Sein breites Grinsen hat ihn zu einem der beliebtesten Fußballer des Planeten gemacht, doch in den letzten Tagen überschlagen sich die Meldungen über N´Golo Kante: Es geht um kriminelle Berater, Geld und Morddrohungen.
Während Benjamin Mendy in das Mikrofon schreit, steht eine Traube aus französischen Spielern vor der blau gefärbten Fankurve des Luzhniki Stadions in Moskau. An der Spitze Presnel Kimpembe, der in der rechten Hand einen goldenen Pokal hält und mit dem linken Arm alle Mühe hat, seinen 15 Zentimeter kleineren Mitspieler an der Flucht zu hindern. Frankreich ist wenige Minuten zuvor Weltmeister geworden. Der kleine Franzose im Schwitzkasten von Presnel Kimpembe – N´Golo Kante – war daran maßgeblich beteiligt. Jetzt strahlt er schüchtern, fast beschämt. „Er ist klein – er ist nett – er hat Leo Messi gestoppt – aber wir alle wissen, dass er ein Schummler ist – N’Golo Kanté“, singt Mendy und mit ihm die gesamte französische Kurve. Während seine Mitspieler seinen Namen hüpfend auf die bekannte Melodie von Joe Dassin dichten, verharrt Kante versteinert und beschämt im Schwitzkasten Kimpembes, sein Lächeln fast eingefroren.
Momente wie dieser haben Kante zu einem der sympathischsten Fußballern seiner Generation gemacht. Während seine sportliche Qualität schon lange außer Frage steht, gibt es zahlreiche Anekdoten, die den Franzosen herrlich bescheiden, zuvorkommend und nett erscheinen lassen. 2018 hatte der französische Weltmeister seinen Zug von London nach Paris verpasst und sich während seiner Wartezeit auf den nachfolgenden Zug in eine Moschee begeben. Als Kante dort von einem fußballbegeisterten Mann zum Essen in dessen Wohnung eingeladen wurde, nahm er das Angebot kurzerhand an. Bei einer großen Portion Curry diskutierte Kante über Fußball und schaute die BBC Sendung „Match of the day“, ehe er im Anschluss einfach wieder ein Taxi zurück nach Hause nahm. Und so versteht sich von selbst, dass sich Kantes Bescheidenheit auch in der Wahl seines Autos widerspiegelt. Während seine Teamkollegen in Luxuskarossen zu den täglichen Trainingseinheiten kommen, fällt Kantes Wahl auf einen Mini Cooper. Doch natürlich hat der Mann auch Schwächen. Sein Ehrgeiz beispielsweise, aufgrund dessen Kante von seinen Mannschaftskollegen beim Kartenspiel mehrfach des Schummelns überführt worden ist. Doch ausgerechnet seine Nettigkeit könnte ihm in den vergangenen Jahren zum Verhängnis geworden sein – und zwingt ihn nun zum von ihm so ungeliebten Gespräch mit den Medien.
„Vielleicht hat mein Bruder eine Waffe?“
Denn wie das französische Portal Mediaport berichtet, geht aus exklusiven Dokumenten hervor, dass es im Zuge von Kantes Transfer von Leicester zu Chelsea zu einem Streit zwischen zwei Beratern Kantes gekommen sei. Demnach hätte Abdelkarim Douis als Berater Kantes 4,8 Millionen Euro Provision eingestrichen, die wiederum auf ein Konto einer von Kante gegründeten Offshore-Company geflossen seien. Dieser Umstand rief wiederum einen Mann Namens Rachid Saadna auf den Plan. Denn weil dieser in der Vergangenheit ebenfalls als Berater Kantes tätig geworden war, forderte er im Jahr 2017 eine Beteiligung an den geflossenen Summen. Im Verlaufe des Disputs soll Saadna gemeinsam mit seinem Bruder Kante dazu genötigt haben, Douis zu entlassen und das „Problem“ zu lösen. Die Folgenden Sätze hören sich an, als entstammen sie einer Ganster-Netflix-Serie: „Vielleicht hat mein Bruder eine Waffe? Hör zu, ich mache keine Witze! Entweder du löst das Problem, oder ich töte Karim Douis, Punkt!“ All das soll Rachid Saadna laut Mediaport Kante am Telefon mitgeteilt haben.
