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Seite 2: Warum das 3:2 so wunderschön war

Doch dann, in der 93. Minute dieses Ach­tel­fi­nal­abends in Rostow am Don, eroberte Bel­gien noch einmal am eigenen Sech­zehner den Ball. Japans Defen­sive war uner­klär­lich weit auf­ge­rückt, hatte Unmengen an Platz hinter sich gelassen. Und die Loko­mo­tive fuhr los.

Was macht ein Traumtor aus? Der beson­dere Moment, die späte Minute oder ein­fach, weil das Tor im Finale fällt. Der Schwie­rig­keits­grad oder ein Ele­mente, das eigent­lich nicht zum Fuß­ball gehört. Wes­halb Fans von Fall­rück­zie­hern fas­zi­niert sind.Und ganz selten ver­steckt sich die Schön­heit im großen Ganzen und muss säu­ber­lich destil­liert werden wie ein guter Schnaps.

Geord­netes Chaos

Als an diesem Abend in Rostow Kevin de Bruyne mit dem Ball los­sprintet, ist Romelu Lukaku an der Mit­tel­linie pos­tiert. Zwei Mit­spieler, Thomas Meu­nier und der ein­ge­wech­selte Nacer Chadli umgeben ihn. Es ist ein Spielzug wie am Reiß­brett ent­worfen.

In einem ersten Reflex würde man dieses Gebilde, dieses Trapez, auf­recht erhalten wollen, weil es mächtig und unan­greifbar durch die japa­ni­sche Hälfte rauscht. Doch Lukaku zer­stört es und pflas­tert damit den Weg zum Tor. Von der Mit­tel­linie rennt er dia­gonal zur ver­meint­lich fal­schen Seite. Doch sein Gegen­spieler fällt auf den Kniff hinein, geht mit und hin­ter­lässt in seinem Rücken einen nahezu luft­leeren Raum, in den Meu­nier hin­ein­sticht und de Bruyne seinen Pass spielt. Und genau in diesem Moment, zum ein­zigen rich­tigen Zeit­punkt, ver­än­dert Lukaku als Haupt­be­stand­teil eines geord­neten Chaos seine Lauf­rich­tung um 45 Grad, wieder dia­gonal auf den Ball zu.

Um die Schön­heit dieses Spiel­zugs kom­plett zu machen, ver­zichtet Lukaku aber­mals zum Bestand­teil des Spiels zu werden, als die Flanke auf ihn zurauscht. Er lässt den Ball durch seine Beine hin­durch. Weil er weiß, dass sich ein letzter Raum eröffnet hat, wieder in seinem Rücken. Und dort steht Chadli, der voll­endet.

Ein Tor fürs natio­nale Gedächtnis

In keinem Augen­blick dieses magi­schen Moments ist Romelu Lukaku an den Ball gekommen. Eine deut­sche Zei­tung wird nach Abpfiff schreiben, dass der bul­lige Stürmer die Ent­täu­schung des Abends gewesen sei. Nur ein Tor hätte ihn zum allei­nigen bel­gi­schen WM-Rekord­tor­schützen gemacht. Lukaku hatte die Chance, mit dem Ball aufs Tor zu zielen. Viel­leicht wäre auch ihm das 3:2 gelungen. Was für eine Ant­wort auf all die Kritik wäre das gewesen? Wuch­tiger noch als sein eigener Ober­körper. Lukaku ver­zich­tete. Doch sein Laufweg und eben sein Ver­zicht ließen das 3:2 erst mög­lich werden. Ein Tor, das im natio­nalen bel­gi­schen Gedächtnis ver­an­kert werden könnte. Wie Berg­kamps WM-Tor für Hol­land. Oder Tre­ze­guets Golden Goal im EM-Finale für Frank­reich.

Lukakus Betei­li­gung ist schnör­kellos, wun­der­voll, macht glück­lich. Aber man muss über­haupt erst darauf kommen. Ein biss­chen wie Boh­nen­salat am warmen Buffet.