Von Stoke zu PSG zu Bayern: Eric Maxim Choupo-Moting hat eine sensationelle Karriere hingelegt, heute könnte er die Klub-WM gewinnen. Sein Geheimnis: Immer locker bleiben.
Dieses Interview erschien erstmals in Ausgabe #228 und ist hier erstmals online zu lesen. Das Heft ist weiterhin im Shop erhältlich.
Eric Maxim Choupo-Moting, Ihre Karriere hat ganz schön Fahrt aufgenommen, erst das Starensemble von PSG, jetzt die Bayern. Das war nicht absehbar, oder?
2018 bin ich mit Stoke City abgestiegen, und klar, danach habe ich nicht damit gerechnet, dass PSG anruft. Umso krasser, dass sich Thomas Tuchel gemeldet hat. Eine große Ehre.
Hatten Sie keine Sorge, dort Mbappé und Neymar von der Bank aus zusehen zu müssen?
Ich hatte immer ein gesundes Selbstbewusstsein. Wenn ich wechsle, dann will ich auch spielen. Hätte ich mir das nicht zugetraut, wäre ich nicht nach Paris gegangen. Der Wechsel zog sich allerdings lange hin, in Paris haben sehr viele Leute sehr viel zu sagen. Aber ich wollte das unbedingt. Also habe ich anderen Klubs abgesagt. Und am Ende war es richtig knapp: Erst am Deadline Day haben wir den Vertrag unterschrieben.
In Paris galten Sie zunächst als Backup für Cavani und andere Weltstars. Bei den Bayern sollen Sie der Vertreter für Lewandowski sein. Ist das kompliziert, so oft der zweite Mann zu sein?
Das sehe ich gar nicht so. Lewandowski ist momentan der beste Stürmer der Welt, und wenn wir mit nur einem Angreifer spielen, wird das meistens Lewy sein. Trotzdem, ich möchte auch bei den Bayern meine Einsätze haben. Ich bin lange genug dabei, um zu wissen: Mit einem Team wie dem FC Bayern hast du extrem viele Partien in der Saison, da werden viele Spieler gebraucht, die vielleicht am Anfang der Spielzeit nicht im Fokus stehen. Das war bei PSG auch so. Ich war kein Stammspieler, aber ich wurde wichtig.
Sie schossen das wichtigste Tor der Vereinsgeschichte.
PSG war in der Champions League noch nie ins Halbfinale gekommen. Vor dem Viertelfinale gegen Bergamo wurde wirklich jeder noch mal darauf hingewiesen. Und natürlich auch darauf, dass gerade der 50. Geburtstag des Klubs gefeiert wurde. Wir sollten es also bitte nicht versauen. Aber dann lief erst mal gar nichts, und wir lagen 0:1 hinten, einige französische Medien stellten in der 89. Minute schon ihre Nachberichte über die bittere PSG-Pleite online. Ich dachte nur, so können wir nicht nach Paris zurückkehren.
Tuchel hat Sie in der 79. Minute gebracht. Was sagte er Ihnen vor der Einwechslung? Zeig der Welt, dass du besser bist als Neymar?
(Lacht.) Nein, viel banaler. Er sagte nur: „Komm, Junge, reiß dir den Arsch auf!“ Nachdem ich das Tor zum 1:1 einleitete, dachte ich, okay, das läuft doch gut, mal sehen, was in der Verlängerung noch geht. Und dann passt Mbappé den Ball in die Mitte, und ich drücke ihn ins Tor. Da explodierte wirklich alles. Es war die dritte Minute der Nachspielzeit, der reine Wahnsinn.
Sie spielten bei PSG mit Spielern die über hundert Millionen Euro gekostet haben. Sie wechselten ablösefrei – wie immer in Ihrer Karriere. Macht das was mit Ihnen oder mit dem Umfeld?
Für mich und die Mannschaft ist das nebensächlich. Aber Fans oder Journalisten beschäftigt es. Wenn ich spiele, aber ein 60-Millionen-Mann auf der Bank hockt, kommen halt Fragen auf.
Sie sprechen neben Deutsch fließend Französisch und Englisch. Tuchel schätzt Ihre integrative Art. Waren Sie sein verlängerter Arm für den Kader voller Superstars?
Tuchel kenne ich von all meinen bisherigen Trainern am besten. Schon weil er mich bei Mainz am längsten trainiert hat. Aber verlängerter Arm? Wir verstehen uns gut und duzen uns. Aber er ist immer auch mein Trainer gewesen, eine Respektsperson, zu der man eine gewisse Distanz wahren muss. Zu viel Nähe würde auch bei den Mitspielern komisch ankommen. Ich bin jedenfalls nicht in die Kabine gekommen und habe direkt jeden Spieler angesprochen. Sie sind eher auf mich zugekommen, unter anderem auch, weil ich gut mit Kurt Zouma befreundet bin und er einige von den PSG-Jungs aus der französischen Nationalelf kennt.
Sie gelten als gelassener Typ, Tuchel hingegen wirkt oft verbissen. Wie passt das zusammen?
Zum ersten: Ich bin nicht immer gelassen. Es ärgert mich, wenn ich ein super Spiel mache und im nächsten dann auf der Bank sitze. Aber manchmal musst du akzeptieren, wenn der Trainer sagt: „Maxim, ich könnte dich heute von Anfang an aufstellen, aber ein Gefühl sagt mir, dass du was reißt, wenn ich dich erst in der Schlussphase bringe.“ Blöd ist es, wenn du gar nicht reinkommst, weil der Spielverlauf es nicht erlaubt.
Und zum zweiten?
Für Tuchel ist die Trainerstation in Paris sicherlich auch eine große Veränderung. Ich fand es bewundernswert, wie besonnen und konsequent er die Mannschaft geführt hat. Und na klar, das Team besteht aus so vielen verschiedenen Charakteren, dem einen oder anderen habe ich dann schon manchmal erklärt: „Come on, let’s be on time, it is important for the coach!“
Wie haben Sie in den letzten zwei Jahren die Weltmetropole Paris erlebt?
Ich mag Mode, urbane Kunst, HipHop. Daher fand ich Paris super. Ich habe häufiger Fashionshows besucht, gerne war ich auch im Marais oder Pompidou, da ist viel los, du siehst Bilder von Banksy an den Wänden, Breakdancer auf der Straße, ein Freund von mir hat dort eine Kunstgalerie. Kennt ihr den Film „Wild Style“?
Der HipHop-Film aus den Achtzigern?
Ja, den. Das Thema interessiert mich. Wie die Kunst in den Alltag reinwirkt. Manchmal habe ich mir auch einfach einen Roller geschnappt und bin durch die Stadt gefahren. Eine architektonisch total beeindruckende Metropole.
Sie konnten sich als Profi von PSG ganz normal in der Stadt bewegen?
Für die Superstars Mbappé oder Neymar ist das kaum möglich. Auch für mich war es extremer als in Deutschland, die Leute springen mitten auf der Straße von ihren Rollern, um ein gemeinsames Foto zu machen. Und manchmal habe ich mir gewünscht, einfach nur mal einen Spaziergang in Ruhe mit meiner Familie zu machen. Aber wisst ihr was, ich freue mich immer noch darüber, besonders wenn Kinder kommen. Außerdem will ich mich nicht verstecken, ich möchte am Leben teilnehmen.