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Seite 2: „Warum setzt Löw nicht auf Sie?“

Ähn­lich kom­pro­misslos ver­hielt er sich auch seinem Körper gegen­über. Als er 2016 nach einem Zwei­kampf im Spiel gegen Ben­fica Lis­sabon heftig zu Boden ging, war die rechte Hüfte im Eimer. Er würde nie wieder spielen können, sagten die Ärzte. Doch Kieß­ling, so erzählte er im Inter­view mit 11FREUNDE, dachte nicht ans Auf­hören. Nicht eine Sekunde. Es fühlte sich eher an wie: Jetzt erst recht!“

Also kämpfte sich Kieß­ling durch, biss auf die Zähne, trai­nierte und spielte mit Schmerzen. Und als es für Lever­kusen im Sommer 2017 wirk­lich zählte, als es gegen den Abstieg ging, war er wieder da. Im ent­schei­denden Spiel gegen Köln traf er zum Anschluss, am Ende hielt der Verein auch Dank Kieß­ling und dessen Wille die Klasse. Da hatten viele im Land schon fast ver­gessen, dass der Mann über Jahre hinweg der kon­stan­teste deut­sche Stürmer gewesen war.

Warum setzt Löw nicht auf Sie?“

2012/2013, in seiner stärksten Saison, wurde er mit 25 Toren Tor­schüt­zen­könig. 2009/2010 traf er 21-mal, 2013/14 waren es 15, 2011/12 16 Tore. Kieß­ling rackerte, Kieß­ling rannte, Kieß­ling riss Lücken, Kieß­ling traf. Doch trotzdem genügte es nie, um Natio­nal­trainer Löw voll­ends zu über­zeugen. Der nahm ihn zwar zu Beginn seiner Kar­riere gerne mit zu Län­der­spielen, ver­traute im Zwei­fels­fall aber stets anderen.

Als Löw Kieß­ling irgend­wann gar nicht mehr nomi­nierte, der im Verein aber Tor um Tor schoss, konnte sich Kieß­ling durch keine Mixed-Zone des Landes schlän­geln, ohne mit der glei­chen Frage beläs­tigt zu werden: Warum setzt Löw nicht auf Sie?“

Kieß­ling ließ es über sich ergehen. Selbst, als er die Ant­wort längst wusste, weil Löw ihm in einem per­sön­li­chen Gespräch mit­ge­teilt hatte, dass er als Spie­lertyp nicht ins Kon­zept passe. Doch statt in der Öffent­lich­keit zu quen­geln, krem­pelte Kieß­ling die Ärmel hoch. Und schoss noch mehr Tore.

Die teu­erste Brat­wurst, die je aus Nürn­berg kam“ 

144 waren es unter dem Strich allein in der Bun­des­liga. Obwohl ihn einige schon früh zum Flop erklären wollten. Im Dezember 2006, Kieß­ling war grade für ver­hält­nis­mäßig viel Geld aus Nürn­berg nach Lever­kusen gewech­selt, titelte die Bild“-Zeitung: Die teu­erste Brat­wurst, die je aus Nürn­berg kam.“

Doch Kieß­ling ließ sich auch davon nicht unter­kriegen. Son­dern rackerte ein­fach weiter. Er setzte sich in Lever­kusen durch, wurde erst Stamm­spieler, dann Tor­jäger, dann Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur. Weil er immer alles tat, was in seiner Macht stand. Das sah viel­leicht nicht schön aus. Aber am Ende ließen ihn das Unper­fekte, die Makel und all die Rück­schläge erst zu dem werden, der er jetzt ist. Eine Ver­eins­le­gende. 

Der Text erschien erstmal 2018, zum Kar­rie­re­ende von Stefan Kieß­ling.