Mit der Öffnung des Winter-Transferfensters darf der neureiche Scheich-Klub Newcastle United erstmals auf Shoppingtour gehen. Neuzugang Nummer eins ist der 31-jährige Außenverteidiger Kieran Trippier. Das mutet zunächst mäßig spektakulär an, hat aber Hand und Fuß.
Am Mittwoch stieg am Trainingsgelände von Newcastle United ein Mann mit Maske und Cap aus einem schwarzen Mercedes. Kieran Trippier winkte einmal kurz, bevor er im Vereinsgebäude verschwand. Dort absolvierte er den obligatorischen Medizincheck, um dann bei seinem neuen Arbeitgeber aus Nordengland einen Vertrag bis 2024 zu unterzeichnen. „Ich kämpfe immer, jetzt kämpfe ich für Newcastle“, verkündete Trippier zwei Tage später in einem Vorstellungsvideo auf dem offiziellen Instagram-Kanal des Klubs. „Ich weiß, in welcher Position sie sich befinden, aber ich will da sein und ihnen auf und neben dem Platz helfen, um in der Tabelle zu klettern.“ Nach übereinstimmenden Medienberichten überweist Newcastle rund 14,5 Millionen Euro für den englischen Nationalspieler an Atlético Madrid. Der Transfer soll im St. James’ Park eine neuen Ära einläuten.
Seit der Übernahme durch ein Konsortium um Saudi-Arabiens Staatsfonds im Oktober 2021 ist Newcastle United in aller Munde. Fans und Experten spekulieren über mögliche Neuzugänge und inwieweit der Klub den europäischen Spitzenfußball in den kommenden Jahren prägen könnte. Namen wie Eden Hazard, Dele Alli, Nabil Fekir oder Ousmane Dembélé wurden in den Raum geworfen, sie alle entpuppten sich aber bislang als Nebelkerzen.
Und das hat einen guten Grund. Denn so rosig die ferne Zukunft in Newcastle auch aussehen mag, so sehr holt die Gegenwart den Verein in den letzten Monaten gnadenlos auf den Boden der Tatsachen. In der Premier League stehen die Magpies mit mageren zehn Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz. Erst einmal in dieser Saison ging das Team als Sieger vom Spielfeld. Aufgrund dieser Lage ergibt der Transfer von Kieran Trippier durchaus Sinn und zeigt, dass den Verantwortlichen bewusst ist, wo der Schuh drückt.
Kieran Trippier gehört zu der Sorte Spieler, die in Newcastle im Abstiegskampf händeringend gesucht werden. Dabei hat sich der englische Nationalspieler in den letzten Jahren nicht mit den unteren Tabellenregionen auseinandersetzen müssen. Mit Atlético Madrid feierte Trippier im vergangen Jahr den Gewinn der spanischen Meisterschaft, mit Tottenham Hotspur stand er 2019 im Finale der Champions League und auch in Englands Nationalelf ist der Außenverteidiger eine feste Größe.
„Was Kieran hat, ist weitestgehend unterschätzt“, betonte Nationaltrainer Gareth Southgate vergangenen Juni nach Englands Auftaktspiel gegen Kroatien bei der Europameisterschaft 2021. „Die Leute sehen in ihm immer noch den Jungen, der er vor einigen Jahren bei Tottenham war und nicht das defensive Tier, dem bei Atlético Madrid einer der besten und erfolgreichsten Trainer der Welt vertraut.“ Trippier sei stark in der Deckung und im Eins gegen Eins, wenn es darum gehe, gegnerische Flanken zu verhindern. Auch seine Kommunikation auf dem Platz sei laut Southgate hervorragend.
Dass Trippiers Qualitäten in Newcastle dringend benötigt werden, zeigt ein Blick auf das Torverhältnis der Magpies. Kein Team hat in dieser Saison mehr Gegentore kassiert. Nur ein einziges Mal stand nach 90 Minuten die Null. Das war Anfang Dezember beim ersten und bis dato letzten Saisonsieg gegen den FC Burnley. Es wundert also nicht, dass der Verein zunächst in der Defensive nachbessern muss, bevor er Geld für die Abteilung Offensive in die Hand nimmt.
Gleichzeitig zeigt dieses Vorgehen auch, dass für Newcastle in dieser Spielzeit nicht Glanz und Glamour auf dem Platz zählen. Es geht einzig und allein ums nackte Überleben. Trainer Eddie Howe und das Präsidium scheinen erkannt zu haben, dass die Magpies sich noch nicht mit Schwergewichten wie dem FC Liverpool oder Manchester City messen sollten. Dreckige 1:0‑Siege gegen Mannschaften wie Burnley, Norwich City oder den FC Watford sind für den neureichen Klub aktuell mehr wert. Für dieses Vorhaben ist die Defensive der Schlüssel.