Früher rauchte PSG-Star Marco Verratti gemeinsam mit dem Mannschaftsarzt Shisha, noch heute feiert er unter der Woche regelmäßig bis zum Morgengrauen. Trotzdem zählt er zu den besten Mittelfeldspielern Europas. Wie schafft Verratti das bloß?
Fans und Experten überschlugen sich einmal mehr mit ihren Huldigungen: „Marco Verratti hatte mehr Ballbesitz als die komplette Mannschaft von Manchester United“, twitterte ein Fan nach dem 2:0‑Auswärtssieg von Paris Saint-Germain im Hinspiel des CL-Achtelfinales. Dabei war Verratti nicht einmal richtig fit. Der französische Fußball-Autor und PSG-Anhänger Julien Laurens, der u.a. für „Le Parisien“ und die Londoner „Times“ schreibt, enthüllte gegenüber der britischen BBC: „Marco konnte gar nicht bei 100 Prozent sein, denn er hat im gesamten letzten Monat nur ein Spiel gemacht. Letzte Woche hat er noch bis 6 Uhr morgens den 27. Geburtstag von Neymar gefeiert. Er raucht, er trinkt, er geht fast jeden Tag in der Woche auf die Piste!“
Was klingt wie der Abgesang auf ein gescheitertes Fußballtalent, ist in Wahrheit eine Ode an die besonderen Fähigkeiten Verrattis: „Wenn er jetzt noch die Arbeitseinstellung von, sagen wir, Cristiano Ronaldo hätte“, schwärmte Laurens weiter, „dann möchte ich gar nicht wissen, wo Marco unter den Top-Mittelfeldspielern der Welt rangieren würde.“ Wird man wohl auch nie herausfinden, denn der 1,65 Meter kleine Italiener gilt als unverbesserlicher Lebemann. Sein Motto: No Verratti, no Party! Kaum ein Pariser Club, in dem „Mad Marco“ noch nicht exzessiv gefeiert hätte. Kaum eine ausschweifende Promi-Party, auf der er nicht irgendwann auftaucht.
F*** you, Disziplin
Auch bei den in Paris allgegenwärtigen Modenschauen lässt sich Verratti gern blicken. Für den italienischen Stardesigner Valentino tänzelte er sogar persönlich über den Laufsteg. Immer wieder tuscheln Society-Beobachter auch über angebliche Tête-à-têtes mit Topmodels, die den Kicker zum Teil um einen ganzen Kopf überragen. Na und? Das Leben ist kurz.
Verschämte Heimlichtuerei kann man Marco Verratti bei seinen nächtlichen Aktivitäten auch nicht gerade vorwerfen. Im Gegenteil: Der 26-Jährige aus der mittelitalienischen Provinzstadt Pescara dokumentiert sein Partyleben fein säuberlich in den Sozialen Medien, vor allem bei Instagram: Während der wilden Party anlässlich von Neymars Sechsundzwanzigstem (vor einem Jahr) schickte Verratti gemeinsam mit dem Geburtstagskind freundliche Grüße an alle Daheimgebliebenen: zwei gestreckte Mittelfinger! F*** you, Disziplin. Bonjour, Dolce Vita. Nur Taxifahren ist in Verrattis Augen scheinbar zu dekadent: Im November wurde er spätabends alkoholisiert am Steuer seines Autos erwischt.
Marco Verratti ist wohl auch einer von ganz wenigen Berufsfußballer, die es fertig gebracht haben, gemeinsam mit ihrem eigenen Mannschaftsarzt Shisha zu rauchen. Das berichteten die Autoren des Skandalbuchs „PSG: Enthüllungen einer Revolution“. Laut den Berichten soll der Italiener an der orientalischen Wasserpfeife zeitweise förmlich gehangen haben. Sogar in seinem Spind in der Mannschaftskabine hatte Verratti eine Shisha deponiert.
Doch ernste Konsequenzen hatte sein buntes Treiben bislang nie. Nicht einmal der als fanatischer Asket verschrieene PSG-Trainer Thomas Tuchel hat Verratti bislang angezählt – zumindest nicht öffentlich. Nur die geliebte Pasta strich der Deutsche seinem Lieblingsspieler aus dem Speiseplan. Und die Wasserpfeifen-Orgien? Tuchel ließ zwar Team-Doc Eric Rolland feuern, Verratti aber blieb unangetastet und erklärte dankbar: „Der Trainer ist eine sehr positive Überraschung. Wir arbeiten viel, aber immer mit einem Lächeln im Gesicht.“
„Eine ganz andere Spezies“
Tuchel, der laut französischen Zeitungen Spitzel in den angesagtesten Bars und Clubs der Stadt installiert haben soll, weiß natürlich, was abgeht. Doch er weiß auch: Steht Verratti auf dem Rasen, ist zu hundert Prozent Verlass auf ihn, denn der 29-malige italienische Nationalspieler fightet und brilliert wie ein römischer Gladiator. Nach dem Spiel in Old Trafford erklärte Verratti sichtlich erschöpft: „Ich habe alles rausgehauen, was ich in mir hatte. Irgendwann konnte ich nicht mehr, ich war auch leicht angeschlagen. Aber wir haben einen tollen Kader, und Leo (Paredes; d. Red.) hat mich dann ausgezeichnet vertreten.“
Die renommierte Fußballzeitschrift „L’Equipe“ geriet nach dem Sieg in Manchester förmlich ins Dichten: Das Mittelfeld-Duo Verratti und Marquinhos hätte „das Theatre of Dreams zum Leuchten gebracht und Manchester United in die Dunkelheit befördert“. Verratti genügten ganze 75 Minuten Einsatzzeit, um die meisten Ballkontakte aller Spieler auf dem Platz zu sammeln. Der englische „Telegraph“ urteilte: „Marco Verratti war nicht bloß auf einem anderen Level als Manchester United. Er war von einer ganz anderen Spezies.“
Lobeshymnen wie diese bestätigen Fußball-Autor Julien Laurens, wenn er sagt: „Solch ein Können in Verbindung mit dem Lebensstil, den Marco Verratti zurzeit hat – und dann so eine Vorstellung rauszuhauen wie an diesem Abend, das ist schon unglaublich!“ Aber wahr.