Vor vier Jahren versuchte sich Babak Rafati das Leben zu nehmen – Depressionen. Anlässlich einer am heutigen Montag ausgestrahlten BR-Doku verweisen wir auf dieses Interview vom Frühjahr 2015.
Ihr Fall erinnert in einigen Elementen stark an Uli Borowka, der mit seiner Alkoholbeichte vielen Menschen als Vorbild diente und dient und dank seiner Prominenz ebenfalls erstaunlich vielen Leuten einen Spiegel vorhalten kann. Wie bei Borowka sieht man auch in Ihrem Homepage-Gästebuch Einträge wie „Nachdem ich sie gestern bei Lanz habe sprechen hören, wurde mir klar, dass ich eine Depression habe.“
Solche Einträge und das angesprochene direkte Feedback nach Veranstaltungen sind ja nur ein Bruchteil von dem, was ich sonst an Rückmeldungen bekomme. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Menschen mir persönliche Nachrichten und Mails schicken. Sie bedanken sich, suchen nach Hilfe oder erzählen mir, dass ich der Grund sei, warum sie sich jetzt Hilfe nehmen würden.
Ist der Bedarf nach, nennen wir es „Hoffnungsträgern“, so hoch?
Ich denke schon. Neulich war ich auf einer Veranstaltung in Magdeburg. Für mein Plädoyer „Miteinander, Füreinander, statt Gegeneinander“ haben sich anschließend gleich 50 Leute bedankt. Die Menschen lechzen danach, dass sich jemand hinstellt und die Missstände in unserer Gesellschaft offen und ehrlich anspricht, ohne dabei anzuklagen oder zu jammern. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind der Schlüssel zum Erfolg.
Sie halten Ihre Vorträge in der freien Wirtschaft. Gibt es Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen dem Profifußball und dem normalen Berufsleben?
Fußball ist doch immer nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Aber ein zum Teil verzerrtes, weil die Vorraussetzungen noch einmal andere sind. Ganz einfach gesprochen: Im Fußball geht es um viel mehr Kohle und je mehr es um Geld und Macht geht, desto raubtierkapitalistischer funktioniert das menschliche Denken. Also sind auch all die negativen Seiten – der Leistungs- und Erwartungsdruck, der Stress, das Mobbing, die Gefahr für Mobbing, Burnout oder Depression – stärker ausgeprägt. Gleichzeitig wird auch Profifußball nur von Menschen gespielt und entschieden. Menschen haben Gefühle, Menschen gehen unterschiedlich mit ihren Gefühlen um. Und da macht es überhaupt keinen Unterschied, ob jemand 20.000 oder zwei Millionen Euro pro Jahr verdient.
Sie waren seit 1997 DFB-Schiedsrichter. Welche Fehler haben Sie gemacht, dass es bis zum Vorfall am 19. November 2011 kommen konnte?
Den, den so viele andere auch machen: Ich habe nicht begriffen, dass es eine Stärke ist, wenn man sich zu seinen Schwächen bekennt. Dass ich nicht begriffen habe, dass man auch geliebt und respektiert wird, wenn man Schwächen hat und zeigt. Dass es keine Schande ist, zu versagen, Fehler zu machen, zu weinen.
Was macht es im Fußball so schwer, Schwächen zu zeigen? Der öffentliche Druck? Das Geld? Die Leistungsansprüche der Arbeitgeber, also der Klubs?
All das sind Bausteine des Problems. Aber man muss jeden Fall einzeln betrachten, es gibt keine Universallösung. Der eine ist Prestigemensch, den macht es fertig, wenn ihn die Presse zerreißt. Der andere glaubt an Loyalität und bricht zusammen, wenn ihn der eigene Chef in die Pfanne haut. Mit war es relativ wurst, dass mich der „Kicker“ zum schlechtesten Schiri kürte. Aber der menschenverachtende Umgang meiner Vorgesetzten und die Bestätigung der Kollegen dieses Vorgehens haben mich hart getroffen.
Sie nennen bewusst nicht den Namen Ihrer Vorgesetzten – es handelt sich um den Vorsitzenden der DFB-Schiedsrichter-Kommission Herbert Fandel und Helmut Krug von der DFL – und haben es in diesem Interview bislang vermieden, Kritik am DFB zu üben. Das war vor einiger Zeit noch anders. Warum?
Ich habe meine Sichtweise auf die Dinge geändert. Früher war ich sehr wütend über das, was man mir angetan hat. Dann war ich wütend über die Ignoranz der Verbände, obwohl ich gedacht hatte, dass mein Fall als deutliches Warnsignal Wirkung zeigen würde. Aber heute denke ich anders. Lasst uns nicht über andere sprechen. Lasst uns über uns selbst sprechen! Mein Leitspruch ist: „Niemand ist in der Lage, mich zu verletzen. Außer ich selbst, wenn ich es zulasse.“ Und letztlich hoffe ich auch, dass der DFB erkennt, dass ich ihm nicht vors Knie treten möchte, sondern stattdessen meine Hand ausstrecke. Gemeinsam könnte man so viel im Interesse der Spieler und Verantwortlichen sowie für die Berufswelt erreichen.