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Georg Gift­thaler will nicht auf­geben. Er will für seine Freunde da sein. Das ist aller­dings nicht so ein­fach. Denn seine Freunde sind nicht da, sie sind mitt­ler­weile in Frank­reich und den Nie­der­landen, manche cam­pieren auch in baye­ri­schen Wäl­dern oder leben in Mün­chen auf der Straße. Gift­thaler ist Trainer einer Gruppe Geflüch­teter, die sich auf einer holp­rigen Wiese in der Nähe der Lands­huter Kaserne regel­mäßig zum Kicken trifft – eigent­lich. Denn schon seit Wochen kommt keiner der Spieler mehr zum Trai­ning. Sie haben Angst vor der Abschie­bung und sind abge­taucht. Eine ihrer letzten Hoff­nungen: der 59-jäh­rige Trainer.

Die aktu­elle Situa­tion ist so etwas wie das vor­läu­fige Ende einer Geschichte, die lange Zeit nur Höhen kannte. Sie begann bereits im Herbst letzten Jahres. Damals war Gift­thaler an der Lands­huter Tafel auf eine Gruppe Geflüch­teter aus Sierra Leone getroffen. Man kam ins Gespräch und ver­stand sich gut. Nachdem Gift­thaler, der flie­ßend Eng­lisch spricht, die jungen Männer eine Weile bei Amts­be­su­chen und offi­zi­ellen Ter­minen unter­stützt hatte, kam ihm eine Idee: der Sierra Leone FC. Dann haben wir gesagt: Wir gründen jetzt eine Fuß­ball­mann­schaft“, berichtet er. Der Start war ein holp­riger, Corona zwang das neue Team zum Abwarten in den Räum­lich­keiten der Lands­huter Geflüch­te­ten­un­ter­kunft – wochen­lang konnte Fuß­ball nur geplant, nicht aber gespielt werden. Immerhin nutzte Gift­thaler die Zeit, um über das Lokal­blatt Mate­ri­al­spenden zu sam­meln. Im Mai 2021 ging es dann end­lich richtig los: Trainer und Mann­schaft trafen sich zur ersten Ein­heit.

Preis ohne Wert

Danach war das Pro­jekt kaum noch zu bremsen. Nach Test­spielen gegen Mann­schaften aus dem Land­kreis stellte Gift­thaler im August ein großes Tur­nier mit Geflüch­teten-Teams aus ganz Bayern auf die Beine. Es ist ein Rie­sen­er­folg geworden“, sagt er. 300 Zuschauer seien gekommen. Gift­thaler, der auf Jahr­zehnte als Abtei­lungs­leiter eines kleinen Fuß­ball­ver­eins zurück­bli­cken kann, hatte nun das Ziel, seine Mann­schaft auch in den regu­lären Spiel­be­trieb des Lan­des­ver­bands ein­zu­glie­dern. Allzu viele Schritte waren bis dahin nicht mehr zu gehen, sogar ein eigener Fuß­ball­platz stand in Aus­sicht. Doch auch ohne Punkt­spiele hatte der Sierra Leone FC bereits über die Stadt­grenzen hinaus für Auf­sehen gesorgt: Ende Oktober wurden Gift­tha­lers Bemü­hungen sogar mit dem Inte­gra­ti­ons­preis der nie­der­baye­ri­schen Regie­rung belohnt. Doch endete die schöne Geschichte an dieser Stelle abrupt. Denn der Preis war wertlos.

Fast par­allel zur Preis­ver­lei­hung erhielten die ersten Spieler Post von einer anderen Behörde. Es han­delte sich um end­gül­tige Abschie­be­be­scheide, die letzt­lich an fast alle Spieler des Sierra Leone FC ergingen. Wäh­rend Gift­thaler um Fas­sung rang, brach in seiner Mann­schaft die Panik aus. Von einem auf den anderen Tag tauchten die Spieler unter. Und der Trainer hatte plötz­lich keine Mann­schaft mehr.

Die würden im Gefängnis landen“

Bis heute hat sich keiner der Spieler mehr in Landshut bli­cken lassen. Gift­thaler sorgt sich, sagt aber auch: Ich ver­suche, das eher weniger an mich her­an­zu­lassen, weil ich die Kraft brauche, um ihnen – wie auch immer – bei­zu­stehen.“ Um Fuß­ball geht es dabei natür­lich nicht mehr. Ich kenne die Situa­tion in Sierra Leone. Die würden bei ihrer Ankunft sofort ver­haftet werden und im Gefängnis landen, weil sie als Ver­räter gelten.“ Also ver­sucht Gift­thaler die Abschie­bung von über 60 Men­schen zu ver­hin­dern. Längst hat er einen Anwalt ein­ge­schaltet, um gegen die Bescheide zu klagen. Immerhin: In einem Drittel der Fälle sieht es gut aus.

Dass er das Rich­tige tut, merkt Gift­thaler nicht nur an den juris­ti­schen Erfolgen, son­dern auch am Zuspruch der Men­schen aus Landshut. Ört­liche Fuß­ball­klubs haben Trans­pa­rente gegen die Abschie­bung der Geflüch­teten auf­ge­hängt, an der Mar­tins­kirche in der Innen­stadt kam es am letzten Samstag zu einer Kund­ge­bung. Viele sehen die Sache wie Gift­thaler und glauben, dass die Behörden mit zwei­erlei Maß messen. Wie könne es sein, dass ein Teil der Men­schen abge­schoben werde, andere aber bleiben dürften – wo doch alle aus Sierra Leone kämen? Und über­haupt: Wenn wir bei der euro­päi­schen Asyl­po­litik sind, gibt es da dieses Bild, dass Deutsch­land Vor­reiter ist und beson­ders gut damit umgeht. Komi­scher­weise haben aber die, die nach Frank­reich geflüchtet sind, ein unbe­fris­tetes Blei­be­recht bekommen. Ich hätte für viele von ihnen sogar schon einen Arbeits­platz in Aus­sicht gehabt.“

Gift­thaler will weiter für seine Spieler kämpfen. Auch wenn ver­mut­lich keiner von ihnen je nach Landshut zurück­kehre, wolle er alle Mög­lich­keiten aus­schöpfen. Es ist etwas weg­ge­bro­chen. Aber ich muss stark sein – die Hoff­nung stirbt zuletzt.“ Und der Sierra Leone FC? Im nächsten Jahr will Gift­thaler sein Pro­jekt wie­der­be­leben. Selbst wenn er nur eine Klein­feld­mann­schaft zusam­men­be­kommt.

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