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Seite 2: „Das Feedback ist überragend“

Ihr Fall erin­nert in einigen Ele­menten stark an Uli Borowka, der mit seiner Alko­hol­beichte vielen Men­schen als Vor­bild diente und dient und dank seiner Pro­mi­nenz eben­falls erstaun­lich vielen Leuten einen Spiegel vor­halten kann. Wie bei Borowka sieht man auch in Ihrem Home­page-Gäs­te­buch Ein­träge wie Nachdem ich sie ges­tern bei Lanz habe spre­chen hören, wurde mir klar, dass ich eine Depres­sion habe.“
Solche Ein­träge und das ange­spro­chene direkte Feed­back nach Ver­an­stal­tungen sind ja nur ein Bruch­teil von dem, was ich sonst an Rück­mel­dungen bekomme. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Men­schen mir per­sön­liche Nach­richten und Mails schi­cken. Sie bedanken sich, suchen nach Hilfe oder erzählen mir, dass ich der Grund sei, warum sie sich jetzt Hilfe nehmen würden.
 
Ist der Bedarf nach, nennen wir es Hoff­nungs­trä­gern“, so hoch?
Ich denke schon. Neu­lich war ich auf einer Ver­an­stal­tung in Mag­de­burg. Für mein Plä­doyer Mit­ein­ander, Für­ein­ander, statt Gegen­ein­ander“ haben sich anschlie­ßend gleich 50 Leute bedankt. Die Men­schen lechzen danach, dass sich jemand hin­stellt und die Miss­stände in unserer Gesell­schaft offen und ehr­lich anspricht, ohne dabei anzu­klagen oder zu jam­mern. Selbst­be­stim­mung und Eigen­ver­ant­wor­tung sind der Schlüssel zum Erfolg.
 
Sie halten Ihre Vor­träge in der freien Wirt­schaft. Gibt es Unter­schiede bzw. Gemein­sam­keiten zwi­schen dem Pro­fi­fuß­ball und dem nor­malen Berufs­leben?
Fuß­ball ist doch immer nur ein Spie­gel­bild unserer Gesell­schaft. Aber ein zum Teil ver­zerrtes, weil die Vorraus­set­zungen noch einmal andere sind. Ganz ein­fach gespro­chen: Im Fuß­ball geht es um viel mehr Kohle und je mehr es um Geld und Macht geht, desto raub­tier­ka­pi­ta­lis­ti­scher funk­tio­niert das mensch­liche Denken. Also sind auch all die nega­tiven Seiten – der Leis­tungs- und Erwar­tungs­druck, der Stress, das Mob­bing, die Gefahr für Mob­bing, Burnout oder Depres­sion – stärker aus­ge­prägt. Gleich­zeitig wird auch Pro­fi­fuß­ball nur von Men­schen gespielt und ent­schieden. Men­schen haben Gefühle, Men­schen gehen unter­schied­lich mit ihren Gefühlen um. Und da macht es über­haupt keinen Unter­schied, ob jemand 20.000 oder zwei Mil­lionen Euro pro Jahr ver­dient.
 
Sie waren seit 1997 DFB-Schieds­richter. Welche Fehler haben Sie gemacht, dass es bis zum Vor­fall am 19. November 2011 kommen konnte?
Den, den so viele andere auch machen: Ich habe nicht begriffen, dass es eine Stärke ist, wenn man sich zu seinen Schwä­chen bekennt. Dass ich nicht begriffen habe, dass man auch geliebt und respek­tiert wird, wenn man Schwä­chen hat und zeigt. Dass es keine Schande ist, zu ver­sagen, Fehler zu machen, zu weinen.
 
Was macht es im Fuß­ball so schwer, Schwä­chen zu zeigen? Der öffent­liche Druck? Das Geld? Die Leis­tungs­an­sprüche der Arbeit­geber, also der Klubs?
All das sind Bau­steine des Pro­blems. Aber man muss jeden Fall ein­zeln betrachten, es gibt keine Uni­ver­sal­lö­sung. Der eine ist Pres­ti­ge­mensch, den macht es fertig, wenn ihn die Presse zer­reißt. Der andere glaubt an Loya­lität und bricht zusammen, wenn ihn der eigene Chef in die Pfanne haut. Mit war es relativ wurst, dass mich der Kicker“ zum schlech­testen Schiri kürte. Aber der men­schen­ver­ach­tende Umgang meiner Vor­ge­setzten und die Bestä­ti­gung der Kol­legen dieses Vor­ge­hens haben mich hart getroffen.
 
Sie nennen bewusst nicht den Namen Ihrer Vor­ge­setzten – es han­delt sich um den Vor­sit­zenden der DFB-Schieds­richter-Kom­mis­sion Her­bert Fandel und Helmut Krug von der DFL – und haben es in diesem Inter­view bis­lang ver­mieden, Kritik am DFB zu üben. Das war vor einiger Zeit noch anders. Warum?
Ich habe meine Sicht­weise auf die Dinge geän­dert. Früher war ich sehr wütend über das, was man mir angetan hat. Dann war ich wütend über die Igno­ranz der Ver­bände, obwohl ich gedacht hatte, dass mein Fall als deut­li­ches Warn­si­gnal Wir­kung zeigen würde. Aber heute denke ich anders. Lasst uns nicht über andere spre­chen. Lasst uns über uns selbst spre­chen! Mein Leit­spruch ist: Nie­mand ist in der Lage, mich zu ver­letzen. Außer ich selbst, wenn ich es zulasse.“ Und letzt­lich hoffe ich auch, dass der DFB erkennt, dass ich ihm nicht vors Knie treten möchte, son­dern statt­dessen meine Hand aus­strecke. Gemeinsam könnte man so viel im Inter­esse der Spieler und Ver­ant­wort­li­chen sowie für die Berufs­welt errei­chen.