen, lassen eher an sowjetischen Realismus als an mittelalterliche Romantik denken. Und der Rasen des OFC Etar Weliko Tarnowo ist aufgrund von Instandsetzungsmaßnahmen unter Erdhügeln und Bauschutt verschwunden.
Der Mann, der unterhalb einer der Tribünen des Stadions auftaucht, gehört in jede Sammlung von Kultfußballern. Sein Paninibild wird hervorgekramt, um Kindern Angst zu machen oder um Erwachsene zum Lachen zu bringen. Inzwischen aber hat Trifon Iwanow die Haare zurückgegelt und einige graue Härchen im Eremitenbart. Das knallbunte Trikot aus den Neunzigern ist einer Lederjacke, einem gestreiften Lacoste-Hemd und einer etwas unvorteilhaft geschnittenen Jeans gewichen. Sie ist aber eine gute Wahl, um Iwanows Körperfülle zu verdecken, die sich in den zwölf Jahren seit seinem Karriereende angesammelt hat.
Eins ist aber bis heute nicht verändert: sein irrer Schlafzimmerblick aus dem immer noch bemerkenswert schiefen Gesicht.
Außerdem geht er nach wie vor entschlossen in jede neue Begegnung. Früher auf dem Rasen hatte der raue Innenverteidiger stets ein schnelles Tackling oder einen Ellenbogenstoß für den von ihm bewachten Stürmer bereit, eine Spielweise, die sein Mitspieler Hristo Stoitschkow einmal in einem knappen Satz zusammenfasste: „Er macht keine Gefangenen.“ Als Iwanow nach langen Verhandlungen einem Treffen zustimmte, stellte er auch gleich klar, was er erwartet: „Ich bitte um eine ernstgemeinte Berichterstattung. Vor nicht allzu langer Zeit kamen Journalisten, weil sie gehört hatten, dass ich die ganze Zeit am Seeufer sitze und mir einen Panzer gekauft hätte. Sie haben mich nur dazu befragt.“ Gut, die Nachricht ist angekommen, aber wie ist das Gerücht vom Panzerkauf zustande gekommen? „Es ist kein Gerücht. Noch als Spieler habe ich mir tatsächlich einen alten Armeepanzer gekauft, ihn auf den Feldern hier in der Gegend ein oder zwei Mal ausprobiert und wollte ihn dann wieder loswerden. Ich finde nur, dass es deutlich interessantere Geschichten zu erzählen gibt!“
„Als Spieler habe ich für Schlagzeilen gesorgt“
Das ist wohl wahr, auch wenn Trifon Iwanow eigentlich ein zurückhaltender Mensch ist. Während die Balakows, Stoitschkows, Letschkows und andere ehemalige Mitspieler der ruhmreichen bulgarischen Mannschaft von 1994, die Deutschland aus dem Viertefinale des WM-Turniers beförderte, Trainer oder Manager geworden sind, wollte er nach seinem Rücktritt 2001 nichts mehr mit dem Fußballzirkus zu tun haben. „Als Spieler habe ich für Schlagzeilen gesorgt, heute möchte ich ein ruhiges Leben führen und mich meiner Familie widmen.“ Zuletzt ist Iwanow davon aber ein wenig abgekommen. Seit kurzem ist er Regionalbeauftragter des bulgarischen Verbandes, was auch mit ein paar finanziellen Schwierigkeiten in Zusammenhang stehen soll, wie man munkelt. Er hingegen spricht von Demut: „Meine Sportausbildung war noch zu hundert Prozent durch die Regierung finanziert, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes verschwand das alles. Also versuchen wir nun, die Sportschulen wieder zu eröffnen, um Talenten eine Chance zu geben, sich zu entwickeln.“
Iwanow scheint zwischen dem Heute und der Jahrtausendwende zu leben.
