Der Weggang von Nuri Sahins hat das Spiel des BVB grundlegend geändert, denn der aus Nürnberg als Ersatz verpflichtete Ilkay Gündogan ist als Spielmacher ein gänzlich anderer Typ. Er wählt statt des riskanten Passes nach vorne, der seinen Vorgänger so auszeichnete, viel öfter den Querpass. Der Spielaufbau liegt deswegen jetzt vermehrt in der Hand von Mats Hummels, der Dortmunder Spieler mit den meisten Ballkontakten in dieser Saison. Allerdings ist auch sein vertikales Passspiel (noch) nicht so stark wie das von Es-Spielmacher Sahin. Die mangelnde Kreativität in der Zentrale hat weitreichende Folgen für das Spiel des BVB: Die offensive Dreierreihe, das kreative Herzstück des letztjährigen Meisterteams, ist nicht mehr so gut ins Spiel eingebunden wie noch in der letzten Saison. Viel öfter als im Meisterjahr suchen die Dortmunder heute den Weg über die Flügel.
Gegen Mainz zeigten sich diese Schwächen. Thomas Tuchels Mannen konnten mit ihrer guten Defensivtaktik die Dortmunder lange Zeit in Schach halten. Mit ihrem 4−3−2−1 spiegelten sie die gegnerische Formation und schlossen sämtliche Räume in der Mitte. Der BVB hatte in der Anfangsphase über zwei Drittel Ballbesitz, konnte aber nur wenig daraus machen. Ihre zwei großen Chancen in der ersten Halbzeit entstanden folgerichtig durch Angriffe über die Flügel und nicht durch die Mitte. Die größte Chance der Dortmunder, ein Kopfball von Lewandowski, parierte Mainz- Keeper Heinz Müller glänzend.
Mainz spielt risikoreich, um Dortmunds Pressing zu entgehen
Thomas Tuchel verhinderte mit der Aufstellung von drei Sechsern (Soto, Polanski, Baumgartlinger), dass Dortmunds kreativstarke Dreierreihe, bestehend aus Götze, Kagawa und Perisic, ins Spiel finden konnte. Der riskante Spielaufbau des FSV war da nur konsequent: Oft spielten sie den Ball direkt nach der Eroberung mit dem ersten Kontakt aus der eigenen Hälfte. So lief das aggressive Pressing der Dortmunder immer ins Leere – gerade einmal einen Fehlpass spielten die Hausherren im ersten Spielfelddrittel, in der eigenen Hälfte waren es weniger als zehn.
Die Mainzer hatten in allen Situationen mindestens sieben Feldspieler hinter dem Ball. Und ihre Strategie schien vollends aufzugehen, als Nicolai Müller mit der ersten ernsthaften Mainzer Chance die Halbzeitführung erzielte (33.).
Die Nachlese: Mainz gegen Dortmund im 11FREUNDE-Liveticker »>
BVB-Coach Jürgen Klopp reagierte in der Pause: Er wies seine Offensivreihe an, wesentlich öfter die Positionen zu tauschen und sich auch mal etwas zurückfallen zu lassen. Götze und Perisic kamen in der Folge zu mehr Ballkontakten, gerade um den Mittelkreis herum. Das Dortmunder Spiel gewann in der Folge an Witz und Tempo, die Anzahl der gelungenen Spielzüge nahm zu. Auch Mats Hummels hielt jetzt nur noch wenig hinten, so dass er praktisch zu einem dritten Sechser wurde. Das einzige Manko in der starken Anfangsviertelstunde des zweiten Durchgangs war die mangelhafte Chancenverwertung. Perisic erzielte zwar den Ausgleich (64.), anhand der Möglichkeiten hätte man aber schon viel früher in Führung gehen können.
Last-Minute-Sieg durch Piszczek
In den letzten 20 Minuten des Spiels waren beide Mannschaften sichtbar müde – kein Wunder, schließlich hatten beide ein überdurchschnittlich hohes Laufpensum (der BVB mit einem Topwert von 124km, die Mainzer mit immerhin 118km). Das Spiel öffnete sich gegen Ende immer weiter, es entstanden Freiräume. Nachdem Mainz nach der Umstellung auf ein 4 – 4‑1 – 1‑System einige Konterchancen liegen ließ, war es Piszczek, der mit viel Mut und etwas Glück aus der Ferne den entscheidenden Treffer erzielte (90.). Er bescherte dem BVB einen Last-Minute-Sieg.
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Ballbesitzstatistiken, Spielfeldmatrixen und taktische Formationswechsel – für manche Fans ein rotes Tuch, für Tobias Escher eine Leidenschaft. Zusammen mit seinen Kollegen analysiert er die Taktik der Bundesligisten auf dem Blog Spielverlagerung.de.