Heute wird Olivier Giroud 35 Jahre alt, er gehört zu den besten Stürmern seiner Generation. Von den Fans geliebt wurde er trotzdem nie. Warum eigentlich?
Zunächst die Fakten: Olivier Giroud ist Weltmeister, französischer Meister, vierfacher FA-Cup-Sieger, Europa-League-Sieger, dreifacher englischer Superpokalsieger, er wurde in Frankreich sowohl in der ersten als auch in der zweiten Liga Torschützenkönig, er hat an je zwei Welt- und Europameisterschaften teilgenommen, er hat für Frankreich insgesamt 110 Länderspiele gemacht und dabei 46 Tore erzielt. 2017 hat er per Hacke das Tor des Jahres geschossen, er war außerdem entscheidend eingebunden in zwei der schönsten Premier-League-Kombinationen aller Zeiten. Im Februar hat er für Chelsea per Fallrückzieher in der Champions League getroffen, gegen die damals vielleicht defensivstärkste Mannschaft der Welt, Atlético Madrid. Und, ach ja, nicht zu vergessen: Er ist eine Pfeife. Er kann gar nix. Er ist ein Stümper, ein Körperklaus, einer, der in der Landesliga gar nicht groß auffallen würde. Also zumindest wird Letzteres, das mit dem Körperklaus und der Pfeife, so oder so ähnlich vor allem in Frankreich immer wieder über ihn behauptet und geschrieben und ins Internet gepöbelt.
In Wirklichkeit ist Giroud natürlich keine Pfeife. Sonst hätte er all die eingangs aufgezählten Titel nicht geholt, sonst hätte er seinen Platz in einer vor Talent nur so triefenden französischen Nationalmannschaft nicht ein knappes Jahrzehnt lang behauptet. Und trotzdem wird er dieses Image nicht los. Wird von einem Karim Benzema abfällig „Go-Kart“ genannt, wenn dieser sich selbst mit einem Formel-1-Auto vergleicht. Wird von französischen Fans im Stade de France bei einem Heimspiel ausgepfiffen, wenn er eine Torchance vergibt. Wird verspottet, als Stürmer ohne eigenes Tor bei der Weltmeisterschaft von seinen Kollegen bis zum Titelgewinn durchgeschleppt worden zu sein. Wird quasi immer vergessen, wenn es um die prägenden Spieler der vergangenen Jahre geht. Warum?
Auf diese Frage gibt es zwei Antworten, eine einfache und eine etwas kompliziertere. Die einfache lautet so: Es liegt an seinem Körper. Giroud ist groß und breit und kantig, ein Fußball an seinem Fuß wirkt klein wie eine Murmel und zerbrechlich wie Porzellan, seine Bewegungen erscheinen hölzern, er dribbelt und zaubert nicht, er ackert und schuftet. In Frankreich gibt es das Wort costaud, zu deutsch stark, auf den Fußball bezogen ist die treffendere Übersetzung aber das Wort bullig. Giroud, das wird in jedem Beitrag über ihn betont, ist extrem costaud, ein regelrechter Bulle also. Das Problem dabei: Ein Bulle zu sein, da unterscheidet sich der französische Durchschnittsfan kaum vom Hardcore-Ultra in Deutschland oder Hausbesetzer in Friedrichshain, gilt als Schweinerei und ist eigentlich nicht zu verzeihen.
Und es ist ja wirklich so: Es gibt Stürmer, die technisch besser sind oder waren als Giroud, wendiger, trickreicher, spektakulärer. Dummerweise vor allem die, mit denen er sich in seiner Karriere immer wieder vergleichen lassen musste, weil sie aus dem gleichen Land kamen oder für den gleichen Verein gespielt haben wie er oder beides, Thierry Henry, Robin van Persie, Dennis Bergkamp, diese Kategorie. Allerdings sind diese Vergleiche natürlich unfair. Weil die Dinge, in denen Giroud besser ist als die Genannten, dabei meistens unter den Tisch fallen. Oder hat sich je jemand über Bergkamp lustig gemacht, weil der mit dem Rücken zum Tor nicht so überragend den Ball festmachen konnte?
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