Kante bestätigte zunächst, dass es im Zuge des Transfers zu Streitigkeiten gekommen sei, verneinte aber bei seinen Entscheidungen beeinflusst worden zu sein: „Ich bin ein Fußballprofi, ich lebe nicht in einer Welt voller Krimineller. Ich treffe meine Entscheidungen frei und gewissenhaft“, so der Franzose gegenüber dem Guardian vor wenigen Tagen.
Doch einer der sympathischsten Spieler der letzten Jahre lässt wenige Tage nach seinem Statement erahnen, dass sein direktes Umfeld wohl tatsächlich von Personen unterwandert worden ist, die primär ihre eigenen Interessen vertraten. Der L’equipe gegenüber gibt Kante nun an: „Mein Vertrauen wurde missbraucht“. Im breiten Lächeln des Franzosen, seiner Nettigkeit und dem Drang, sich mit dem „Geschäft Fußball“ nicht anfreunden zu wollen, scheinen sich auch Naivität und Leichtgläubigkeit verborgen zu haben. Doch während Kante über die berichteten Morddrohungen schweigt, bringt er nun einen anderen, dritten Berater zur Anklage. Der Vorwurf lautet: Betrug, Betrugsversuch, Vertrauensbruch und illegale Ausübung des Berufs des Sportagenten.
Denn neben Saadna und Douis fungierte offenbar noch ein dritter Berater im Auftrag Kantes – Nouari Khiari. „Er bot mir eine Zusammenarbeit hinsichtlich meiner Bildrechte an und sagte mir, dass ich das Leben meiner Liebsten schon mit einfachen Ratschlägen verbessern könnte.“ Doch statt sinnvoller Ratschläge für die Vermarktung Kantes fasste Khiari Verträge ins Auge, die Kante nicht abschließen wollte. „Er machte mir einige Vorschläge, die überhaupt nicht zu mir und meinem Bild in der Öffentlichkeit passten. So schlug er mir vor, Verträge mit Sportwettenunternehmen einzugehen. Er wusste, dass ich diese Idee ablehnen würde, aber er wollte sein Geld für die Gespräche, die er führte“, so Kante gegenüber der L’equipe. In der Folge versuchte er die Zusammenarbeit zu beenden, doch weil er vertraglich an seinen Berater gebunden war, verweigerte sich Khiari einer Lösung. Stattdessen stellte er Kante Dienste in Rechnung, die es laut dem kleinen Franzosen nie gegeben hatte. Um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, zahlte er 2017 schließlich 150.000 Euro an Khiari. „Aber er wollte mehr und als ich mich weigerte, verbreitete er diffamierende Dinge über mich und fing an, mich und mein Umfeld unter Druck zu setzen.“
„Mangel an Reflexion“
Kante, der Mann, der stets Abstand von den brutalen Mechanismen und Entwicklungen im Profi-Fußball gehalten hatte, der ob seiner Bodenständigkeit stets den Eindruck vermittelt hatte, nicht in die Fänge windiger Berater zu geraten, die ihm Gründungen von Offshore Konten ans Herz legen, ausgerechnet er scheint all diesen Leuten auf den Leim gegangen zu sein. „Mein Problem ist, dass ich mit Leuten konfrontiert werde, die die Menschen in meinem engen Umfeld überzeugt haben. Zwischen dem Mangel an Reflexion und dem Wunsch daran, das Leben meiner Liebsten zu verändern, habe ich vielleicht vergessen, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen“, merkt Kante an. Und ergänzt: „Ich wollte an die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit dieser Personen glauben, während sie nur an finanziellen Aspekten in der Zusammenarbeit mit mir interessiert waren.“
Eine Erkenntnis, die in Anbetracht der Ereignisse der letzten zwei Jahre offensichtlich ist, dem Franzosen vermutlich allerdings nicht leicht gefallen sein dürfte. Um den Defensivspieler hat sich in den letzten Jahren ein ganzes Sammelsurium von zwielichtigen Berater aufgetan, die in der einst geglaubten Stärke Kantes – seiner Gutmutigkeit – nützliche Arglosigkeit erkannten.