Jahrelang galt die russische Nationalmannschaft als Inbegriff der Erfolglosigkeit, bevor sie bei der Heim-WM bis ins Viertelfinale stürmte. Doch wie nachhaltig ist der aktuelle Erfolg des deutschen Gegners?
All das passiert in Novogorsk bei Moskau, wo auch das Quartier der Nationalmannschaft während der WM lag. Im dortigen Sportkomplex wurde unter der Planung des Trainers die Trainingsinfrastruktur durch dem Bau neuer Trainingsplätze, Einzelzimmer für die Spieler, neuer Besprechungssäle sowie modernster Erholungszentren auf ein neues Level gehoben. Zu den öffentlichen Einheiten strömen seit neuestem zahlreiche Zuschauer: „Die Menschen sind sehr euphorisch, es kommen viele Kinder zu uns und fragen nach Autogrammen, und das war vorher überhaupt nicht der Fall. Als Spieler freut man sich dann natürlich, wenn die Leistung, die wir bringen, in der Öffentlichkeit wertgeschätzt wird“, sagt Neustädter.
Nicht alles ist Gold
Doch nicht alles, was derzeit im russischen Fußball glänzt, ist auch Gold. Denn die Rücktritte der langjährigen Leistungsträger Alexander Samedow, Sergej Ignaschewitsch und natürlich des Kapitäns Igor Akinfeev haben eine große Lücke hinterlassen. Mehr als ein Jahrzehnt waren diese Akteure das Gesicht der „Sbornaja“, gerade letzterer spielte beim sensationellen Sieg gegen Spanien im Elfmeterschießen die entscheidende Rolle. Verständlich also, dass Neustädter den Verlust dieser Spieler bedauert: „Diese Spieler haben sehr viel für Russland geleistet und sind im ganzen Land sehr anerkannt.“ Doch in ihrem Rücktritt sieht er auch eine Chance: „Sie haben jetzt den Jüngeren den Vorzug gelassen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, mit Russland ähnliche oder noch größere Erfolge zu feiern. Das ist natürlich für eine Mannschaft erst einmal eine Herausforderung, wenn viele neue Spieler dazustoßen, aber aufgrund der zahlreichen Talente, die jetzt nachkommen und teilweise mit zwanzig schon Champions- und Europa League spielen, mache ich mir da keine Sorgen.“
Dazu kommt, dass durch die Weltmeisterschaft viele Akteure das Interesse europäischer Topklubs geweckt haben, unter anderem der 22-jährige Aleksandr Golovin, der in der Sommerpause aus Moskau zum AS Monaco gewechselt ist. Doch auch die einheimische Liga boomt, die Zuschauerzahlen sind gestiegen, und in der Champions League besiegte ZSKA Moskau im ausverkauften Olympiastadion, wenn auch etwas glücklich, Real Madrid.
Ein unangenehmer Gegner
„Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen, und den müssen wir jetzt weiter gehen. Ich denke, dass es für unsere Gegner sehr unangenehm ist, gegen uns zu spielen.“, sagt Neustädter. Das dürfte erst einmal die deutsche Nationalmannschaft heute in Leipzig zu spüren bekommen, doch langfristig laute das Ziel, sich fest im Kreis der besten europäischen Nationalteams zu etablieren, so der Innenverteidiger.
Damit das gelingt, will man sich möglichst schnell für die EURO 2020, bei der unter anderem St. Petersburg Austragungsort sein wird, qualifizieren. Man geht davon aus, dass eine Stimmung wie zur Weltmeisterschaft entstehen kann. Doch zunächst hofft Roman Neustädter auf einen Einsatz heute Abend. Bleibt nur noch eine Frage: Singt er die Nationalhymne mit? „Ich werde die russische Hymne mitsingen, und bei der deutschen ein sehr komisches Gefühl haben“.