Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Dieser Artikel ist ein Gast­bei­trag von Uli Dig­mayer. Dig­mayer, 49 Jahre alt, berichtet seit 1994 über den 1. FCN und seit 2000 als Sport­re­dak­teur für die Nürn­berger Zei­tung. 

Man könnte meinen, dass gerade der Verein, der 1963 für die ersten Trai­ner­ent­las­sung der Bun­des­liga-His­torie gesorgt hatte, längst eine gewisse Rou­tine in diesen Dingen ent­wi­ckelt hätte. Doch selbst für den 1. FC Nürn­berg geriet die Tren­nung von Michael Köllner zu einer neuen Grenz­erfah­rung.

Denn um nach 15 sieg­losen Spielen seinen Chef­coach los­werden zu können, musste der Auf­sichtsrat des Auf­stei­gers am späten Mon­tag­abend zunächst seinen Sport­vor­stand los­werden. Was so ursprüng­lich gar nicht auf der Agenda stand. Zwar hatte sich auch Andreas Born­emann spä­tes­tens durch seine unin­spi­rierte Trans­fer­po­litik im Winter und ziem­lich rea­li­täts­fremd klin­gende Aus­sagen nach dem 0:2 in Han­nover angreifbar gemacht, prin­zi­piell aber sei man mit seiner Arbeit durchaus zufrieden gewesen. Das betonte zumin­dest Auf­sichts­rats­chef Thomas Greth­lein später zer­knirscht. Doch hatte sich der laut Sat­zung für Trai­ner­ent­las­sungen zustän­dige Born­emann eben bis zuletzt beharr­lich gewei­gert, der freund­li­chen Emp­feh­lung“ des Kon­troll­gre­miums nach­zu­kommen. Sprich: Köllner zu beur­lauben.

Ein ehren­werter Depp?

Er könne nicht gegen seine Über­zeu­gungen han­deln“, insis­tierte Born­emann, den mit Köllner schon seit län­gerem eine Män­ner­freund­schaft ver­bindet. Eine im Pro­fi­fuß­ball selten erlebte Loya­lität (andere mögen es auch Stur­heit nennen), die Greth­lein zwar Respekt abnö­tigte, letzt­lich aber nur die Beur­lau­bung des trot­zigen Ange­stellten bedeu­tete. Ein bedau­er­li­cher, aber nötiger Kol­la­te­ral­schaden. Nur wenige Stunden später konnte dann in Nürn­berg mit Hilfe eines flugs zum Inte­rims­vor­stand ernannten Mar­ke­ting­lei­ters auch das Kapitel Köllner kor­rekt geschlossen werden. Eine frän­ki­sche Demis­sion im Dop­pel­pack.

Der radi­kale Kahl­schlag in der sport­li­chen Lei­tung schien einmal mehr alle Kli­schees, die dem eins­tigen Rekord­meister gemeinhin so anhängen, prima zu bedienen. Club = Depp. Dabei hatte die Süd­deut­sche Zei­tung den Tabel­len­letzten soeben noch als ehren­werten Depp“ geadelt, weil er trotz seiner offen­sicht­li­chen Unter­le­gen­heit in der Liga allen erwart­baren Reflexen wider­standen hatte. Kein Trai­nerr­aus­wurf, kein blinder Aktio­nismus in der Win­ter­pause, statt­dessen die wei­tere Kon­so­li­die­rung des finan­ziell nach wie vor ange­schla­genen Ver­eins als abso­lute Prio­rität und eine scheinbar stoi­sche Gelas­sen­heit im Umgang mit dem wohl Unver­meid­li­chen. Ein Fest für aus der Ferne wohl­wol­lend stau­nende Fuß­ball­ro­man­tiker.

Köllner löste schon lange Skepsis aus

Doch die Rea­lität vor Ort sah leider etwas anders aus. Denn auf seinem viel­be­schwo­renen Weg der Ver­nunft“ hatte sich der Auf­steiger längst in eine Sack­gasse manö­vriert. Die ange­strebte Kon­ti­nuität drohte zum reinen Selbst­zweck zu ver­kommen, zum dog­ma­ti­schen Treue­schwur, der nega­tive Ten­denzen igno­rierte und das uner­war­tete Geschenk“ der Bun­des­liga-Rück­kehr viel zu leicht­fertig aufs Spiel zu setzen drohte.

Dass es mit diesem Michael Köllner irgend­wann etwas schwierig werden könnte, ließ sich bereits in der Auf­stiegs­saison erahnen. Auch da hatte es durchaus Phasen gegeben, in denen die spe­zi­elle Art des gelernten Zahn­arzt­hel­fers aus dem idyl­li­schen 1500-Seelen-Nest Fuchs­mühl eine gewisse Skepsis aus­ge­löst hatte. Noch wäh­rend der Party in der Auf­stiegs­nacht hatten Füh­rungs­spieler süf­fi­sant darauf hin­ge­wiesen, dass ein großer Teil des Erfolgs vor allem auch dem mann­schaft­li­chen Kol­lektiv zu ver­danken sei. Auch dass Köllner direkt nach dem Auf­stieg medi­en­wirksam mit einem frei­wil­ligen Rückzug koket­tierte, weil er nicht irgend­wann vom Hof gejagt“ werden wollte, und damit alle Auf­merk­sam­keit auf sich pro­ji­zierte, kam intern nicht beson­ders gut an.

