Dänemarks Achtelfinaleinzug sorgt für boulevardeske Projektionen, Robin Gosens zahlt den Preis des Ruhms und die Uefa sagt Nein zum Regenbogen. Unser Newsletter „11FREUNDE am Morgen“.
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Danish Dynamite. In einem der packendensten Spiele der EURO 2021 hat gestern Abend Dänemark Russland im Kopenhagener Parken mit 4:1 abgeschossen und den Einzug ins Achtelfinale geschafft – mit nur einem Sieg aus drei Spielen und trotzdem auf kuriose Weise souverän. Die Ausgangslage war dabei für die Dänen klar gewesen: Um sich trotz der beiden Niederlagen gegen Finnland und Belgien doch noch weiter zu mogeln, musste erstens das eigene Spiel gegen die Russen gewonnen werden und zweitens Konkurrent Finnland gegen den bereits qualifizierten Gruppenersten Belgien verlieren. Doch die Aussicht, doch noch im Turnier bleiben zu können, schien den Dänen zunächst schwere Beine zu machen. Ein unansehnlicher Abnutzungskampf begann, den erst Damsgaard (38.) mit einem wunderschönen Weitschuss ins rechte Toreck beendete.
Mit Beginn der zweiten Hälfte war es dann plötzlich, als sei der Kampfgeist der 84er und 92er in diese Mannschaft gefahren. Immer wieder angetrieben von ARD-Kommentator Tom Bartels, der das Neutralitätsgebot sehr frei auslegte und sich bei jeder vergebenen Chance der Dänen beinahe zu entleiben schien, gelang Poulsen (59.) die Vorentscheidung, als er einen kuriosen russischen Rückpass erlief und mühelos zum 2:0 traf. Was den russischen Nationalcoach Tschertschessow derart in Rage brachte, dass er fortan an seiner Trainerbank auf alles trat, was sich bewegte. Sogar der 4. Offizielle schien Angst zu haben, vom grimmigen Trainer die Auswechseltafel über den Kopf gezogen zu bekommen. Derweil tobten die 25000 dänischen Fans und mussten sich fortan entscheiden: entweder die eigene Mannschaft anzufeuern, oder aufs Smartphone zu lugen, wann endlich die Belgier gegen die Finnen treffen würden. Was dazu führte, dass um die 75. Minute herum der Parken endgültig explodierte. Denn in St. Petersburg wurden gleich zwei belgische Tore vermeldet, während in Kopenhagen die Dänen aus allen Lagen aufs russische Tor ballerten und am Ende durch zwei weitere Treffer von Andreas Christensen (79.) und Joakim Mähle (82.) gewannen.
Natürlich wurde der Sieg hinterher als sportliche Grußadresse an den fehlenden Star Christian Eriksen interpretiert, der nach seinem Zusammenbruch im ersten Spiel gegen Finnland inzwischen mit einem frisch eingesetzten ICD-Herzschrittmacher aus dem Krankenhaus entlassen wurde und der letzten Freitag das Team besucht hatte. Doch Vorsicht mit der derlei boulevardesken Projektionen. So platt, wie gestern im TV über den dramatischen Zwischenfall als Motivationshilfe fürs dänische Team gesprochen wurde, erschien er plötzlich schon so anekdotisch wie etwa der McDonalds-Besuch der 92er-Europameister. Und das muss nicht sein.
Robin Gosens ist der einzige deutsche Spieler, der nur über Umwege im Profifußball und gegen jede Wahrscheinlichkeit im EM-Kader von Jogi Löw gelandet ist. Ausgerechnet er begeistert beim 4:2 gegen Portugal ganz Europa. Kein Wunder.
