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Eines hat Han Kwang-song bereits geschafft: Man kann wieder über Nord­korea spre­chen, ohne das Wort Rakete in den Mund zu nehmen. Wobei: So ganz stimmt das auch nicht. Han ist näm­lich selbst eine ziem­liche Rakete – im posi­tiven, fuß­bal­le­ri­schen Sinne des Wortes. Der 18-Jäh­rige vom AC Perugia nimmt gerade die ita­lie­ni­sche Serie B aus­ein­ander. Und zwar nach allen Regeln der Kunst. Vier Treffer nach drei Spiel­tagen stehen für den Bur­schen aus Pjöng­jang zu Buche. Dar­unter ein humor­loser Drei­er­pack beim 5:1 gegen Virtus Entella zum Sai­son­auf­takt.

Es war ein Debüt, das jede noch so rosige Erwar­tung über­traf“, schwärmte Caglia​ri​news24​.com“ in bunter, blu­miger Sprache. Sky Italia“ mel­dete, Han Kwang-song habe seine Wider­sa­cher schlicht über­wäl­tigt“. Peru­gias Co-Trainer Davide Ciam­pelli dich­tete: Sein Schicksal ist es, große Taten zu begehen.“ Und laut Tut­to­sport“ jagen sowohl Ita­liens Rekord­meister Juventus Turin als auch der FC Arsenal den fili­granen Tech­niker mit den flinken Füßen. Ach ja, Nord­ko­reas nor­we­gi­scher A‑Nationaltrainer Jörn Andersen hat den Namen Han natür­lich auch schon in seinem Notiz­buch ver­merkt. Das berich­tete die Osloer Zei­tung Aften­posten“. Aber – der Reihe nach.

Ein­la­dungen an zehn nord­ko­rea­ni­sche Talente

Han Kwang-song gehört eigent­lich dem Erst­li­gisten Cagliari Calcio, der den Hoch­be­gabten für die lau­fende Saison nach Perugia ver­liehen hat. Cagliari hatte Han erst im Früh­ling dieses Jahres ver­pflichtet. Die genauen Umstände des Trans­fers sind min­des­tens nebulös. Ange­bahnt wurde das ganze näm­lich im Rahmen eines umstrit­tenen Nord­korea-Besuchs des ita­lie­ni­schen Abge­ord­neten Andrea Razzi. Dieser soll wäh­rend seiner mehr­tä­gigen Reise – trotz knall­harter inter­na­tio­naler Sank­tionen gegen das Regime in Pjöng­jang – fleißig für die wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit zwi­schen Nord­korea und Ita­lien geworben haben.

Zu Razzis Dele­ga­tion zählte auch Ales­sandro Domi­nici, Chef der IMS-Fuß­ball­aka­demie in Perugia. Domi­nici sprach vor Ort an ins­ge­samt zehn Talente aus dem Reich von Dik­tator Kim Jong-un eine Ein­la­dung in seine Nach­wuchs­schule aus. Aus­ge­rechnet Ita­lien, das bei der WM 1966 in Eng­land eine pein­liche 0:1‑Pleite gegen Nord­korea kas­siert hatte, spielte nun den freund­li­chen Ent­wick­lungs­helfer. Dass dabei auch knall­harte finan­zi­elle Inter­essen im Spiel gewesen sein könnten, liegt auf der Hand.

Für wen ver­dient Han Kwang-song sein Geld?

Nun gibt es Pro­bleme: Ita­liens Behörden und die zustän­digen EU-Ver­ant­wort­li­chen unter­su­chen, ob der Transfer von Han Kwang-song gegen die inter­na­tio­nalen Sank­tionen gegen Nord­korea ver­stieß. Diese sollen wirt­schaft­li­chen Druck auf den atomar bes­tens bestückten Dik­tator Kim erzeugen und ihn zur Ver­nunft bringen. Doch Kim gilt als ziem­lich ein­falls­reich im Beschaffen von Devisen. Zum Bei­spiel, indem er sein Volk zum Arbeiten in die Welt hinaus schickt, um sich ein Groß­teil von deren Ein­künften ein­zu­ste­cken. Inter­na­tio­nale Beob­achter weisen regel­mäßig dar­aufhin, dass Nord­ko­reaner, die im Aus­land arbeiten – viele von ihnen als bil­lige Bau­ar­beiter auf den WM-Sta­di­on­bau­stellen in Russ­land – ihr hart ver­dientes Geld an die Regie­rung abführen müssen.

