Michael Anicic galt als eines der größten deutschen Talente. Dann druckte er eigene Autogrammkarten und ließ sich halbnackt fotografieren – es war das Ende seiner Bundesligakarriere.
Eine „ran“-Reporterin soll Sie nach dem Bayern-Spiel bezirzt haben und zu Oben-Ohne-Fotos in der Dusche überredet haben. Sie sagte, Ihr Körper eigne sich sehr gut für ein Akt-Shooting. Haben Sie die Fotos noch?
Nein. Das sind schlechte Erinnerungen.
Sie können mit dem Abstand von über 20 Jahren nicht darüber lachen?
Es ist so viel Mist damals passiert. Diese Fotos, die eigenen Autogrammkarten, der Auftritt mit dem edlen Dandy-Anzug im „Sportstudio“. Es gab überhaupt keinen Schutz. Wie konnten die Reporter überhaupt in die Kabine gelangen? Doch bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will nicht nur den Medien oder dem Verein die Schuld geben. Ich habe mir vieles selber eingebrockt, viele Fehler gemacht, die ich heute niemals mehr machen würde.
Heute zeigen Spieler wie Mario Balotelli oder Cristiano Ronaldo auch ihre Oberkörper, ihren Schmuck oder ihre Autos. Warum durften Sie das nicht?
Damals kannte man das nicht. Der Zuschauer war eine biedere Berichterstattung in der „Sportschau“ gewöhnt. Die Profis wurden nach 90 Minuten zum Spiel gefragt, in der Zusammenfassung gab es höchstens mal die Einblendung der Trainerbank. Zudem waren die Hierarchien ganz andere. Junge Spieler mussten sich erst mal hinten anstellen. Und dann kam ich, über Tage dauerpräsent in den Medien, wie der Superstar. Doch ich war nicht Cristiano Ronaldo oder Mario Balotelli – ich war der 18-jährige Michael Anicic, ein Talent, mehr nicht. Und weil ich im zweiten Spiel nicht sonderlich gut spielte, wurde ich prompt ausgepfiffen.
Sie sollen ein Angebot vom FC Bayern gehabt haben. Wieso scheiterte der Wechsel?
Mein Vater und ich trafen uns mit Uli Hoeneß in München. Es war eigentlich ein gutes Gespräch, doch mir missfielen einige Details im Vertrag. Also unterschrieb nicht. Es war vermutlich der größte Fehler meines Lebens.
Haben Sie damals zu sehr auf das Geld geguckt?
Vermutlich. Ich hätte bei den Bayern weniger verdient als bei der Eintracht, also sagte ich mir: Da bleibe ich doch in Frankfurt. Heute denke ich: Dort hätte ich vielleicht weniger verdient, anfangs auch nur zehn Spiele pro Saison gemacht, doch was soll’s? Ich hätte mit den besten Fußballern Deutschlands zusammengespielt und von ihnen lernen können. Danach ging vieles schief. Besonders bitter war mein erster Kreuzbandriss. Auch etwas, das der damaligen Zeit geschuldet war.
Inwiefern?
Ich musste damals manchmal 90 Minuten am Samstag Bundesliga spielen und am Sonntag 90 Minuten in der A‑Jugend. Das kann nicht gut sein für die Gesundheit. Und das würde in der heutigen Zeit nicht mehr passieren. Damals hat mich der Kreuzbandriss aus der Bahn geworfen, ich kam nur schwer wieder in Tritt. Bei einer solchen Verletzung hast du ja damals gesagt: Das war’s mit Profifußball.
Später platzte ein Wechsel nach Leverkusen, wo Sie auch schon unterschrieben hatten. Es heißt, dass Eintracht-Präsident Bernd Hölzenbein Ihrem Vater nach diesem ganzen Wechsel-Chaos den Handschlag verweigerte. Sprechen Sie heute wieder miteinander?
Ja. Ich spiele ja auch in der Traditionsmannschaft mit vielen dieser Eintracht-Legenden zusammen. Das macht mich stolz und froh. Und ich denke auch, dass viele Alt-Stars sehen, dass ich mich geändert habe – und auch mit Bernd Hölzenbein kann ich wieder gemeinsam lachen.
Ihr Förderer war Dragoslav Stepanovic. Später spielten Sie auch unter Jupp Heynckes, für den die Eintracht ein dunkles Kapitel wurde. Was machte er falsch?
Er war ein Trainer der alten Schule und hatte nicht die Lockerheit, die er später hatte – oder die auch ein Stepi versprühte. Ich bin auch ein paar Mal mit ihm aneinandergeraten. Dann machte er den Fehler, Anthony Yeboah, Jay-jay Okocha und Maurizio Gaudino zu suspendieren. Allerdings verstehe ich einige seiner Entscheidungen heute ein Stück weit. Er kam damals als großer Trainer zur Eintracht, wo totales Chaos herrschte. Wir spielten in der Bundesliga, doch die Strukturen, das Stadion, die Umkleiden, wirklich alles sah aus wie bei einem Amateurverein. Heynckes versuchte aufzuräumen – doch es misslang ihm.