Inzwischen gibt es acht solcher Schulen in Bulgarien, in Weliko Tarnowo soll Iwanow eine weitere aufbauen. In seinem Büro steht in einer Ecke ein Flatscreen, darunter ein Videorekorder, in der anderen Ecke Laptop und Faxgerät. Iwanow scheint zwischen dem Heute und der Jahrtausendwende zu leben. Da passt es auch, dass er keine E‑Mail-Adresse hat. „Ich möchte im Hintergrund bleiben, viele Leute wissen nicht einmal, dass ich das hier überhaupt mache.“
Was aber unvergessen ist: Iwanow war ein Innenverteidiger, der immer etwas Wildes an sich hatte. Guy Roux, der ihn 1992 zu einem Probetraining beim AJ Auxerre einlud, erinnert sich: „Er war ein unerschrockener Verteidiger, der jede Abwehraktion mit einem Tackling verbunden hat.“ Juan Merino, in den Neunzigern Vereinswirt bei Betis Sevilla, wo Iwanow ab 1990 und dann wieder ab 1993 spielte, hat ähnliche Erinnerungen: „Als ich ihn das erste Mal sah, war ich total beeindruckt. Er sah aus wie ein Trapper, als käme er direkt aus der Wildnis. Er passte perfekt ins Bild, das man damals von Männern aus dem Ostblock hatte. Niemand, dem du nachts alleine in einer engen Gasse begegnen möchtest.“ Eine Visage wie die eines Vorbestraften, die heute noch dazu führt, dass Iwanow regelmäßig zum hässlichsten Spieler aller Zeiten gewählt und ein kleines Turnier in Brasilien unter seinem Namen ausgespielt wird.
„Irgendwann nannte mich jemand ›der Wolf‹; das ist geblieben, und damit kann ich gut leben. Ich glaube aber nicht, dass ich den Stürmern durch mein Äußeres Angst eingejagt habe. Respekt entwickelt sich nur durch das, was du auf dem Rasen zeigst, nicht weil man Hörner oder lange
Haare hat.“
Trifon Iwanow kommt nicht wirklich vom Land, aber auch nicht wirklich aus der Stadt. Er ist zwar im Dorf Gorna Lipnitza geboren worden, aber im Alter von vier Jahren mit seinem Vater, einem Zimmermann, und seiner Mutter, einer Schneiderin, sowie seinen beiden Schwestern nach Weliko Tarnowo gezogen. Die Autobahn von der Hauptstadt Sofia dorthin endet auch heute noch einige hundert Kilometer vorher und lässt einen auf einer Art Landstraße zurück, die sich über die diesigen Hügel des Balkans schlängelt, die man hier die „alten Berge“ nennt, vorbei an von alten Gäulen bearbeiteten Äckern.
Es ist schwierig sich vorzustellen, dass fünf der 22 bulgarischen Auswahlspieler bei der WM 1994 hier in der Gegend zur Schule gegangen sind. „Es gab sechs große Sportschulen in Bulgarien, unsere brachte die besten Spieler des Nordens zusammen“, erklärt Iwanow. Er selbst kam mit elf Jahren dazu, zunächst als Mittelstürmer, bevor er von einem seiner Trainer zum Innenverteidiger umgeschult wurde. Eine vernünftige Entscheidung. „Er war einmalig auf dieser Position, sehr begabt, technisch sehr stark und hat sich unglaublich entwickelt, so sehr, dass er in jeder Mannschaft sofort Abwehrchef wurde“, erinnert sich Krassimir Balakow, der mit dem ein Jahr älteren Iwanow zusammen aufgewachsen ist.