Trotzdem erwies sich der Spät­starter im Pro­fi­ge­schäft für den Club zunächst als Glücks­griff. Weil er sich mit den finan­zi­ellen Gege­ben­heiten am Valz­ner­weiher klaglos arran­gierte, nie nach teuren Ver­stär­kungen rief und sich statt­dessen mit enormen Eifer dar­an­machte, ein für die Bun­des­liga kaum taug­li­ches Team behutsam wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Dieser erhoffte Pro­zess aller­dings sta­gnierte nach dem Auf­stieg zuse­hends.

U21-Natio­nal­spieler Eduard Löwen, das wohl hoff­nung­vollste Talent im Verein, wurde zuletzt kaum mehr berück­sich­tigt, andere junge Spieler standen plötz­lich in der Startelf, nur um danach wochen­lang wieder auf der Tri­büne zu schmoren. Auf­stiegs­helden wie Tim Lei­bold, Fabian Bredlow oder Enrico Valen­tini stießen an ihre natür­li­chen Grenzen. Mit Tor­jäger Mikael Ishak schien Köllner am Ende ein per­sön­li­ches Pro­blem zu haben. Auch schaffte er es nicht, den japa­ni­schen Neu­zu­gang Yuya Kubo, einen feinen, aber sen­si­blen Fuß­baller, gewinn­brin­gend ins Team zu inte­grieren.

Köllner pola­ri­sierte auch die Fans

Letzt­lich wirkte auch der extrem ehr­gei­zige und mit großem Selbst­be­wusst­sein geseg­nete Auto­di­dakt Köllner unter all den Favres, Rang­nicks und Nagels­manns bald etwas über­for­dert. Die Idee, in der Bun­des­liga mit attrak­tivem Offen­siv­fuß­ball bestehen zu wollen, funk­tio­nierte man­gels qua­li­fi­zierten Per­so­nals ledig­lich in Ansätzen, dafür wurde der Club für seine tak­ti­sche Nai­vität mit­unter gehörig abge­watscht. Gerade in brenz­ligen Situa­tionen fehlte oft ein Plan B, stän­dige Sys­tem­wechsel und per­so­nelle Rochaden schienen die Profis zu ver­un­si­chern. Köll­ners epi­sche Mono­loge auf dem Trai­nings­platz ver­hallten zuse­hends unge­hört, sogar die team­in­terne Dis­zi­plin soll zuletzt gelitten haben. Wenn­gleich von Born­emann stets vehe­ment bestritten, hatte der Trainer am Ende wohl doch die Kabine ver­loren“.

Auch das Fan­lager pola­ri­sierte der 49-jäh­rige Ober­pfälzer wie in Nürn­berg zuletzt höchtsten der exzen­tri­sche Nie­der­länder Gertjan Ver­beek. Wäh­rend viele Anhänger Köll­ners boden­stän­dige, volks­nahe und urwüch­sige Art sowie seine abso­lute Iden­ti­fi­ka­tion mit Verein und Stadt schätzten, nervten andere die oft beschö­ni­genden Spiel­ana­lysen, die aus­ufernde Phra­sen­dre­scherei bei Pres­se­kon­fe­renzen und die Selbst­ver­liebt­heit eines Trai­ners, der nach Siegen auch schon mal Ehren­runden lief oder vor der Mann­schaft zum Jubeln in die Kurve eilte. 

Diesmal ist der Club nicht auto­ma­tisch der Depp

Trotz eines desas­trösen Trai­nings­la­gers in Spa­nien und dem ernüch­ternden Rück­run­den­start gegen Hertha (1:3) hatte Ver­eins­boss Greth­lein immer noch darauf gebaut, der nötige Impuls für eine Trend­wende könne aus der Mann­schaft heraus“ ent­stehen. Spä­tes­tens mit dem deso­laten Pokal­auf­tritt in Ham­burg (0:1) und dem ver­lo­renen Kel­ler­treffen in Han­nover (0:2) waren soche Hoff­nungen obsolet geworden – der Auf­sichtsrat sah sich zum Han­deln gezwungen. Vor allem auch des­halb, weil das gro­teske Schne­cken­rennen im Tabel­len­keller selbst dem Schluss­licht mit seinen zwölf Punkten noch immer eine mini­male Chance auf den Klas­sen­er­halt lässt. Wir wissen auch, dass Trai­ner­wechsel in der Regel nicht der Königsweg sind“, gestand Greth­lein. Aber man wollte zumin­dest alles ver­sucht haben.

Richten sollen es nun bis auf wei­teres der zum Chef beför­derte Köllner-Assis­tent Boris Schom­mers sowie Ver­ein­si­kone Marek Mintal, der­zeit noch in der Aus­bil­dung zum Fuß­ball­lehrer. Zum lockeren Ein­stieg geht es am nächsten Mon­tag­abend gleich gegen Spit­zen­reiter Borussia Dort­mund. Das Duo dürfte aber nur eine Inte­rims­lö­sung bleiben. Einen erfah­renen Coach suchen soll der aller­dings zunächst selbst noch zu suchende neue Sport­vor­stand. Eine Kon­stel­la­tion, die selbst in Nürn­berg ein Novum dar­stellt – den Club diesmal aber kei­nes­wegs auto­ma­tisch zum Deppen macht.