Wie bitte, in der Bundesliga wird längst wieder gespielt? Und Schalke ist immer noch so schlecht? Und Borussia Mönchengladbach verliert erste Sympathiepunkte? Gut, dass Tommi Schmitt an dieser Stelle erklärt, was ihm im Fußball wirklich wichtig ist.
Und wie lautet nun Ihr Statement zu Thuram?
Ich hatte inständig gehofft, Sie hätten es vergessen. Thuram, ja. Das war natürlich schockierend und ist durch nichts zu entschuldigen. Spucken ist das Widerlichste, das man einem Gegenspieler antun kann. Es war schockierend, weil wir Thuram als gut erzogenen „Everybody’s Darling“ kennengelernt haben. Ein Sonnenschein, der sich für die Fans und den Verein interessiert, sich nicht zu wichtig nimmt, im Rahmen von „Black Lives Matter“ passioniert positionierte, durch seinen Eckfahnen-Jubel jetzt schon einen gewissen Kultstatus genießt. Und dann das. Das passte einfach überhaupt nicht zusammen. Ich habe die Bilder im Fernsehen komplett ungläubig wahrgenommen. Als würden Sympathieträger wie Thomas Gottschalk oder Claus Kleber live einen Labrador-Welpen ertränken. Totaler Irrsinn, dass gerade Thuram das passierte. Aber es ist, wie es ist. Er hat seine Strafe bekommen und wird sich hoffentlich durch Leistung irgendwie rehabilitieren. Aber in Gänze los wird er seinen Ruf als Lama vermutlich nicht mehr. Das zeigt ein Blick in die Historie, wenn es um dieses Delikt ging. Damit muss er leben.
Von der traurigen Szene zum traurigen Club: Schalke 04.
Och, Leute. Jeden Monat befragen Sie mich hier zu Schalke.
Da müssen wir jetzt durch.
Ja, die Zukunft des Vereins sieht aktuell so aus wie die Gelsenkirchener Innenstadt, die Spiele schaut man mit dem gleichen Schamgefühl wie eine Doppelfolge „jerks“ mit den Schwiegereltern und die Schalker Problemfelder erinnern an die Garage der Ludolfs. Was soll ich dazu noch sagen?
Na, immerhin haben sie jetzt einen neuen Coach: Christian Gross, 66 Jahre alt, der sich vor einem Jahr zum Rentner erklärt hatte, steht jetzt an der Seitenlinie. In Berlin gegen Hertha BSC ging seine Mannschaft bei seinem Debüt mit 0:3 unter. Ganz ehrlich: Gibt es noch Hoffnung für Schalke 04?
Schwierig. Es steht und fällt wohl damit, ob neue Spieler kommen oder nicht. Schalke kriegt auf dem Transfermarkt einen Korb nach dem anderen – vielleicht ist aber ein Julian dabei. Knaller-Gag! Also: Gross braucht einen Stürmer, der sofort hilft und muss gleichzeitig dafür sorgen, dass die Abwehr nicht weiterhin die gegnerischen Angreifer so gewähren lässt wie die Washingtoner Polizei vor dem Kapitol. Das Debüt in Berlin war schon ein herber Dämpfer für die Aufbruchsstimmung. Es ist wirklich eklatant, was derzeit für ein Klassenunterschied zwischen S04 und den anderen Clubs herrscht. Das hat was von den Minardis in der früheren Formel 1. Die fahren irgendwie so mit und während sich Mika Häkkinen und Schumi vor Kai Ebel bereits den Schampus in den Nacken gießen, tuckern sie im Hintergrund qualmend mit drei Rädern rückwärts über die Ziellinie.
In Sead Kolasinac hat Gross ja nun zumindest einen echten Kämpfer dazu bekommen.
Und ich hoffe, dass er die Mannschaft mitreißen kann. Aber sie sollten den Jungen jetzt auch nicht mit Erwartungen erdrücken. Der wird ja regelrecht zum Avenger hochstilisiert, der eigenhändig Königsblau vor dem Absturz bewahren soll. Ein 27-Jähriger, der beim Tabellenelften der Premier League in dieser Saison bislang auf einen ganzen Einsatz kommt, der kann und wird nicht der Heilsbringer sein. Aber dennoch ist die Leihe natürlich ein Coup, der mich freut. Ich hoffe wirklich, dass sie es packen, weil der FC Schalke 04 schlichtweg in die Bundesliga gehört.
Die Mannschaft wird dem bislang aber nicht gerecht.
Ich glaube, sie sind auf Schalke mittlerweile auch einfach „lost“, wie die Kids auf dem Schulhof sagen. Weil sie das Problem nicht ausmachen können. In den vergangenen Jahren haben sie schließlich gefühlt jeden Trainertypen ausprobiert, den es so gibt. Di Matteo, Breitenreiter, Tedesco, Weinzierl, Wagner, Baum. Oft hieß es: Die Trainer können nichts dafür, Schalke sei medial schwierig, bei Schalke stinke der Fisch vom Kopf. Aber der Fisch ist nun auch schon länger weg und es läuft immer noch nicht. Bei der Nationalelf musste nach 2018 dringend das System geändert werden, der HSV brauchte mal einen Abstieg, um alles Negative abzuschütteln, Liverpool benötigte einen neuen Trainer. Aber bei Schalke? Wo setzt man da an? Schalke ist wie ein Auto, bei dem die Kfz-Mechaniker einfach nicht in der Lage sind, das Problem auszumachen. Und die Abwrackprämie bekommen die vergangenen Trainer als Abfindung monatlich überwiesen. Die einzigen Konstanten auf Schalke sind dieser Böklunder-Zeppelin, der da einsam über dem Rasen seine Kreise zieht, und Albert Streit auf der Tribüne – der sitzt da doch immer noch, oder?
Übrigens: Gladbach ist die einzige Mannschaft, die 2020…
… gegen Schalke verloren hat. Ich weiß. Ich war in der Arena und dachte mir: „Boah, sind die gut. Da entsteht jetzt richtig was.“ So viel zu meinen Qualitäten als Experte. Ach, es sieht nicht gut aus um Schalke. Vielleicht sollten wir nach dieser Saison den Knappen zur Liebe das machen, was RTL mit dem Wendler gemacht hat: einfach alles rausschneiden und so tun, als sei das alles nicht passiert. Oder Ferdinand von Schirach lässt die Zuschauer über Klassenerhalt oder Abstieg entscheiden.