Obwohl Hertha BSC gegen Stuttgart einen eminent wichtigen Heimsieg einfährt, feiern die Spieler nicht vor der Kurve. Denn die Beziehung zu den Ultras bleibt verhärtet. Und die Mannschaft wehrt sich nun auf ihre Weise.
Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.
Für einen Moment sah es so aus, als könnte sich doch noch alles in Wohlgefallen auflösen. Kurz nachdem die Mannschaft von Hertha BSC grußlos im Souterrain des Olympiastadions verschwunden war, kehrten zwei Spieler noch einmal in den Innenraum zurück. Das Erscheinen von Davie Selke und Torhüter Marcel Lotka wurde von frenetischem Jubel begleitet, die Freude des Publikums aber sollte sich als verfrüht herausstellen.
Denn Selke und Lotka kamen lediglich den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den TV-Rechteinhabern nach. Die Verpflichtungen gegenüber dem eigenen Anhang hingegen blieben an diesem Abend unerfüllt. „Wir haben uns als Mannschaft entschieden, erst mal nicht zu den Fans zu gehen“, sagte Lotka bei Dazn.
So blieb dieser emotionale Abend im Olympiastadion mit dem eminent wichtigen 2:0‑Sieg gegen den Tabellennachbarn VfB Stuttgart irgendwie unvollendet. „Die Stimmung war unfassbar heute“, sagte Selke. 55.000 Zuschauer waren zum Spiel des Berliner Fußball-Bundesligisten gegen den VfB gekommen, und deren Unterstützung für ihr Team war der Bedeutung der Begegnung mehr als angemessen. Doch der durchgehend laute Abend ging ungewohnt still zu Ende.
Noch Minuten nach dem Abpfiff war die Ostkurve komplett bevölkert. „Wir woll’n die Mannschaft seh’n“, wurde zwischenzeitlich gesungen. Aber die Mannschaft war weg, und sie kam auch nicht mehr. Erst als sich diese Erkenntnis in der Masse breit machte, lichteten sich die Reihen. Die Fans verließen schweigend das Stadion. Pfiffe oder Unmutsbekundungen – in solchen Situationen eigentlich üblich – gab es nicht.
Das lag vermutlich auch daran, dass ein Großteil der normalen Fans die Entscheidung der Mannschaft verstehen konnte. „Gegen Union war’s nicht okay“, sagte Torhüter Lotka. Viele Anhänger sahen das ähnlich. Nach der Derby-Niederlage gegen Union waren die Spieler von Hertha BSC von den Ultras aufgefordert worden, ihre Trikots auszuziehen und vor der Kurve abzulegen.
Ungeachtet der heftigen Kritik daran blieben die Ultras trotzig. Die Harlekins, die bekannteste Fan-Gruppierung des Vereins, schrieben auf ihrer Webseite: „Wir bereuen diese Aktion nicht.“ Diese Mannschaft habe die Fahne auf der Brust nicht verdient.