In der Fußballschule haben sich zwei Charaktergrundzüge Iwanows herausgebildet: eine größere Liebe zum Spiel als zum Training und die Neigung zur Rebellion gegen jede Autorität. Als er anfing, hatte der Klub drei Trainingseinheiten pro Tag angesetzt. Das war für Iwanow ein Problem, weil er schnell „keine Lust mehr hatte zu laufen“. Später wurde das nicht anders, wie Gilbert Gress, 1994 Iwanows Trainer bei Neuchâtel Xamax, bestätigt: „Wenn wir Waldläufe machten, war es nicht so, dass er ging oder sich durchzuschummeln versuchte, er lief einfach in seinem Rhythmus. Allerdings konnte er auch nicht viel schneller sein, denn er hatte komplett krumme Beine.“
„Und tatsächlich, mein Name stand nicht in der Aufstellung“
Iwanow mochte Letzter beim Joggen sein, aber er war Erster, wenn es darum ging, sich Befehlen zu widersetzen. „Unser Jugendtrainer war sehr gut, aber auch sehr streng“, erzählt Balakow. „Er bestrafte uns oft, wenn wir nicht genau das machten, was er sagte. Damals im Kommunismus wurde einem zur Strafe der Schädel rasiert, und Trifon hatte oft sehr kurze Haare.“ So wundert es nicht, dass sich Iwanow gerade von dem für seine Strenge bekannten Gilbert Gress herausgefordert fühlte. „Wir durften zum Beispiel nicht mit dem Cabrio zum Training kommen, und natürlich habe ich genau das gemacht. Alles, was er verboten hat, habe ich gerade deswegen gemacht“, erzählt Iwanow. Allerdings war die Situation zwischen Spieler und Trainer von Beginn an angespannt, weil der Vereinspräsident und nicht Gress den Bulgaren verpflichtet hatte. „Als ich zum Training kam, hat Gress mich gefragt, wer ich sei und was zur Hölle ich hier mache.“
Und dann erzählt Iwanow noch die Geschichte, wie er eines Tages das Training verließ, nicht ohne Gress vorher entgegenzubrüllen, er habe keine Ahnung von Fußball. Der Trainer hingegen hat ganz andere Erinnerungen an ihr Verhältnis: „So ein Quatsch! Hatte er getrunken, als er das erzählt hat? Er war immer sehr respektvoll, auch wenn er ein bisschen wild war. Bei Trainingsbeginn habe ich jedem meiner Spieler die Hand geschüttelt und er war der Einzige, der dazu aufgestanden ist.“
Vielleicht hat Iwanow keine große Lust, als guter oder respektvoller Spieler in Erinnerung zu bleiben, und pflegt lieber das Image eines Haudegens. „Als Gress vor einem Heimspiel seine Ansprache hielt, hörte ich wie gewöhnlich nicht zu. Dann stand ich auf, um mich vorzubereiten, als mich ein Mitspieler seltsam ansah: ›Warum machst du dich warm, du spielst doch gar nicht?‹ Und tatsächlich, mein Name stand nicht in der Aufstellung. Also verzog ich mich in das Café auf der Tribüne, um mir von dort das Spiel anzusehen. Ich trank einen Kaffee, rauchte eine Zigarette, und auf einmal stand der Präsident hinter mir: ›Was machst du hier? Spielst du nicht? Ich kümmere mich darum.‹ Ich bin dann zur 15. Minute eingewechselt worden, wir haben 2:1 gewonnen, und ich habe den Siegtreffer erzielt.“
Auf der anderen Seite des Konferenztisches in seinem Büro in den Katakomben des Yvailow-Stadions, zündet Iwanow sich gerade eine dünne lange Zigarette an, als der Klubsekretär fragt: „Kaffee? Tee? Whiskey?“ Als Iwanow hier im Stadion in der ersten Mannschaft von Etar Tarnowo debütierte, war er achtzehn Jahre alt. Fünf Jahre später wechselte er in die Hauptstadt, um dort mit Hristo Stoitschkow, Ljuboslaw Penew und Emil Kostadinow die wohl beste Mannschaft in der Geschichte von ZSKA Sofia zu bilden. Unter dem Regime des kommunistischen Diktators Todor Schiwkow war es Fußballern nicht gestattet gewesen, vor dem 28. Lebensjahr ins Ausland zu gehen, aber mit seinem Sturz 1989 öffneten sich die Tore und alle hatten Lust auf etwas Neues. Penew ging zum FC Valencia, Kostadinow nach Porto, Stoitschkow zu Barca. Iwanow entschied sich für Betis Sevilla, aber die Anfänge dort waren mühsam. „Als er ankam, konnte er kein Wort Spanisch und hat nur über Gesten mit den anderen kommuniziert, wie ein Taubstummer“, erinnert sich Juan Merino, Vereinswirt bei Betis zu dieser Zeit. Aber Iwanow setzte sich nicht nur sportlich durch. „Er brachte es sogar fertig, mit andalusischem Akzent zu sprechen“, sagt Moreno.
