Gleich steigt das Finale der Afrikameisterschaft. Ein ägyptischer Held könnte sich dabei zum alleinigen Rekordhalter in Sachen Afrika-Cup-Siege aufschwingen. Die bewegende Karriere des Essam El-Harady.
Wenn heute Abend Ägypten und Kamerun um Afrikas Krone spielen, steht ein Mann im Mittelpunkt, von dem man es vor Turnierbeginn wohl am wenigsten erwartet hätte: Ägyptens Torwart-Methusalem Essam El-Hadary. Der 44-Jährige startete eigentlich als Nummer drei der Torwarthierachie ins Turnier. Doch als sich Ägyptens Stammtorwart Ahmed El Shenawy im Auftaktsspiel gegen Mali an der Schulter verletze und auch der Ersatzmann angeschlagen war, schlug die große Stunde des Torwart-Oldies. Und: El-Hadary hielt seinen Kasten sauber.
„Mich hatte doch eigentlich niemand mehr auf der Rechnung. Doch als ich den Platz betrat, war ich bereit. Ich liebe Herausforderungen und habe die vergangenen zwei Jahre hart gearbeitet, um in Form zu sein. Ich habe nur meinen Job erledigt“, so der Kommentar des Mannes, der aufgrund seiner muskulösen Statur den Beinamen „hoher Damm“ bekommen hat. Mit dem Einsatz wurde El-Hadary zudem zum ältesten Spieler in der Geschichte des Afrika-Cups. Dabei hätte es das Märchen beinahe gar nicht gegeben.
Der ägyptische Buffon
Im Januar 2013 gab El-Hadary bekannt, nie mehr für Ägypten auflaufen zu wollen. Nur ein knappes Jahr später wurde er jedoch wieder gebraucht und revidierte seinen Rücktritt. Eine weise Entscheidung. Auch in den anschließenden drei Spielen gegen Uganda, Ghana und Marokko behielt El-Hadary seine weiße Weste und damit das Vertrauen von Trainerlegende Hector Cuper. Die Begegnungen gewannen die Ägypter allesamt minimalistisch mit 1:0 und spielten sich so in die Runde der letzten vier. Doch was steckt hinter dem Torwart, der Ägypten im hohen Alter mit Glanzparaden im Turnier hält?
Mit der Karriere von Essam El-Hadary ließen sich auch ohne den Auftritt beim diesjährigen Afrika-Cup Bücher füllen. Mit 23 Jahren verließ El-Hadary seinen Heimatverein Damiette Club, um beim ägyptischen Spitzenklub Al-Ahly Kairo seine Zelte aufzuschlagen. Hier erlebte er seine erfolgreichste Zeit als Fußballer. Neben sieben Meisterschaften räumte El Hadary auch etliche andere Titel wie den ägyptischen Pokal und die afrikanische Champions-League ab – hier verdiente er sich auch den Namen „ägyptischer Buffon“. Weltweite Berühmtheit erlangte El-Hadary beim Supercup-Sieg 2002 gegen die Kaizer Chiefs, als er aus über 60 Metern Entfernung zum 4:1 für Al-Ahly traf. Auch mit der Nationalmannschaft lief es in jener Zeit wie am Schnürchen.
Das Abenteuer Schweiz ging in die Hose
1998, 2006 und 2008 gewann El-Hadary mit Ägypten die Afrikameisterschaft. Wobei El-Hadary beim Triumph 2006 besonders im Fokus stand. Im Finale gegen die damals haushoch favorisierte Elfenbeinküste, die mit Stars wie den Touré-Brüdern und Didier Drogba antrat, siegte Ägypten mit 4:2 im Elfmeterschießen. Gefeierter Held war natürlich El-Hadary, der die Elfmeter von Drogba und Bakari Koné parieren konnte. Jener Drogba bezeichnete ihn später auch als den besten Torwart, auf den er je getroffen sei.
Nach 12 Jahren bei Al-Ahly entschloss sich El-Hadary 2008 im zarten Alter von 35 Jahren für das Abenteuer Ausland. Der FC Sion aus der Schweiz sicherte sich die Dienste des erfahrenen Keepers. Doch der Wechsel ging alles andere als reibungslos von statten. Es kam zu Vertragsstreitigkeiten zwischen den Vereinen und El-Harady wurde für vier Monate gesperrt. Nach eineinhalb durchwachsenen Jahren in der Schweiz ging es zurück nach Ägypten. Dort feierte er 2010 mit der Nationalmannschaft seinen vierten Afrika-Cup-Sieg. Doch auf den Erfolg folgte das schwärzeste Kapitel der ägyptischen Fußballgeschichte.
Das „Massaker von Port Said“ ging als Wendepunkt in die Geschichte ein. Seitdem finden die Ligaspiele in Ägypten ohne Zuschauer statt, wodurch das spielerische Niveau der Liga merklich gelitten hat. Dies beeinflusste auch die Qualität der Nationalmannschaft, die sich – obwohl Rekordsieger – dreimal in Folge nicht für die Afrikameisterschaft qualifizieren konnte. Auch um El-Hadary selbst wurde es ruhiger, er machte einen kurzen Abstecher in den Sudan. Nun, fünf Jahre nach den Ausschreitungen, hat die Nationalmannschaft einen Generationenwechsel durchgemacht und sich wieder für das Endturnier qualifiziert. Keiner blieb – bis auf den ewigen Essam El-Hadary.
Am vergangenen Mittwoch kam es dann zum Halbfinale des Afrika-Cups zwischen Ägypten und Burkina Faso. Nach einem 1:1 in umkämpften 120 Minuten musste das Elfmeterschießen den Finalisten ermitteln. Hierbei erwischte Ägypten den denkbar schlechtesten Start, denn der erste Schütze, Abdallah Said, scheiterte am gegnerischen Torwart. Da die darauffolgenden sechs Schützen ihre Elfmeter verwandelten, lag es wieder einmal an El-Hadary, die Wende im Elfmeterschießen herbeizuführen.
Auf dem Weg zum Rekord
Mit einem satten Sprung in das linke Eck gegen den 20-jährigen Torwartkollegen Herve Koffi – der bei El-Hadary’s Nationalmannschaftsdebüt nicht einmal geboren war – hielt El-Hadary sein Heimatland am Leben. Nach der Parade kniete er demütig zu Boden. In dieser Haltung verfolgte er auch den folgenden Treffer seines Teamkollegen. Zum entscheidenden Elfmeter trat Bertrand Traore zum Punkt, seines Zeichens aufstrebendes Mittelfeldtalent. El-Hadary wählte wieder die linke Ecke und fischte den Ball aus dem Eck.
Danach brachen alle Dämme bei der ägyptischen Elf, die auf ihren Elfmeterkiller zurannte und unter einer Menschentraube begrub. „Nicht zu doll“, wollte man ihnen zu rufen. Schließlich wird der Nationalheld noch einmal gebraucht. Und so wird El-Hadary Ägypten auch am Sonntagabend als Kapitän aufs Feld führen. Zum letzten großen Spiel – sofern sein Traum von der WM 2018 nicht doch noch in Erfüllung geht. El-Hadary spielt damit um seinen fünften Afrika-Cup-Titel – was ein weiterer Rekord wäre. Keine allzu schlechte Quote bei der siebten Teilnahme.