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Wenn es stimmt, dass Stürmer beson­ders sen­sible Wesen und des­halb in hohem Maße von ihren Stim­mungen abhängig sind, dann kommt auf die Vie­rer­kette der deut­schen Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft am Samstag eine beson­dere Her­aus­for­de­rung zu. Denis Laptev, der Stürmer der weiß­rus­si­schen Natio­nal­mann­schaft, dürfte seiner Arbeit im Moment eini­ger­maßen eupho­ri­siert nach­gehen. In der hei­mi­schen Liga steht er mit Dinamo Brest kurz vor dem Gewinn der ersten Meis­ter­schaft der Ver­eins­ge­schichte, und in der Tor­jä­ger­liste der Wysche­j­schaja Liha ran­giert er mit elf Tref­fern auf Platz vier.

In Angst und Schre­cken müssen die deut­schen Ver­tei­diger trotzdem nicht ver­fallen. Laptev, 28 Jahre alt, wird am Samstag in Mön­chen­glad­bach sein 22. Län­der­spiel bestreiten. Seine bis­he­rige Tor­aus­beute liegt bei exakt: null. Die Deut­schen könnten also ver­mut­lich auch ihre zweite Abwehr­reihe auf­bieten, ohne dass es gra­vie­rende Kon­se­quenzen haben dürfte.

Zur Impro­vi­sa­tion gezwungen

Bun­des­trainer Joa­chim Löw wird genau das tun, wenn auch nicht aus freien Stü­cken, son­dern weil die Umstände sind, wie sie sind. Auch im letzten Län­der­spiel­block des Jahres mit den EM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spielen gegen Weiß­russ­land und Nord­ir­land (Dienstag in Frank­furt am Main) ist er wieder zur Impro­vi­sa­tion gezwungen. Neun Spieler fehlen ihm wegen Ver­let­zungen, und am schlimmsten ist erneut die Defen­sive betroffen.

Gefühlt haben wir immer jemand anderen in der Innen­ver­tei­di­gung“, sagt Mit­tel­feld­spieler Joshua Kim­mich. Mal schauen, wer fit ist.“ Auch dieses Mal muss der Bun­des­trainer auf eine kom­plette Vie­rer­kette ver­zichten, und man kann sich die Reihe der Ver­letzten mit Thilo Kehrer, Niklas Süle, Antonio Rüdiger und Marcel Hals­ten­berg – von rechts nach links – eher als Stamm­be­set­zung vor­stellen als die, die am Samstag gegen Weiß­russ­land auf­laufen wird.

Starks langes Warten

Jeder, der hier dabei ist, hat die Qua­lität zu spielen und ist zurecht dabei“, sagt Kim­mich. Doch in einer Vie­rer­kette mit Lukas Klos­ter­mann, Jona­than Tah und Niko Schulz kommt allein Mat­thias Ginter auf eine Erfah­rung von mehr als zehn Län­der­spielen. Auf der Bank sitzen zudem Robin Koch (ein Län­der­spiel) vom SC Frei­burg und Niklas Stark (null).

Stark hat am Don­nerstag erst­mals mit der Natio­nal­mann­schaft in Düs­sel­dorf trai­niert. Zum Schutz seiner gebro­chenen Nase trug er eine Gesichts­maske. Der Innen­ver­tei­diger von Hertha BSC ist bereits zum fünften Mal in diesem Jahr von Löw berufen worden, auf sein Debüt in der Natio­nalelf aber wartet er bis heute. In den ersten sechs Spielen blieb Stark jeweils über 90 Minuten auf der Ersatz­bank sitzen, und als ihm der Bun­des­trainer im Oktober einen Ein­satz zuge­sagt hatte, war er zunächst krank und dann ver­letzt.

