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Tommi Schmitt, es ist Anfang Januar und die Bun­des­liga ist schon wieder in vollem Gange.
Und das fühlt sich doch völlig falsch an! Nor­ma­ler­weise würde ich jetzt noch im DSF die Hal­len­tur­niere anschauen, bei denen Dedé, Márcio Amo­roso und Eva­nilson René Ryd­le­wicz, Perry Bräu­tigam und Rade Prica vor­führen. Oder über wacke­lige, rus­si­sche Streams absurde Test­spiele meiner Glad­ba­cher Borussia im Rahmen des Mar­bella-Trai­nings­la­gers angu­cken. Eine Halb­zeit gegen Nizza, eine gegen Essen. Und das unter Palmen, toll!

Statt­dessen wieder das knall­harte Bun­des­li­ga­ge­schäft.
Es ist mir aber ehr­lich gesagt ganz lieb, dass es jetzt sofort wei­ter­geht. Wir müssen alle diese Nicht-Saison so schnell wie mög­lich hinter uns bringen.

Fühlt sich der Fuß­ball immer noch so egal für Sie an?
Leider, ja. Es gibt Momente, in denen ich dann doch sehr emo­tional bin. Aber im Großen und Ganzen spiele ich immer nur den jubelnden Fan, wenn ein Tor fällt. Ich könnte aber auch ohne Pro­bleme wäh­rend des Spiels den Fern­seher aus­ma­chen. Fuß­ball ist aktuell eher eine will­kom­mene Abwechs­lung im Lock­down-Alltag. Wie Bana­nen­brot­ba­cken oder Spa­zie­ren­gehen. Es heißt, der Fuß­ball diene an schlechten Tagen ledig­lich dem Brot-und-Spiele-Bedürfnis der Men­schen, und das trifft es aktuell sehr gut. Fuß­ball pas­siert ein­fach. Wie der Wet­ter­be­richt. Ich habe manchmal schon keine Lust mehr, meinen Com­puter über HDMI mit dem Fern­seher zu ver­binden, um wür­delos Sky Go auf dem grö­ßeren Schirm zu gucken. Die Mühe ist es mir der­zeit nicht wert.

Sollte es bei Ihnen nicht langsam mal zu einem rich­tigen Sky-Account rei­chen?
Aber doch nicht in dieser Saison! Das ist doch raus­ge­schmis­senes Geld! Da bin ich zu sehr Ost­west­fale. Mir tun nicht nur die Fans, son­dern auch die Spieler und Trainer leid. Weil sie natür­lich eben­falls fest­stellen, dass ihr Sport ohne Fans ein­fach nur irgendein Sport ist. Wel­ches Pres­tige genießen denn Siege oder Titel wäh­rend der Pan­demie? Ich kam neu­lich für eine gute Vier­tel­stunde par­tout nicht drauf, wer amtie­render Cham­pions-League-Sieger ist. Ver­rückt, dass Bay­erns Geis­ter­titel der Gleiche ist, den der FC Liver­pool 2005 in der Schlacht von Istanbul gegen den AC Mai­land holte. Es ist ein­fach der­selbe Pokal, aber natür­lich ein ganz anderer Erfolg. Fuß­ball­gu­cken fühlt sich aktuell so an, wie in ein unauf­ge­ba­ckenes Auf­back­bröt­chen zu beißen. Fad. Tro­cken. Falsch. Aber immerhin ein Bröt­chen.

Aber Sie gucken wei­terhin zu.
Selbst­ver­ständ­lich. Denn zum Glück bin ich blöd! Und die Alter­na­tiven wäre Bana­nen­brot­ba­cken oder Spa­zie­ren­gehen.