„Der Präsident hat den Transfer verhindert“
„Trifon hatte eine große Klappe, das war einer der Gründe, warum die Mannschaft ihn zum Kapitän machte. Er hatte die Eier zu sagen, was sich sonst keiner traute und bei irgendwelchen Ungerechtigkeiten ging er auf die Barrikaden.“ Das Problem war allerdings, das zwischen seinem ersten und zweiten Engagement in Sevilla der Hauptaktionär und Präsident wechselte. Der neue Mann hieß Manuel Ruiz de Lopera, war eine Art Jesus Gil y Gil aus Sevilla und legte keinen großen Wert auf Kommunikation. „Die Infrastruktur des Vereins war schlecht, die Arbeitsbedingungen alles andere als ideal und die Gehälter wurden nicht immer fristgerecht bezahlt. Trifon warf Lopera in einer Tour vor, seine Führung des Klubs wäre der Dritten Welt angemessen.“
Als 1993 beim FC Barcelona Ronald Koeman mehrere Monate aufgrund einer Verletzung ausfiel, kam der Klub auf den Bulgaren zu. „Sie boten mir einen Vertrag an, aber der Präsident hat den Transfer verhindert“, erklärt Iwanow, während er seine dritte Kippe ausdrückt. „Er sagte, dass unsere Mannschaft ohne mich nicht funktionieren würde. Ich kann es ihm nicht vorwerfen, aus seiner Sicht war es vielleicht die richtige Entscheidung. Aber mit einem Wechsel zum FC Barcelona wäre meine Karriere vielleicht noch ganz anders verlaufen.“ Es gibt noch ein zweites Angebot, das sich im Nachhinein als verpasste Chance erwies. Von … Sturm Graz. „Damals war ich bei Austria Wien, und Ivica Osim, der Trainer von Sturm Graz, wollte mich holen. Aber meine Frau hatte damals was dagegen. Graz qualifizierte sich dann in den folgenden drei Jahren für die Champions League.“ Der Wolf betont jedoch, dass sich die Fehlentscheidungen seines Lebens ansonsten an einer Hand abzählen lassen, inklusive zweier Roter Karten. „Einmal musste ich sechs Spiele aussetzen, weil ein Spieler von Linz mich als dreckigen Bulgaren beschimpft hatte und ich ihm daraufhin meinen Ellenbogen ins Kinn gerammt habe. Und bei einem Freundschaftsspiel 1991 gegen Italien in Sofia spuckte mir Gianluca Vialli mitten ins Gesicht. Im nächsten Moment lag er schon auf dem Boden, es war wie bei Zidane und Materazzi. Ich war im Unrecht, aber kein menschliches Wesen hat seine Emotionen ständig unter Kontrolle.“ Trifon Iwanow jedenfalls nicht.