Cagliari Calcio und AC Perugia waschen ihre Hände der­weil in Unschuld. Beide Klubs betonten stets, man zahle das Gehalt direkt an Han Kwang-song, es fließe auf ein ita­lie­ni­sches Konto. Und damit Basta. Eine Ablö­se­summe für den 1,78-Meter-Mann soll auch nie geflossen sein, da Han zum Zeit­punkt des Trans­fers Schüler der IMS-Fuß­ball­aka­demie in Perugia war – und somit ver­einslos. Ob hinter den Kulissen den­noch eine gewisse Abgabe an Nord­ko­reas Regime geflossen ist, bleibt vor­erst im Dun­keln.

Ande­rer­seits hat Hans Gast­spiel auch eine helle, erfreu­liche Seite: Das Super­ta­lent ist näm­lich so etwas wie eine mensch­liche Brücke zwi­schen Europa und den ansonsten ziem­lich iso­lierten Nord­ko­rea­nern. In Perugia wird gele­gent­lich sogar über einen mög­li­chen Sta­di­on­be­such von Staats­chef Kim Jong-un gescherzt. Falls der sich mal für ein, zwei Tage von seinem Raketen-Pult los­eisen könne, ver­steht sich. Kim gilt neben seinem Faible für die US-Bas­ket­ball-Liga NBA (Ex-Chi­cago-Bulls-Star Dennis Rodman gilt als per­sön­li­cher Freund des Des­poten) auch als Fuß­ball-Freund. Unlängst wurde eigens zu seinen Ehren ein großes Match abge­halten – in einem ansonsten men­schen­leeren Sta­dion.

Kein Kon­takt zur Presse – kaum Kon­takt zu Kol­legen

Auch über die Fort­schritte seines Unter­tanen Han Kwang-song ist Nord­ko­reas Führer stets bes­tens unter­richtet. Nach Hans Drei­er­pack am 1. Spieltag erhielt Kim sogar ein per­sön­li­ches Gra­tu­la­ti­ons­schreiben. Absender war – laut goal​.com – der ita­lie­ni­sche Abge­ord­nete Andrea Razzi. Noch Fragen? Eine viel­leicht: Was sagt eigent­lich Han Kwang-song selbst zu seinem Aus­lands-Aben­teuer? Nicht viel. Der AC Perugia schirmt den Shoo­ting­star bis­lang kon­se­quent von Presse und Öffent­lich­keit ab.

Diese Maß­nahme deckt sich mit einem inter­na­tional viel beach­teten Bericht zur Lage der Men­schen­rechte in Nord­korea. Darin heißt es: Spe­ziell die Politik der Indok­tri­na­tion und die Über­wa­chungs-Maß­nahmen sind noch aus­ge­prägter gegen­über Nord­ko­rea­nern, die im Aus­land leben und denen nor­ma­ler­weise Kon­takt zur Presse unter­sagt ist, wäh­rend die Bezie­hungen zu ihren aus­län­di­schen Kol­legen streng beschränkt sind auf das, was zur effi­zi­enten Erle­di­gung ihrer Arbeit not­wendig ist.“

Vor­bild? Ronaldo!

Hans letztes nen­nens­wertes State­ment stammt noch aus seiner Zeit bei Cagliari Calcio, für das er bereits im zweiten Spiel (gegen Torino) sein erstes Serie-A-Tor erzielt hatte. Ja, es gefalle ihm sehr gut auf der Insel Sar­di­nien, erklärte der Teen­ager damals. Sein sport­li­ches Vor­bild sei Cris­tiano Ronaldo. Aber er, Han, habe natür­lich noch eine ganze Menge zu lernen. Ende der Durch­sage.

Das Wort Rakete würde Han Kwang-song ver­mut­lich nie­mals in den Mund nehmen – nicht einmal, wenn es um Fuß­ball geht.