Horst Heldt behandelt nur die schweren Fälle. In 15 Jahren als Bundesligamanager hat er sich auf schlingernde Traditionsklubs mit Alphatieren in der Chefetage spezialisiert. Wie lebt es sich in permanenter Hitze?
Dieses Porträt erschien erstmals in Ausgabe #228, hier im Shop erhältlich.
Horst Heldt lehnt an einem parkenden Auto vorm Geißbockheim und raucht. Zigaretten. Die kleinen Fluchten des Fußballrevoluzzers. Stilles Aufbegehren gegen die Gesetze des artgerechten Profilebenswandels. Heldt ist drei Meter vom Trainingsplatz zurückgetreten, damit ihn die Kameras beim Schwenk nicht erwischen. Muss ja nicht jeder mitkriegen. Auch wenn allgemein bekannt ist, dass er sich den Spaß am Quarzen schon zur aktiven Zeit nie hat nehmen lassen. Heldt nimmt einen Zug, Rauch steigt auf und verflüchtigt sich in Wölkchen Richtung Rasen, auf dem die Spieler des 1. FC Köln ihre Morgeneinheit absolvieren.
Hinter ihm liegt ein turbulenter Sommer. Die Corona-Krise stellt alle Bundesligisten auf eine Bewährungsprobe. Der FC ist da keine Ausnahme. Doch Heldt hat zeitig vor Transferschluss Entscheidungen getroffen. Hat etliche Leihgeschäfte gemacht, den Kader verkleinert und die 15 Millionen aus dem Verkauf von Jhon Cordoba gezielt in drei gestandene Angreifer reinvestiert. Zumindest auf dem Papier hat der Manager einen soliden Job gemacht, in einer Zeit, in der selbst abgebrühte Vertreter seiner Zunft Probleme hatten, stets den Durchblick zu behalten.
Doch die Kölner sind schlecht in die Saison gestartet. Dazu schwelt ein Kleinkrieg in der Vereinsführung, seit der Vorstand um Präsident Werner Wolf die Entlassung des Mediendirektors veranlasste, ohne die Geschäftsführer Heldt und Alexander Wehrle adäquat über das Vorgehen zu informieren. Nach großer Vertrautheit klingt das nicht. Hat auch Heldt in der ihm eigenen, subtilen Art bei den Bossen angemerkt. Wenn es schon beim Pressesprecher keine einheitliche Linie gibt, wie soll es werden, wenn beim FC wieder mal der Baum brennt?
Kein Erstligamanager kennt die Launen exzentrischer Fußballbosse besser als er. Heldt hat unter Alphatieren wie Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, Schnitzelkönig Clemens Tönnies oder Hörgeräte-Millionär Martin Kind gearbeitet. Männern, die nur nach ihren eigenen Regeln spielen. Und hat es dennoch geschafft, eigene Akzente zu setzen. Dank einer beiläufigen Genügsamkeit wirkt er inzwischen seit 15 Jahren im Bundesligazirkus und gehört damit zu den dienstältesten Teamarchitekten.
Endlich zu Hause: Horst Held an der Geschäftsstelle des 1. FC Köln. Des Klubs, für den er von 1987 bis 1995 spielte.
Seine Funktionärslaufbahn begann mit einem Kaltstart. Im Januar 2006 war er beim VfB Stuttgart aus dem Stand vom Profi zum Sportdirektor befördert worden. Eigentlich sollte er im Marketing als sympathischer Ex-Profi den Hauptsponsor bespaßen. Doch als er Präsident Erwin Staudt eine ungeschönte Analyse der sportlichen und wirtschaftlichen Lage des VfB präsentierte, lobte der ihn hoch.
Sein Initiationsritual wurde die Entlassung von Giovanni Trapattoni. Der alternde Trainerfürst war in über dreißig Jahren erst einmal gefeuert worden (in Cagliari). In der Hinrunde hatte Heldt noch als Aktiver erlebt, wie der Italiener die Namen vieler Profis vergaß, den Ersatzkeeper kategorisch „Fausto“ rief, Vorgesetzte ignorierte und so jedes Vertrauen in Rekordzeit verspielte. Als er dem Coach nur vier Wochen nach Amtsantritt mitteilte, dass der Klub sich von ihm trenne, quittierte „Trap“ die Entscheidung mit einer Schimpfkanonade im „Ich habe fertig“-Duktus. Heldt sagt, das mulmige Gefühl, das er damals gehabt habe, würde bis heute von ihm Besitz ergreifen, wenn schwierige Personalgespräche anstehen. Doch auf den Rausschmiss folgte gleich das nächste Problem: Als er den arbeitslosen Armin Veh zum Nachfolger berief, wütete der mächtige Aufsichtsratschef Dieter Hundt in Richtung Vorstand: „Erwin, es endet in einem Desaster.“ Und bezeichnete den Trainer öffentlich als „Übergangslösung“.
Aber der Jungmanager scheute die Konfrontation nicht. Er besuchte den barocken Arbeitgeberpräsident daheim und hörte sich geduldig Hundts schneidendes Urteil zur Mannschaft an. Doch in strittigen Punkten gab er auch Contra. „Wenn man so erfolgreichen Menschen nur nach dem Mund redet, geht man irgendwann schachmatt“, erklärt er. Unterschlägt dabei aber nicht, dass es ein großes Glück für ihn war, dass der VfB bald in eine Erfolgsspirale geriet und nur 15 Monate später die Meisterschaft feierte: „Es gibt nur sehr wenige Manager – abgesehen von denen bei Bayern –, die in den letzten zwanzig Jahren Meister geworden sind“, sagt er. „Gut möglich, dass ich gnadenlos gescheitert wäre, wenn der Klub, bei dem ich angefangen habe, nicht so gut organisiert gewesen wäre.“
Heldt hat über die Jahre eine eigenwillige Teflon-Strategie entwickelt, um die Großkopferten von seinen Ansichten zu überzeugen. Es hat ihn viel Lehrgeld gekostet. Als Vorstand Sport geriet er 2010 auf Schalke in einen Machtkampf zwischen Clemens Tönnies und Felix Magath. Eigentlich sollte er als Bindeglied fungieren, doch die Fronten waren nicht aufzulösen. Magath wollte neue Spieler, Tönnies kein Geld mehr freigeben. Als Heldt von einem Boulevardblatt gefragt wurde, wer denn nun Recht habe, versuchte er, Verständnis für beide Seiten aufzubringen. „Eine wachsweiche Antwort“, sagt er, „das Interview hätte ich nie geben dürfen.“ Denn Magath, der ihn als Vertrauten sah, fühlte sich verraten und sprach fortan kein Wort mehr mit ihm. „Die Situation war für mich nur schwer auszuhalten,“ erinnert sich Heldt.