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46 Punkte – so groß ist mitt­ler­weile der Unter­schied zwi­schen den beiden fran­zö­si­schen Flagg­schiffen aus Paris und Mar­seille. Und das ist nicht mal das größte Pro­blem in der süd­fran­zö­si­schen Hafen­stadt. Wäh­rend sich die Haupt­städter noch über das Aus­scheiden im Cham­pions-League-Vier­tel­fi­nale ärgern, dabei aber nebenbei ohne große Pro­bleme die Ligue 1 gewinnen, geht es in Mar­seille näm­lich so tur­bu­lent zu, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. 

Viel­leicht mit Trainer Michel, der am Dienstag, zwei Tage nach der Pleite beim AS Monaco, seine Sachen packen musste. Eine Trai­ner­ent­las­sung ist im Fuß­ball nichts Unge­wöhn­li­ches, aller­dings passt sie momentan in die Gesamt­si­tua­tion rund um eines der Aus­hän­ge­schilder des fran­zö­si­schen Fuß­balls: Seit letzter Woche steht der ein­zige Klub aus dem Hexagon, der jemals die Cham­pions League gewinnen konnte, auch noch zum Ver­kauf. Die Fans for­dern seit Wochen, dass die Ver­ant­wor­tungs­träger ihres geliebten Ver­eins ver­schwinden. Der Ärger über eine schlimme Saison und die Panik in Mar­seille sind groß, da der Vor­sprung auf den ersten Abstiegs­platz nur noch sechs Punkte beträgt.

Michels kata­stro­phale Bilanz seit August

Dabei hatte im Sommer 2014 alles so schön begonnen. Der Klub ver­pflich­tete damals Mar­celo Bielsa, den Chi­lenen, den sie El Loco“ nennen. Er sollte OM zurück zu altem Glanz bringen und das Team end­lich wieder zu einem ernst­haften Kon­kur­renten von PSG machen.

Nach einer durch­wach­senen Saison wurde OM Vierter, und im Kader setzte das große Stüh­le­rü­cken ein: Mit André-Pierre Gignac, André Ayew und Gian­nelli Imbula ver­ließen drei Leis­tungs­träger das Vélo­drome. Der große Hammer folgte aller­dings erst nach dem ersten Spieltag der lau­fenden Saison und der Heim­nie­der­lage gegen Caen: Bielsa kün­digte ent­gegen aller Erwar­tungen seinen Rück­tritt an. Er hatte sich mit dem Klub nicht über einen neuen Ver­trag einigen können.

Wenig später über­nahm Michel, immerhin eine Real-Madrid-Legende, der OM zwar bis ins Halb­fi­nale der Coupe de France und in die Zwi­schen­runde der Europa League führte, aber in der hei­mi­schen Liga eine kata­stro­phale Bilanz auf­wies. Ins­be­son­dere die ersten Monate des Jahres 2016 ver­liefen desas­trös: Mit Aus­nahme der Pokal­er­folge gegen die Ama­teur­mann­schaften aus Tré­lissac und Gran­ville konnte OM seit Anfang Februar nicht mehr in der Liga gewinnen, im ansonsten immer stim­mungs­vollen Vélo­drome warten die Anhänger bereits seit Sep­tember 2015 (!) auf einen Liga­er­folg.

Bis zum Sai­son­ende soll Franck Passi die sport­li­chen Geschicke als Inte­rims­trainer leiten, unter­stützt wird er dabei von Basile Boli, Ver­eins­le­gende und Tor­schütze im Finale der Cham­pions League im Jahr 1993. Zusammen mit den Leis­tungs­trä­gern Steve Mandanda, Las­sana Diarra und der Neu­ent­de­ckung Georges-Kevin Nkoudou soll der Super-GAU, der Abstieg eines der emble­ma­tischsten fran­zö­si­schen Ver­eine, ver­hin­dert werden.

Mar­ga­rita Louis-Dreyfus will OM los­werden

Die sport­liche Krise fällt dabei zusammen mit dem Vor­stoß der Eigen­tü­merin Mar­ga­rita Louis-Dreyfus, einer rus­si­schen Geschäfts­frau und Witwe des 2009 ver­stor­benen Ex-Chefs von Adidas Robert Louis-Dreyfus. Sie möchte den Verein so schnell wie mög­lich an einen neuen Investor ver­kaufen.

