Was Tarik Sek­tioui heute wohl so macht? Tarik Sek­tioui, das ergibt eine kurze Internet-Recherche, ist mitt­ler­weile 42 Jahre alt und arbeitet als Trainer des marok­ka­ni­schen Erst­li­gisten RS Ber­kane. Mit der Mann­schaft belegt er der­zeit den vierten Tabel­len­platz.

Ob Sek­tioui manchmal an den 5. März 2008 zurück­denkt? Das lässt sich nicht so ohne Wei­teres im Internet recher­chieren. Ich würde aber wetten, dass es so ist. Denn am 5. März 2008 hatte Tarik Sek­tioui gleich zweimal die Mög­lich­keit, seiner Mann­schaft, dem FC Porto, im Ach­tel­final-Rück­spiel der Cham­pions League gegen den FC Schalke 04 die so drin­gend benö­tigte Füh­rung zu besorgen. Das Hin­spiel in Gel­sen­kir­chen hatten die Schalker mit 1:0 gewonnen. Aber Sek­tioui schei­terte. Er schei­terte an Manuel Neuer.

Das ganze Ausmaß dieses Schei­terns kann man sich bei You­Tube ansehen, in einem Video mit dem Titel Manuel Neuer – One Man Show vs. Porto“. Es ist ein sehr tref­fender Titel. Denn was Schalkes Tor­wart Manuel Neuer an diesem Abend zeigt, ist die viel­leicht beste Ein­zel­leis­tung, die ich jemals von einem Spieler in einer Partie gesehen habe.

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Schon in der 13. Minute pariert der damals noch so jun­gen­hafte Neuer gekonnt per Fuß im Eins-gegen-Eins gegen Lisandro Lopez, ehe er Sekunden später einen Kopf­ball von besagtem Tarik Sek­tioui aus kür­zester Distanz mit der linken Hand noch um den Pfosten wischt. Im Anschluss ist zu sehen, wie der Marok­kaner fle­hend in den Himmel blickt, die Hände bit­tend über dem Kopf erhoben. So als würde er höhere Mächte um Bei­stand ersu­chen. Doch falls es diese höheren Mächte gibt, meinen sie es an diesem Abend nicht gut mit Tarik Sek­tioui.

Schram­melnde Gitarren, selt­samer Oran­geton

Denn in der 55. Minute bietet sich Portos Mit­tel­feld­mann eine noch viel grö­ßere Gele­gen­heit, seine Mann­schaft dem Vier­tel­fi­nale näher­zu­bringen. Nach einem Frei­stoß von Ricardo Qua­resma legt Lucho Gon­zalez den Ball per Kopf quer. Ohne jeden Gegen­spieler hat Sek­tioui nun die Chance, den Ball über die gerade einmal zwei Meter ent­fernte Tor­linie zu drü­cken. Doch ver­mut­lich sieht er schon im Moment seines Kopf­balls aus dem Augen­winkel, wie sich ein Fuß in sein Blick­feld schiebt. Es ist der Fuß von Manuel Neuer, der Sekun­den­bruch­teile zuvor noch in der ganz anderen Ecke des Tors gestanden hatte und der sich nun per Kung-Fu-Kick daran macht, diesen Treffer zu ver­hin­dern.

Und er hat Erfolg. Nicht nur mit dieser Sen­sa­ti­ons­pa­rade, son­dern auch mit wei­teren Ret­tungs­taten. Der Nutzer 1Argon“ hat sie alle zusam­men­ge­schnitten. In schnellem Tempo hin­ter­ein­ander, unter­legt mit den schram­melnden Gitarren von Muses Yes Please“. Die Bilder sind immer wieder in einen selt­samen Oran­geton getaucht, der sich irgendwo zwi­schen Schalkes dama­ligen Aus­wärts­tri­kots und der Gesichts­farbe von Donald Trump ein­ordnet. Ein biss­chen erin­nert die Ein­fär­bung an einen alten Italo-Wes­tern. Eine One Man Show eben.

Dass Manuel Neuer in diesem Spiel auch einmal hinter sich greifen muss, sieht man in dem Video nicht. Aber der Treffer von Lisandro Lopez in der 86. Minute führt dazu, dass die Partie in die Ver­län­ge­rung und anschlie­ßend ins Elf­me­ter­schießen geht. Doch für Manuel Neuer ist an diesem Abend jeder Schuss auf sein Tor nur eine wei­tere Gele­gen­heit zu demons­trieren, dass er in nicht allzu ferner Zukunft einmal der beste Tor­wart der Welt sein wird.

Leichte und schwere Übungen auf dem Weg zum Welt­tor­hüter

Und so bleibt er beim Elf­meter von Bruno Alves lange genug stehen, um den schwach geschos­senen Straf­stoß mit seinen Fäusten parieren zu können. An diesem Abend eine seiner leich­teren Übungen. Der Elf­meter von Lisandro Lopez hin­gegen, der ist gut geschossen. Mit viel Wucht jagt Lopez den Ball in Rich­tung des rechten Win­kels. Dieses Mal wartet Neuer nicht ab, dieses Mal ahnt Neuer die Ecke. Er streckt sich, greift mit der rechten Hand über und lenkt den Ball um den Pfosten. Weil Jer­maine Jones seinen anschlie­ßenden Straf­stoß kom­pro­misslos unter die Latte knallt, gelingt Schalke 04 an diesem Abend der Einzug ins Cham­pions-League-Vier­tel­fi­nale.

Die ver­zerrten Gitarren von Muse sind zu diesem Zeit­punkt längst abge­löst von heroi­schen Klängen aus dem Arma­geddon-Sound­track. Das mag kit­schig sein, doch anders wird man der Leis­tung von Manuel Neuer an diesem Abend nicht gerecht.

Zwi­schen­zeit­lich war das Video sogar auf Neuers Home­page

In den Schluss­se­kunden des Videos sind übri­gens nicht nur die jubelnden Schalker zu sehen. Auch Tarik Sek­tioui wird noch einmal ein­ge­blendet. Fas­sungslos steht er am Mit­tel­kreis, den Tränen nah. Unmit­telbar nach seiner Monster-Chance hatte sein Trainer Jesu­aldo Fer­reira genug und Sek­tioui aus­ge­wech­selt. Viel­leicht hatte er auch ein­fach nur Mit­leid. Regungslos, völlig ent­geis­tert hatte der Marok­kaner anschlie­ßend die rest­liche Spiel­zeit auf Portos Ersatz­bank gesessen. 

Es ist dieses Neben- und Durch­ein­ander von Emo­tionen, das dieses Video so fas­zi­nie­rend macht. So fas­zi­nie­rend, dass ich es mir noch immer regel­mäßig ansehe. Auch wenn ich als Schalker Manuel Neuer aus nach­voll­zieh­baren Gründen gar nicht mehr so gerne habe wie an diesem Abend im März 2008. 

Und mit meiner Fas­zi­na­tion bin ich offen­sicht­lich nicht allein. Über 2.500.000 Auf­rufe hat der Clip bei You­Tube, zwi­schen­zeit­lich war er sogar auf der offi­zi­ellen Home­page von Manuel Neuer zu sehen. Tarik Sek­tioui hin­gegen hat sich hof­fent­lich eine Sperre dafür in seinen Browser ein­ge­baut.