Im Spiel um Platz Drei bei der WM ’94 lag Bulgarien gegen Schweden schon nach 40 Minuten mit 0:4 zurück, als Iwanow zwei Minuten später ausgewechselt wurde und sein Trikot auf den Rasen pfefferte. „Ich hatte den Trainer gebeten, mich schon vorher rauszunehmen, weil jeder nur für sich spielte, aber er wollte nicht. Nachdem ich es nicht geschafft hatte, Larsson am vierten Tor zu hindern, habe ich zur Bank gerufen: Wechsel mich aus oder ich mach mich vom Acker.“
Erstaunlicherweise ist Trifon Iwanow einer der wenigen bulgarischen Spieler seiner Generation, der in der Champions League gespielt hat, 1996 mit Rapid Wien. Damals vorm Spiel bei Manchester United, der Trainer hatte anderthalb Stunden vor Anpfiff seine Ansprache gehalten, verließ Iwanow die Kabine kurz. Als er zurückkam, war nur noch ein Mitspieler dort, die anderen waren in den Fanshop gegangen. „Als sie zurückkamen, habe ich ihnen gesagt, dass sie wenigstens bis zum Ende der Begegnung hätten warten können. Sie hätten sich auf dieses Match wie auf einen Krieg vorbereiten müssen, und in ihren Köpfen stünden sie jetzt schon als Verlierer fest.“ Rapid verlor mit 0:2, aber Iwanow gelang es zumindest, Eric Cantona an die Leine zu nehmen. Nach dem Schlusspfiff machte er sich auf den Weg zum Spielertunnel, während die anderen sich auf Le Roi stürzten, um sein Trikot zu ergattern. „Aber Cantona stieß sie zurück und sagte ›Mein Trikot ist für Iwanow.‹ Das war ein wirklich kostbarer Moment für mich, weil mir ein so großer Fußballer seinen Respekt gezollt hat.“
„Wechsel mich aus oder ich mach mich vom Acker“
Wie Trifon Iwanow das erzählt, muss dieser Moment sogar eine der schönsten in seinem Fußballerleben gewesen sein. Alles andere fällt dagegen etwas ab, so besonders es auch war. Seine erste Berufung in die Nationalmannschaft 1988 etwa. Er wurde im Freundschaftsspiel gegen die DDR eingewechselt und erzielte gleich den Siegtreffer. Als er hemmungslos losjubelte, bremsten seine Mannschaftskameraden den Überschwang des Neulings: „Beruhige dich, Junge, du bist doch gerade erst dabei!“ Oder das Derby ’89 gegen Lewski Sofia, das 5:0 gewonnen wurde. Iwanow hatte das erste Tor geschossen, bevor Stoitschkow ein Viererpack gelang und er im Rückspiel mit der Nummer 4 auflief, um den Rivalen richtig zu demütigen. Iwanows Volleytor aus 25 Metern in Wales beim Playoff-Spiel für die Euro 1996. „Wir spielten wahrscheinlich gegen die beste Mannschaft, die jemals für Wales aufgelaufen war, mit Ryan Giggs und Vinnie Jones. Sie drängten uns in unseren Strafraum und mein Tor sorgte dafür, dass wir dennoch gewinnen konnten. Aber nein, mein liebstes ist es nicht.“ Nein, sein liebstes Tor hat er 1997 gegen Russland geschossen. Es sorgte dafür, dass sich Bulgarien für die WM in Frankreich qualifizierte. In seiner persönlichen Ruhmeshalle fällt es ihm schwer, sich für dieses Spiel oder für den legendären Sieg 1993 in Frankreich zu entscheiden, als sich Bulgarien durch Kostadinows Tor in letzter Sekunde qualifizierte. „Wir machten damals ein so starkes Spiel, dass ich von der ersten bis zur letzten Sekunde absolut sicher war, dass wir gewinnen würden.“
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In der Endphase seiner Karriere gab es dann aber noch eine große Enttäuschung. Nach dem Erreichen des Halbfinals in den USA, wurde die Weltmeisterschaft in Frankreich vier Jahre später zur Katastrophe. „Ich war bestimmt der Traurigste von allen, denn ich war der Kapitän dieser Mannschaft, die komplett unter ihrem Niveau spielte. Es gab damals Konflikte innerhalb des Teams, die das Gemeinschaftsgefühl ins Wanken brachten. Nach diesem Scheitern blieb mir nichts anderes übrig, als meine internationale Karriere zu beenden. Es war vorbei.“