Ich kann die Frus­tra­tion über die man­gelnde Wett­be­werbs­fä­hig­keit von OM nach­voll­ziehen“, sagte sie kürz­lich der L’Équipe und BFM TV, von daher werde ich den Verein an den Höchst­bie­tenden ver­kaufen.“ Sie wolle auch dafür sorgen, dass der Nach­folger eine Mann­schaft zusam­men­stelle, die end­lich wieder auf hohem Niveau Fuß­ball spiele. Diese Ent­schei­dung treffe ich in erster Linie auf­grund des Klimas, das rund um den Verein herrscht“, in den sie laut eigener Aus­sage immerhin zwei­stel­lige Mil­lio­nen­be­träge inves­tiert habe. Das Enga­ge­ment von Pri­vat­per­sonen in einem Verein ist nicht lukrativ“, sagte sie, heut­zu­tage sind es eher Staaten oder pro­fit­ori­en­tierte Gesell­schaften, die domi­nieren“.

Für diese stünden poli­ti­sche und wirt­schaft­liche Inter­essen im Vor­der­grund und nicht wie für sie die sport­liche Situa­tion. Diese ist nun aber nach­weis­lich nicht wirk­lich gut. Zusammen mit ihrem Mann Robert habe sie in erster Linie aus Liebe und Lei­den­schaft zum Fuß­ball“ Geld in OM gesteckt.

Die Fans von OM haben dazu eine weitaus dezi­dier­tere Mei­nung, die sie regel­mäßig auf ihren Spruch­bän­dern prä­sen­tieren. Sie for­dern nun auch den Abgang von Prä­si­dent Vin­cent Lab­rune, der wahr­schein­lich bald von einem Geschäfts­partner von Louis-Dreyfus abge­löst wird.

Um den Groll der Fans auf die Klub­füh­rung zu ver­stehen, muss man außerdem noch mal in das Jahr 1996 zurück­gehen. Damals hatte Robert Louis-Dreyfus OM über­nommen, nachdem Ber­nard Tapie, der vor­he­rige Besitzer im Jahr 1993 zu einer Gefäng­nis­strafe ver­ur­teilt wurde.

Tapie, ebenso wie Louis-Dreyfus mit einer teils zwie­lich­tigen Ver­gan­gen­heit, arbei­tete als Prä­si­dent bei OM nicht immer mit lau­teren Mit­teln: Eine Woche vor dem Cham­pions-League-Finale im Jahr 1993 wurde durch sein Zutun ein Spiel in der Ligue zu Gunsten von OM mani­pu­liert.

Fans regelten Dau­er­kar­ten­ver­käufe selbst

Im Zuge dieser Affäre musste der Verein zwangs­ab­steigen, und Tapie wurde ver­ur­teilt. Unter seiner Prä­si­dent­schaft wurde auch fest­ge­legt, dass die Fan­klubs einen Teil der Dau­er­kar­ten­ver­käufe selbst regeln und damit die Preise in Eigen­regie bestimmen können. Tapie und seine Gefolgs­leute wollten mit dieser Ent­schei­dung sicher­stellen, dass im Sta­dion immer eine gute und lei­den­schaft­liche Stim­mung herrscht. Dies funk­tio­nierte auch eini­ger­maßen gut, schließ­lich gilt das Vélo­drome immer noch als eines der lau­testen Sta­dien in Frank­reich.

Bis Oktober 2015 lag das Recht auf Ver­trieb der Dau­er­karten auch tat­säch­lich bei den Fans. Im Anschluss an ein Spiel gegen Lyon, das auf­grund von Aus­schrei­tungen für 23 Minuten unter­bro­chen wurde, fanden Klub und Fan­ver­treter eine Über­ein­kunft, die es fortan OM ermög­lichte, die Dau­er­karten kom­plett selbst zu ver­treiben.

Das schlech­teste Spiel aller Zeiten

In Mar­seille ist momentan also ordent­lich Feuer unterm Dach. Und wer es mit OM hält, sollte dieser Tage nicht allzu oft nach Paris gucken, der Stim­mung wird es jeden­falls nicht zuträg­lich sein. Am ver­gan­genen Wochen­ende siegte PSG unter der kata­ri­schen Sonne mit 6:0 gegen SM Caen.

Gegen dieses Team mühte sich Mar­seille übri­gens im eigenen Heim­spiel zu einem 0:0. Es war, so titelten einige Zei­tungen, eines der schlech­testen Spiele, das je an einem Sonn­tag­abend zur besten Sen­de­zeit in Frank­reich statt­ge­funden hat.