Monatelang war Gerhard Tremmel die Nummer zwei beim Premier-League-Klub Swansea City, jetzt darf er endlich ran. Im League-Cup haben die Waliser schon Liverpool aus dem Weg geräumt und am Samstag erwarten sie den Spitzenreiter Chelsea. Ein Gespräch über Mythen, englische Tradition und Schafe.
Gerhard Tremmel, wir gratulieren zu Ihrem Sieg im League Cup gegen den FC Liverpool. Wurde danach noch gefeiert?
Leider nein, wir müssen morgen gleich wieder im Ligaspiel gegen Chelsea ran. Da bleibt keine Zeit für Party. Das ist ein wichtiges Spiel und darauf müssen wir uns konzentrieren.
Kommen Sie, kein Bier zu Feier des Tages? Was haben Sie dann nach dem Spiel an der Anfield Road gemacht?
Wir haben nur noch die Auslosung geschaut. Die sieht vielversprechend aus: Wir spielen zuhause gegen den Zweitligisten FC Middlesbrough. Damit haben wir eine reelle Chance ins Halbfinale zu kommen.
Seit August 2011 spielen Sie bei Swansea City und hatten bisher nur sieben Einsätze. Im Mai saßen Sie noch hoffnungslos auf der Bank. Nach einer Verletzung von Michel Vorm sind Sie endlich die Nummer Eins. Wie bereiten Sie sich nun auf ihr erstes Heimspiel vor? Immerhin kommt der Spitzenreiter Chelsea.
Natürlich freue ich mich ungemein auf das Spiel. Nur blöd, dass wir zwischen dem League Cup und diesem Spiel keine Woche Verschnaufpause haben. Die Partie gegen Chelsea wird definitiv ein Highlight meiner Karriere. Hoffentlich mit dem passenden Resultat.
Welcher Stellenwert hat der Sieg an der Anfield Road für Sie?
Anfield ist natürlich ein Mythos! Wie Ferrari, einfach phantastisch! Wie kann ich das beschreiben? Ich habe schon in vielen Stadien gespielt, aber das Flair an der Anfield Road ist ganz anders, da spürt man die Tradition in jeder Ecke. Das war ein Erlebnis für den gesamten Verein. Das werde ich nicht so schnell vergessen.
Wie war die Stimmung im berühmten Tunnel?
Wenn man da steht, ist man schon voll konzentriert. Wenn man zuviel nachdenkt, wenn man etwa denkt: „Oh Gott, Liverpool, Tradition, Anfield Road“, dann hat man schon verloren. Das wusste auch der Trainer und hat uns dementsprechend vorbereitet. „Genießt es“, hat er uns gesagt. Das war ein toller Abend unter perfekten Bedingungen und hätte nicht besser laufen können. Wir haben verdient gewonnen.
Jetzt sind Sie plötzlich Stammtorwart in der Premier League. Haben Sie das bereits realisiert?
Ich hab endlich die Möglichkeit zu spielen und das soll so bleiben. Als ich letzte Woche in der 64. Minute gegen Manchester City eingewechselt wurde, habe ich meine verdiente Chance bekommen.
Was hat der Trainer im Moment der Einwechslung zu Ihnen gesagt?
Da gab es nicht mehr viel zu sagen. Es ging alles zu schnell. Das war eine völlig neue Erfahrung für mich, schließlich bin ich noch aufgrund einer Verletzung eingewechselt worden.
Was ging Ihnen bei der Einwechslung durch den Kopf?
Ich wurde komplett überrumpelt. Es heißt zwar immer, der zweite Torwart müsse bereitstehen und fit sein. Aber wenn man dann wirklich zum Zug kommt, ist es eine außergewöhnliche Situation. Es ist sogar ein bisschen mühselig den Motor hochzufahren, weil man gedanklich natürlich nicht zu 100 Prozent im Spiel ist. Als es soweit war, habe ich ich mir gedacht: „Oh Shit, jetzt muss ich wirklich rein!“
Konnten Sie sich noch aufwärmen?
Das war genau das Problem. Es war ein bitterkalter Abend und ich hatte Angst zu frieren. Davor saß ich mit drei Jacken auf der Bank, also musste ich mich zügig aufwärmen. Das war wichtig, schließlich stand es 0:1 für City, das Spiel war noch völlig offen. Danach ging alles relativ schnell und plötzlich waren die 30 Minuten wieder vorbei.
War es eigentlich sehr frustrierend, so lange auf diese Chance warten zu müssen?
Es gibt Torhüter, die ihr ganzes Leben auf der Bank hocken. Aber mein Ehrgeiz ist einfach viel zu groß, als dass ich mich da wohlfühlen könnte. Wenn man dem Team nicht wirklich mithelfen kann, fühlt man sich manchmal einfach nicht als Teil des Ganzen. Es ist nervenaufreibend, zweiter Torwart zu sein. Aber ich muss es halt akzeptieren: Aber Michel Vorm ist eben auch ein richtig guter Keeper. Da muss ich geduldig sein und meine Chancen nutzen.
Bereut man eigentlich irgendwann den Wechsel, wenn man so lange auf der Bank sitzt?
Nie. Ich wollte unbedingt in die Premier League. Ich musste mich vorher noch nie für einen Verein im Probetraining beweisen, bei Swansea war es dann das erste Mal. Für die Premier League habe ich das gerne gemacht.
Swansea ist ein sehr familiärer Verein und zeichnet sich durch eine besonders starke Unterstützung der walisischen Fans aus. Woran merkt man das?
Wir haben unglaublich tolle Fans! Das hat man am Mittwoch wieder gesehen: Da fahren ein paar Tausende in Liverpool dabei. Es macht Spaß für diese Jungs zu spielen und wenn ich ihnen was zurück geben kann, macht mich das stolz.
Sie sind auch schon selbst als durchaus emotional aufgefallen. Im April 2008 haben sie die Ultras von Energie Cottbus mit einem Megafon eingeheizt. Wie ist die Begegnung mit den Fans in Wales?
Die Fankultur ist hier ganz anders als in Deutschland. In der Umgebung des Stadions kommt man mit ihnen stärker in Berührung. Sie sind stolz auf uns und immer optimistisch. Ganz anders als in Deutschland.
Wurden Sie in Deutschland mehr kritisiert?
Deutsche Fans äußern es schneller, wenn ihnen das Spiel nicht gefällt. Das ist in England nicht die Regel. Es herrscht eine gegenseitige Verpflichtung: Sie unterstützen uns auf ewig, dafür wollen wir für sie immer gut spielen. Das macht den englischen Fußball aus.
Es gibt einige Klischees über Waliser. Welche können Sie widerlegen?
Also das mit den Schafen ist auf jeden Fall wahr (lacht). Es gibt hier ziemlich viele Schafe. Ich weiß nicht, ob es in England genauso viele gibt, aber hier stimmen wohl die Bedingungen.
Sind Sie denn schon nervös vor dem morgigen Spiel?
Ein bisschen angespannt vielleicht, aber nervös bin ich nie. Ich freue mich riesig auf ein weiteres tolles Erlebnis. Nach dem Sieg in Liverpool wird die Stimmung großartig sein.
Ihr Vertrag läuft noch für ein Jahr. Wo würden Sie hingehen wollen, falls Sie nicht verlängern?
Wollen? Na, Manchester United, Chelsea, Barcelona. Aber leider sind „wollen“ und „können“ zwei verschiedene paar Schuhe.