Auch seine Vereinskarriere kam danach nicht wieder richtig in Schwung. Den Höhepunkt hatte er zwischen 1995 und 1997 bei Rapid Wien erlebt. Iwanow spielte in der Champions League und erreichte das Finale im Europapokal der Pokalsieger, das allerdings gegen Paris St.-Germain verlorenging. Außerdem wurde er österreichischer Meister und Pokalsieger. In Österreich lernte er außerdem „Bier zu trinken, auch wenn ich hauptsächlich Whiskey mag, niemals Wodka oder Schnaps, nur 12 Jahre alten Black Label.“ Und er hatte Hannes Nouza kennengelernt, Eigentümer der Tankstellenkette Avanti und Trikotsponsor von Rapid. „Er kam mit dem Privatflugzeug und seinen Anwälten nach Sofia und sagte zu mir: ›Ab jetzt spielst du für Rapid!‹ Eine Woche später schickte er sein Flugzeug, um mich nach Wien zu holen.“ Iwanows Blick verdüstert sich. Nouza, den er Papa nannte, ist 2007 verstorben. „Ich war sein Lieblingsspieler. Er hat viel für mich getan, und ich hab viel für ihn getan. Ich habe einen seiner fünf Ferraris gefahren und in seinem Haus gewohnt, während er am Ufer der Donau ein neues gebaut hat.“ Iwanow hatte seinen Vertrag auch nicht mit Rapid, sondern mit Nouza persönlich geschlossen. Als dieser Rapid verließ und bei Austria als Sponsor einstieg, folgte Iwanow ihm eine Saison später. Und auch, als Nouza zum kleinen Wiener Verein Florisdorfer AC in der fünften österreichischen Liga weiterzog, spielte Iwanow dort seine letzten drei Profijahre.
„Noch immer ein bisschen Wolf im Mann“
Darüber hinaus half Nouza ihm bei der Vorbereitung einer beruflichen Karriere nach dem Fußball. Nachdem Iwanow mit seinen ehemaligen Mitspielern von 1995 eine Bank eröffnen wollte – ein kurzlebiges Abenteuer, über das er heute selber lacht – kaufte er erst ein Café im Zentrum von Sofia, um dann zwei Tankstellen in der Nähe von Weliko Tarnowo zu eröffnen. Ihr Name: Gama, als Hommage an seine zwei Töchter aus erster Ehe: Galina und Marina. „Ich werde sie aber verkaufen, das ist nicht so mein Ding.“ Zumal es viele Hobbys zu pflegen gibt, die vor allem mit knatternden Motoren zu tun haben. „Ich mag extreme Sachen: Jetski, Squad fahren, Motocross. Ich liebe den Nervenkitzel, den es bedeutet, eine schnelle Maschine mit einem starken Motor zu fahren“, sagt er. Seit er in den Westen gegangen war, verprasste er sein Geld für hochtourige Motoren. Als er neulich mit Geschäftsmännern aus Weliko Tarnowo eine Reise in die USA unternehmen wollte, führte das sogar zu einem Problem bei der Visa-Vergabe. „Der Typ in der US-Botschaft hat zu mir gesagt: ›Sie bekommen das Visum, aber Sie haben gelogen. Sie haben nur sechs Autos als ihr Eigentum aufgelistet, aber ich weiß, dass Sie viel mehr besitzen.‹ Aber es ist ja nicht mein Fehler, wenn es auf den Formularen nicht genug Platz gibt.“
Erstaunlich bei dieser Motorisierung ist, dass Iwanow behauptet, dass ihm kaum etwas über die Natur geht. „Die beste Art zu entspannen, ist für mich mit Freunden angeln oder jagen zu gehen. Es geht mir nicht darum, die Tiere zu töten, ich möchte einfach Zeit in der Natur verbringen.“ Aber bei Trifon Iwanow ist wohl noch immer ein bisschen Wolf im Mann.
Ruhe in Frieden, Trifon!
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HINWEIS: Dieser Text erschien erstmals im Januar 2014