Einsicht ist der erste Weg zur Besserung: Der Hamburger SV ernennt Klublegende Horst Hrubesch zum Direktor für den Nachwuchsbereich. Es ist die beste Neuverpflichtung, die der chronisch klamme Ex-Dino machen konnte.
Es zeugt schon von einer besonderen Form der Arroganz, dass in der Führung des HSV über so viele Jahre niemand ernsthaft auf die Idee kam, einen wie ihn einzubinden. Journalisten haben sich die Finger blutig geschrieben über die Großchancen, die der Klub in seiner Jugendarbeit vertan hat. Über all die Choupo-Motings, Jerome Boatengs, Mustafis, Tahs, Arps und Demirbays (die Reihe ließe sich unendlich fortsetzen), die sich ihre frühen Sporen in Norderstedt verdienten, und dann solange von den wechselnden HSV-Profitrainern ignoriert wurden, bis sie irgendwann bei anderen Arbeitgebern zu Topstars avancierten. Was wäre gewesen, wenn der Alchemist Hrubesch sie in Hamburg feingeschliffen und ihnen in seiner unnachahmlich polternden Art ein Entrée bei den ersten Herren am Volkspark verschafft hätte?
Müßig, jetzt noch darüber zu sinnieren. Der HSV hat seinen Nimbus als Bundesliga-Dino verspielt. Die jahrelang sprudelnden Geldquellen sind versiegt. Nach zwei Jahren im Unterhaus des deutschen Fußballs gibt es keine Ausreden mehr. Der Klub muss umsteuern. Und erst jetzt, schließlich und endlich, besitzt die sportliche Führung in Person von Jonas Boldt die Traute, den längst überfälligen Schritt zu gehen. Und Horst Hrubesch nach 37 Jahren (!) wieder einen Job beim Hamburger SV anzuvertrauen. Zur neuen Saison wird der inzwischen 69-Jährige Direktor für den Juniorenbereich des Klubs im Nachwuchsleistungszentrum. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Es wird einiges an Überredungskunst nötig gewesen sein. Denn Hrubesch ist keiner, der sich noch für große Kompromisse eignet. Aber dass er wieder mittun will, ist ein deutlich erkennbarer Hoffnungsschimmer nach vielen düsteren Jahren bei den Rothosen. Einen Transfer mit größerer Strahlkraft hätte der HSV mit seinen eingeschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten im Bereich der Lizenzmannschaft so jedenfalls nie umsetzen können.
Denn Hrubesch erfüllt nicht nur die Erinnerungen an glorreiche Zeiten bei der Anhängerschaft mit neuem Leben. Er steht auch für bodenständige Werte, die dem Klub in seinen Jahren als Chaosverein längst abhanden gekommen schienen. Und nicht zuletzt taugt er trotz seines fortgeschrittenen Alters ideal als Symbolfigur für einen Neuanfang und ein Umdenken in Demut, das auch von der Emotion getriebene Unterstützer – etwa den Milliardär Klaus Michael Kühne – motivieren könnte, wieder in den HSV zu investieren.
„Ich habe in den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass der HSV jetzt den richtigen Weg eingeschlagen hat“, wird Hrubesch auf der Vereinshomepage zitiert, „es geht im Fußball nicht um kluges Reden, es geht um harte Arbeit, um Fleiß, Geduld und Überzeugung. Nur damit kann man weiterkommen.“ Sollten die Verantwortlichen ihn also nicht nur als Galionsfigur missbrauchen, sondern seinem Wort und seinen Überzeugungen Gehör schenken, stände dem reaktivierten Rentner nach den vielen Erfolgen im Herbst seiner Trainerlaufbahn nun seine wohl bedeutendste Aufgabe bevor: Er könnte als Chefarchitekt im Unterbau beim HSV ein ganz neues Fundament einziehen und damit die längst überfällige Restrukturierung des einst glorreichen Vereins einleiten.
Hrubesch könnte der Mann mit dem Defibrillator bei der Reanimation des Dinos sein. Also, Onkel Hotte, zieh die Scheiße durch!