Wir haben uns daran gewöhnt, dass Sepp Blatter von Zeit zu Zeit besorgniserregenden Irrsinn von sich gibt, wenn er der Welt neue Regelvorschläge im Fußball schenkt. Einmal sollten größere Tor her, ein anderes Mal plädierte er dafür, dass sich die Mannschaften nach zwei Minuten in der Verlängerung automatisch dezimieren sollten.
Dann trat Louis van Gaal mit abenteuerlichen Ideen auf den Plan: Er forderte die Abschaffung des Einwurfs, die Einsetzung eines zweiten Schiedsrichters und ein „Gladiatorenspiel“ („Sechs gegen sechs“) in der Verlängerung.
Blatter hat statt Visionen nun mit Revisionen zu tun und Louis van Gaal wird noch nicht mal mehr parodiert. Doch nun hat eine Sauserstoffknappheit in den Büros von Funktionären und Investoren dafür gesorgt, dass neue Ideen für den Fußball publik wurden. Wir stellen Ranga-Yogeshwar-mäßig die drei kuriosesten Vorschläge der Woche vor, zeigen Ulrich-Meyer-mäßig die Konsequenzen und vermitteln Heiner-Geißler-mäßig mit einem Kompromiss.
1. „Musse weg machen Abseits“
Die Idee: Bernhard Peters, Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung bei der TSG Hoffenheim, hat sich für eine grundsätzliche Abschaffung des Abseits im Fußball ausgesprochen. „Das menschliche Auge kann nicht gleichzeitig Ballabgabe und Stürmer im zentralen Fokus haben“, sagte er dem „Weser-Kurier“.
Die Konsequenz: Die Idee kommt super an. Tausende versammeln sich seit den Morgenstunden vor der DFB-Zentrale an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt. Unter dem Motto „Occupy Otto-Fleck-Schneise“ fordern sie die Aufhebung der Ungleichheit: Sie sehen sich als die 99 Prozent, die bisher im Abseits gestanden haben und verweisen auf Studien, nach denen das passive Abseits genauso gefährlich ist wie das Passivrauchen. Ein kleiner, etwas rundlicher Brasilianer im Bremen-Trikot ist der Anführer der Bewegung. Er ruft durchs Megafon: „Musse weg machen Abseits und Liebe machen mit Frau.“ Die Menge jubelt.
Der Kompromiss: „Abseits is, wenn dat lange Arschloch zu spät abspielt“, erklärte schon Hennes Weisweiler. Mit dieser Regel könnte man beide Seiten versöhnen, jeder Verein müsste sich lediglich dazu verpflichten, jeweils „ein langes Arschloch“ aufzustellen.
2. Die Mini-EM
Die Idee: Der europäische Fußball-Verband UEFA denkt über eine Mini-EM nach, in der die Sieger der Qualifikationsgruppen und die Gastgeberländer aufeinander treffen. Laut „Sport-Bild online“ soll dieses Turnier nach der kommenden Qualifikation stattfinden. Durch eine Aufstockung sind bereits 24 der 53 Mitgliedsverbände bei der EM 2016 in Frankreich dabei.
Die Konsequenz: Die neun Gruppensieger und zwei Gastgeber spielen bei der Mini-EM in Hin-und Rückspiel gegeneinander, bei Punktgleichheit gibt es ein Entscheidungsspiel. Aus der daraus entwickelten Tabelle qualifizieren sich die ersten beiden Mannschaften direkt für eine Zusatzrunde, Länder auf Platz 3 bis 6 bestreiten einen Wettkampf aus Elfmeterschießen, Penaltylaufen und Torwandschießen und ermitteln so drei weitere Teilnehmer der Zusatzrunde.
Der Verlierer des Wettkampfes spielt mit den übrig Platzierten einige Runden „Spitz, pass auf“ und „Blinde Kuh“ um die WildCard für die Mini-LEM (Loser-EM), an der die drei in der Qualifikation gescheiterten Länder mit dem besten UEFA-Koeffizienten teilnehmen. Der Gewinner der Mini-LEM kommt in die Zusatzrunde, die im Gruppensystem ausgetragen wird, wobei die drei letztplatzierten Teams über die Höhe der auswärts erzielten Trödelmarkt-Erlöse und die Quersumme des Gewichts vom Platzwart die hinteren Plätze ausspielen. Der Gewinner der Mini-EM darf zwei Wochen lang vorm Fritten-Imbiss in Stuckenbusch frei parken.
Der Kompromiss: Spanien darf nicht mitmachen.
3. Nie wieder Aufstieg, nie wieder VfL Bochum
Die Idee: Richard Bevan, Geschäftsführer der englischen Profitrainervereinigung, berichtet von Plänen, den Auf- und Abstieg in der Premier League abzuschaffen. Die amerikanischen Besitzer diverser Vereine sollen sich über dieses Modell ausgetauscht haben. 14 der 20 Premier-League-Klubs müssten der Regeländerung zustimmen.
Die Konsequenz: Peter Neururer kabelt sein Telefon ab, das Abstiegsgespenst meldet sich beim Arbeitsamt, ganz Bochum weint und Friedhelm Funkel verabschiedet sich von seinem Lebensmotto: „So schnell wie möglich 40 Punkte holen – egal wo“.
Die Premier League und vielleicht irgendwann die Bundesliga werden so etwas wie die Internet-Plattform „Schwarze Karte“. Die organisiert private Partys für Kinder aus gut situierten Elternhäusern. Dort bleibt man unter sich und kredenzt sich neben ein paar bezahlten Hupfdohlen das Glas Schampus für 250 Euro. Die internationalen Ligen wären ein ebenso exklusiver wie charakterloser Zirkel der Neureichen: Gespielt wird in Polohemden statt in Trikots, abgekreidet wird mit feinstem Stoff aus Kolumbien und Rolf Eden wird DFL-Vorsitzender.
Der Kompromiss: Europaweit einigt man sich, die Regelung nur in einem Fall einzuführen: Falls es tatsächlich so weit kommen sollte, dass man Greuther Fürth den Aufstieg sportlich nicht mehr nehmen kann.