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Michael Tolle, als Ric­cardo Mon­to­livo im Vier­tel­fi­nale zum Elf­me­ter­punkt schritt…

Hilfe, ein fieser Moment! Was habe ich mich am Sonntag geär­gert, nie mit dem Jungen den Ner­ven­kitzel beim Straf­stoß geprobt zu haben. Fast wäre er des­halb zur tra­gi­schen Figur geworden.

Mon­to­livo setzte seinen Ver­such neben den Pfosten, schlug die Hände vors Gesicht und schlich zurück in den Mit­tel­kreis. Haben Sie mit­ge­litten?

Mir stand eine Träne im Auge. Aus­ge­rechnet der Ric­cardo! Er wirkte am Boden zer­stört. Gott sei Dank hat sich fünf Minuten später alles zum Guten gewendet. Der Fehl­schuss war ver­gessen und Ita­lien ins Halb­fi­nale ein­ge­zogen. Da war ich froh, obgleich ich kein Fan der Ita­liener bin.

Kein Fan der Ita­liener, aber Fan von Ric­cardo Mon­to­livo. Erzählen Sie uns die Geschichte.

Die Apo­theke in Asche­berg am Plöner See habe ich von einem Herrn Dippel über­nommen, dem Vater von Antje Mon­to­livo. Dadurch ent­stand der gute Kon­takt beider Fami­lien. Als phar­ma­zeu­tisch-tech­ni­sche Ange­stellte hat Antje bei mir gear­beitet, bis sie nach Ita­lien emi­grierte. Ihr Lieb­haber wirkte in Mai­land als Anäs­the­sist. Sie zogen nach Cara­vaggio in die Lom­bardei, später kamen da die beiden Kinder, Ric­cardo und sein älterer Bruder Luca, zur Welt. Jeden Sommer urlaubten die Jungs in Antjes Heimat, bei uns im schönen Schleswig-Hol­stein.

Die Som­mer­fe­rien wurden zum Fuß­ball­camp?

Ich habe Ric­cardo nie ohne Ball gesehen. Er war ver­rückt danach, trug ihn immer bei sich. Weil ich in der Jugend beim FC St. Pauli selbst ein pas­sa­bler Kicker gewesen war, spielte ich mit den Brü­dern auf dem Hof. Jeden Tag, von früh bis spät. Der Stall war das Tor, manchmal auch die Garage.

Wie früh hat sich das Talent von Ric­cardo Mon­to­livo ange­deutet?

Mit sieben Jahren hatte er uns schon hinter sich gelassen. Weil ich Ric­cardo immer nur im Sommer gesehen habe, erschien mir jeder Ent­wick­lungs­sprung umso größer. Ich habe ihm zuge­guckt und dachte: Wow! Ric­cardo hatte eine unglaub­liche Technik. Er ließ die Kugel auf den Fuß­spitzen tanzen, klemmte sie dann zwi­schen den Knien ein. Mit der nächsten Bewe­gung balan­cierte der Ball im Nacken. Und das Gara­gentor hat Ric­cardo auch aus 50 Metern immer getroffen.

Heute ist Mon­to­livo ita­lie­ni­scher Natio­nal­spieler. Zur neuen Saison wech­selt er zum großen AC Mai­land. Sie können sich als sein Som­mer­trainer auf die Schulter klopfen.

Alles, was Ric­cardo kann, hat er von mir. (lacht laut) Nein, Spaß bei­seite! Das lief eher umge­kehrt. Der Junge war gerade mal zehn Jahre alt, da konnte ich nur noch von ihm lernen.

Mon­to­livo hat sich die deut­sche Flagge auf seinen Schuh sti­cken lassen, die Kol­legen in der Squadra Azzurra nennen ihn den Deut­schen“. Wie­viel Mut­ter­land steckt in Ihrem eins­tigen Spezi?

Damals war er zu 30 Pro­zent deutsch und zu 70 Pro­zent Ita­liener. Mitt­ler­weile hat sich das Ver­hältnis wohl noch weiter zu Gunsten Ita­liens ver­schoben, weil sein ganzes Leben im Land seines Vaters ver­an­kert ist. Som­mer­ur­laube in der hol­stei­ni­schen Pro­vinz gibt es nur noch spo­ra­disch. Aber es ist doch schön, dass er sich seiner Wur­zeln erin­nert, zumal Ric­cardo flie­ßend Deutsch spricht. Und immerhin, vor einem Jahr hat er meine Tochter samt Mann nach Flo­renz ein­ge­laden, zum Spiel seiner Fio­ren­tina gegen den FC Bayern Mün­chen. Mir wurde erzählt, es sei ein tolles Wochen­ende gewesen.

Ita­lien trifft im Halb­fi­nale auf Deutsch­land. Haben Sie Angst vor Ric­cardo?

Ich wün­sche mir, dass Ric­cardo ein Tor gegen uns schießt – aber Deutsch­land mit 2:1 gewinnt.