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Seite 2: Tönnies polterte mit Beckenbauer kurz vor Anpfiff in die Kabine

Auch Tön­nies stellte ihn auf die Probe. Lief es gut, lud er Heldt zur Golf­runde nach Rheda. Wenn nicht, läs­terte er, dass es sich für einen Sport­vor­stand nicht zieme, erst gegen 10 Uhr im Büro auf­zu­kreuzen. Doch Heldt ging nicht auf die Macht­spiele ein und retour­nierte jed­wede Kritik im Vier-Augen-Gespräch. In ruhigen Worten erklärte er Tön­nies dann, dass der Mana­gerjob nicht in vor­ge­ge­benen Arbeits­zeiten wie am Band der Fleisch­fa­brik zu bewäl­tigen sei, son­dern auf Abruf zu jeder Tages- und Nacht­zeit. Auch dass er Jens Keller im Bei­sein der Spieler nicht unbe­dingt Jensi“ rufen solle, weil dies die Auto­rität des Trai­ners unter­grabe, pulte er dem pol­ternden Auf­sichtsrat freund­lich bei.

Als der FC Schalke 04 in der Saison 2012/13 für die Qua­li­fi­ka­tion zur Cham­pions League am letzten Spieltag in Frei­burg ein Unent­schieden brauchte, platzte der Fleisch­fa­bri­kant unmit­telbar vor Anpfiff – gefolgt von Sky-Experte Franz Becken­bauer – in die Kabine, um noch ein paar mar­kige Worte zu den Spie­lern zu spre­chen, die gerade in der finalen Kon­zen­tra­ti­ons­phase waren. Coach Keller und Heldt erstarrten, bis jetzt war die Vor­be­rei­tung auf die bevor­ste­hende Druck­si­tua­tion gut gelaufen – den­noch ließen sie Tön­nies gewähren. In so einer Situa­tion kannst du nicht gewinnen“, erklärt der Manager. Jedes wei­tere Wort hätte nur noch mehr Unruhe gebracht.“ Zur neuen Saison aber führte Heldt die Regel ein, dass nur noch der innerste Zirkel vor und nach Spielen die Umkleide betreten dürfe. An kon­krete Anwei­sungen, das war ihm klar, würde sich auch der mäch­tige Auf­sichtsrat halten. Tön­nies und ich haben uns bis auf wenige Aus­nah­me­si­tua­tionen sehr gut ver­standen“, sagt er. Er ging erst zum Ende meiner Zeit auf Schalke auf Distanz, als klar war, dass er den Klub mit Chris­tian Heidel neu auf­stellen wollte.“

Seine große Stärke: Schwä­chen zugeben zu können

Heldts größte Stärke ist seine Fähig­keit, Schwä­chen zuzu­geben. In einem Geschäft, das von Eitel­keit und Bes­ser­wis­serei geprägt ist, kann er die eigenen Inter­essen und Über­zeu­gungen stets in Rela­tion zu anderen setzen. Als er in Stutt­gart in lei­tende Posi­tion kam, tele­fo­nierte er die kom­plette Riege der Erst­li­ga­ma­nager durch, um sich Tipps abzu­holen. Manche Kol­legen reagierten abwei­send, viele reser­viert, einige erfreut ange­sichts des lern­wil­ligen Jung­spunds. Als beson­ders hilfs­be­reit hat Heldt den dama­ligen FC-Manager Michael Meier in Erin­ne­rung. Und Uli Hoeneß. Der Bayern-Boss habe ihm viel über den Umgang mit Medien erzählt, dar­über, wie man in Kri­sen­zeiten Neben­schau­plätze auf­macht, um abzu­lenken. An Meier hin­gegen habe ihn die Ruhe und Demut fas­zi­niert, mit der dieser – nach der Bei­na­he­p­leite des BVB – auf das Busi­ness blickte.

Wenn Heldt davon erzählt, wirkt er fast wie ein Fanboy, der sich an eine Plau­derei mit einem Film­star erin­nert. Es gibt ein Foto, das ihn mit Tön­nies, Bild“-Sportchef Alfred Draxler und dem Berater-Tycoon Roger Witt­mann zeigt. Alle tragen das­selbe schwarz-weiß-blaue Gol­f­outfit. Darauf ange­spro­chen, muss Heldt lächeln: Ja, ja, ich als kleiner Hansel mit den Alpha­tieren.“ Es wird nicht ganz klar, ob er es iro­nisch meint. Bild“ habe schließ­lich auch mal einen Bun­des­prä­si­denten gestürzt. Und wer Tön­nies auf der Lebens­mit­tel­messe Anuga“ erlebt habe, wisse, wie sicher der als Geschäfts­mann agiere. Doch bei der Frage, wer der beste Golfer in der Runde gewesen sei, schmun­zelt er: Na, wer wohl?“

Magath sagte: Nimm dich nicht so wichtig, Horst!“

Es war Felix Magath, der ihm zu aktiven Zeiten zu einer ent­spann­teren Sicht auf den Fuß­ball ver­half. Der Trainer hatte ihn 2003 aus Graz nach Stutt­gart gelotst – und beim Ehr­geiz gepackt. Nach dem ersten Test­spiel attes­tierte der Trainer dem 32-Jäh­rigen vor ver­sam­meltem Kader, nur noch auf Kreis­liga-A-Niveau“ zu kicken. Heldt stieg auf den Psy­cho­t­rick ein, gab Wider­worte und war fortan bemüht, das Gegen­teil zu beweisen. Bald schon stand er jede Woche in der Startelf. Aller­dings wech­selte Magath ihn stets nach der Halb­zeit aus. Als Heldt sich dar­über im Büro des Coachs beklagte, rührte der nur sto­isch in der Tee­tasse, blickte aus­druckslos und ver­ab­schie­dete ihn beim Raus­gehen mit den Worten: Nimm dich nicht so wichtig, Horst!“ Und nach einer Pause: Ist dir eigent­lich auf­ge­fallen, dass du immer von Beginn an spielst?“

Magaths Reak­tion bewirkte einen Per­spek­tiv­wechsel. Weil ich mich über die Aus­wechs­lung ärgerte“, sagt Heldt, war ich nicht imstande zu erkennen, welche Pri­vi­le­gien mir der Trainer ein­räumte.“ Ihm wurde bewusst, dass es allein an ihm liegt, was er aus seinen Mög­lich­keiten macht und ob er in der Lage ist, als Teil eines Kol­lek­tivs Zufrie­den­heit zu emp­finden. Als Sport­di­rektor hilft es ihm heute, stets auch den Blick­winkel des Gegen­übers ein­nehmen zu können, um Situa­tionen im Voraus besser ein­zu­schätzen. FC-Geschäfts­führer Alex Wehrle kennt Horst Heldt aus gemein­samen Stutt­garter Tagen. Er sagt: Horst hat die Fähig­keit, jeden mit­zu­nehmen. Er ist sich nicht zu schade, den Leuten sein Han­deln zu erklären, auch Vor­ge­setzten, die von Fuß­ball wenig Ahnung haben. Vielen Mana­gern, die vorher Profis waren, ist das eher lästig.“