Kann es sein, dass ihre trüben Gedanken auch mit Ihrem Verein zu tun haben, Herr Schmitt? Denn in den ver­gan­genen Wochen wurde deut­lich: Glad­bach kann auch unsym­pa­thisch! Marco Rose flirtet mit dem BVB. Marcus Thuram, Glad­bachs Super­stürmer, wird nach einer Spu­ck­at­tacke für fünf Spiele gesperrt. Wie fühlt sich das an, mal nicht auf der Son­nen­seite zu stehen?
Ich habe gehofft, dass ich nicht dazu befragt werde.

Tja.
Was soll ich sagen? Die Gerüchte mit Marco Rose kommen ja mit Ansage, aller­dings früher als gedacht. Dass die neun Jahre jün­gere, aber, klar, erfolg­rei­chere Borussia irgend­wann ihre Fühler in Rich­tung Rose aus­stre­cken würde, war jedem bewusst, der schon mal einen Fuß­ball von Weiten gesehen hat. Der BVB ist schließ­lich seit Jahren der Jäger des ver­lo­renen Klopps und sie werden erst Ruhe geben, bis sie einen ähn­li­chen Trainer gefunden haben. Und Rose kommt in Sachen Men­ta­lität, Phi­lo­so­phie, Auf­treten und Aus­sehen dem schon sehr nah. Pech für uns.

Wie gehen Sie mit den Gerüchten als Fan um?
Es ist wie in einer toxi­schen Bezie­hung: Man ahnt, dass der Partner aktuell fremd­flirtet, aber will es ein­fach nicht wahr­haben und igno­riert es, so gut es geht, um nicht ver­letzt zu werden. Das Pro­blem ist nur, dass uns in Borussia Dort­mund nahezu immer die­selbe Frau die guten Typen aus­spannt. Die Alte nervt langsam. Als Glad­bach-Fan fühlt man sich wie ein Indie-Typ, der die coolen, neuen Bands als erster kennt und plötz­li­chen wollen und hören sie alle anderen auch und schnappen sie dir weg. Es ist aber auch logisch, ich bin nicht naiv. Das Mantra des Geschäfts ist: Fressen und gefressen werden. Dort­mund ist für Glad­bach das, was Glad­bach für Frei­burg und Basel ist. Und immer so weiter. So läuft das Spiel. Und ich finde es auch okay so. Ich bin ja ohnehin ein spe­zi­eller Fan und habe kein großes Inter­esse daran, dass Glad­bach ein Spit­zen­klub wird. Dann werde ich lang­fristig noch emo­ti­ons­loser, wenn es keine großen Täler mehr gibt. Also ist diese Wut über Abgänge irgendwie die not­wen­dige Luft, die ich zum Atmen brauche, um Fan zu bleiben. Denn dann muss mein Verein sich wieder mit jungen Leuten etwas auf­bauen und da bin ich gerne als Sup­porter dabei. Dar­über hinaus ist Rose ja auch noch da. Ich hoffe ein­fach, dass Edin Terzic als Dort­mund-Coach ein­schlägt. Und außerdem sieht der auch fan­tas­tisch aus.

Mal ernst­haft: Ist das nicht das Pro­blem von Borussia Dort­mund? Dass dort viel zu schnell dar­über nach­ge­dacht wird, was nächste Saison werden könnte. Statt einmal mehr als ein Edel-Ver­folger zu sein?
Stimmt schon. Dort­mund ist ein Team, über das man quasi in jeder Saison sagt: Die brau­chen halt Zeit, die sind im Umbruch, im nächsten Jahr sind sie dann bereit. Aber in dieser Saison stimmt das irgendwie auch. Aktuell haben sie eine Mann­schaft, von der gefühlt die Hälfte beim Kauf von Schöf­fer­hofer Grape­fruit den Aus­weis zeigen müsste. Klar, die arri­vierten, älteren Spieler sind in dieser Spiel­zeit bis­lang auch nicht kon­stant genug. Mats Hum­mels hat also schon auch Recht mit seiner Kritik am eigenen Team. Ich glaube, das wird noch eine sehr kom­pli­zierte Saison für den BVB.