Im Verein waren Starks Leis­tungen zuletzt nicht so, dass die Ein­la­dung zur Natio­nal­mann­schaft zwin­gend geboten gewesen wäre – aber das ist eben auch eine Frage des Ange­bots. Der Frei­burger Koch wurde im Oktober kurz­fristig nach­no­mi­niert, als ein noch grö­ßerer Mangel an gelernten Abwehr­spie­lern bestand. Kaum jemand hatte ihn zu diesem Zeit­punkt auf dem Zettel; jetzt aber ist er wieder dabei, und Oliver Bier­hoff, der Manager der Natio­nal­mann­schaft, sagt über Koch: Er hat sich sehr sou­verän ein­ge­fügt.“

Der Wer­de­gang des Frei­bur­gers steht sinn­bild­lich für die Pro­bleme der deut­schen Ver­tei­di­gung – aber auch für Chancen, die die aktu­elle Per­so­nal­si­tua­tion jedem Ein­zelnen bietet: Die EM ist mög­lich. Tor­hüter Manuel Neuer sagt über die Beset­zung der Abwehr, dass wir noch ein biss­chen auf der Suche sind“. Mit dem am Kreuz­band ver­letzten Süle fehlt der Ver­tei­di­gung ein Spieler, auf den wir stark gebaut haben“, gibt Bier­hoff zu. Der Münchner war als Eck­pfeiler für die letzte Reihe vor­ge­sehen, ohne ihn gibt es der­zeit keinen natür­li­chen Abwehr­chef.

Ginter ist keiner für die großen Gesten

Von den aktuell zur Ver­fü­gung ste­henden Ver­tei­di­gern käme am ehesten Mat­thias Ginter für diese Rolle in Frage. Der 25-Jäh­rige führt mit seinem Verein Borussia Mön­chen­glad­bach im Moment nicht nur die Tabelle der Bun­des­liga an, er besitzt mit 28 Län­der­spielen auch die größte Erfah­rung aller deut­schen Innen­ver­tei­diger, hat zudem bereits den WM-Titel, den Confed-Cup und Olympia-Silber gewonnen. Neben Toni Kroos ist er der letzte ver­blie­bene Feld­spieler aus dem aktu­ellen Kader, der schon bei der Welt­meis­ter­schaft 2014 in Bra­si­lien dabei war.

Ginter genießt bei Bun­des­trainer Löw große Wert­schät­zung. Seit der ver­korksten WM in Russ­land besitzt er einen Stamm­platz – wenn auch auf wech­selnden Posi­tionen. Rechter Ver­tei­diger, Drei­er­kette, Vie­rer­kette: Ginter erle­digt seine ver­schie­denen Auf­gaben in der Regel unauf­ge­regt, aller­dings ist er anders als Süle keiner für die große Geste. Gerade in der expo­nierten Rolle des soge­nannten Abwehr­chefs sieht das Publikum am liebsten ker­nige Typen wie Süle, die im Zweifel mal richtig dazwi­schen­hauen.

Der Ver­zicht auf Hum­mels hat auch atmo­sphä­ri­sche Gründe

Auch des­halb gibt es jeden Monat aufs Neue große Auf­re­gung, wenn Löw Mats Hum­mels wieder nicht nomi­niert hat, obwohl Löw schon im März ver­kündet hat, dass er Hum­mels gene­rell nicht mehr nomi­nieren werde. Der Ver­zicht auf den Dort­munder, den viele wei­terhin für den besten deut­schen Innen­ver­tei­diger halten, hat nicht nur sport­liche, son­dern auch atmo­sphä­ri­sche Gründe.

Hum­mels wäre durch sein Alter, durch seine Erfolge, aber auch durch seine Art unan­ge­foch­tene Füh­rungs­person in einer Mann­schaft, die im Umbruch ist und ihre Hier­ar­chie erst noch finden muss. Es gibt keinen Ein­zel­spieler, der her­aus­sticht“, sagt Bier­hoff über die Situa­tion in der Abwehr. Wir sollten uns nicht auf eine Person fokus­sieren, son­dern darauf, dass das ganze Gebilde funk­tio­niert.“