„Es war ein Turnier, von dem wir dachten, dass wir es sehr gut vorbereitet haben. Vielleicht haben wir zu viel gewollt. Wir entschuldigen uns bei unserem ganzen Land. Es war peinlich von uns.“
Das hat er sicher nicht gewollt. Vor ein paar Tagen war Außenverteidiger Robin Gosens für breite Bevölkerungssschichten noch einer dieser vielen jungen Nationalspieler wie Klosterberg und Halstendorf, deren Namen man sich nie merken kann. Plötzlich jedoch ist der Verteidiger mit seinem Kampfgeist und seiner Begeisterung ein Nationalheld. Sein Name füllte gestern alle Gazetten, seine erfrischende Art wurde landesweit als angenehmes Kontrastmittel zu den oft aseptischen Auftritten seiner Kollegen gerühmt. Der Hype um Gosens zeitigt inzwischen allerdings unschöne Kollateralschäden. So veröffentlichte Robin Koch gestern ein Video, in dem eine Gruppe Nationalspieler gaaanz locker-flockig den gruseligen 90er-Hit „What´s up“ der „4 Non Blondes“ nachklampfte und gottlob vor „Stairway to heaven“ die Kamera ausschaltete. Und dann widmete sich auch noch der irrlichternde Zerhacker Franz-Josef Wagner in seiner untoten Kolumne dem jungen Robin Gosens. Uns tut das alles einfach sehr leid.
Die UEFA sagt nein. Seit längerer Zeit hatten Aktivisten und Prominente, aber auch der Münchner Stadtrat dafür geworben, anlässlich des letzten Gruppenspiels der Deutschen gegen Ungarn die Allianz Arena in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen. Doch der europäische Fußballverband untersagte die Aktion und bekam dafür auch Unterstützung von DFB-Pressesprecher Jens Grittner: „Die UEFA gibt ein einheitliches Stadiondesign vor. Und es gibt gute Gründe, dieses einheitliche Stadiondesign auch zu leben“. So sehr uns die Sorge ums „einheitliche Stadiondesign“ anrührt, so sehr kann allerdings festgestellt werden, dass womöglich auch ein kleines bisschen eine Rolle gespielt hat, dass das Symbol des homosexuellen Kampfes um Gleichberechtigung ausgerechnet beim Spiel gegen Ungarn gezeigt werden sollte, einem Land, dessen autokratischer Herrscher Viktor Orban gerade homo- und transphobe Gesetze durchs Parlament peitscht. Eben jener Orban, auf den die UEFA im Verlauf des Turniers noch angewiesen sein wird, schließlich sollen in Budapest ersatzweise die Finalspiele stattfinden, wenn die englische Regierung dem VIP-Tross der UEFA nicht garantiert, ohne lästige Quaratäne ein- und ausreisen zu können. Was wieder einmal zeigt, dass es dem europäischen Verband jenseits des Bestrebens möglichst viel Geld aus dem Fußball herauszupressen, an jeder Form eines belastbaren Wertekatalogs fehlt, an dem er sich im Zweifelsfall festhalten könnte. Gäbe es ihn und würde er öffentlich kommuniziert, hätte sich auch verboten, dass ernsthaft Ermittlungen gegen Manuel Neuer aufgenommen wurden, weil der auch gegen Portugal mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde auflief.
Idylle auf 3100 Metern Höhe. Bürger der Republik Tadschikistan sollten vor allem gute Bergsteiger sein. Das Land ist ein Hochgebirgsland. Fast die Hälfte des Staatsgebietes liegt auf einer Höhe von 3000 Meter und höher. So wie dieser schon etwas in die Jahre gekommener Fußballplatz im Pamir-Hochland, der inmitten der Kletterei zu einem kurzen Kick einlädt. Steigeisen aber vorher bitte abschnallen.
Nächste Runde. Heute suchen wir eine Mannschaft, die die Gesetze der Fußballwelt Mitte der Neunziger Jahre kurzzeitig auf den Kopf stellte. Lösungen wie immer an philipp@11freunde.de. Gestern war natürlich der legendäre Adi-Preißler-Spruch: „Grau ist alle Theorie – Entscheidend ist auffem Platz!“ gesucht. Mit dabei waren unter anderem der IS, Theo Lingen, Rhode Island und das Plakat des Filmes „Fame“.
Langsam wird´s kitzlig. Die tiefe Trauer darüber, dass unser Tag nicht mehr von den drei Uhrzeiten 15, 18 und 21 dominiert wird, wird gedämpft durch den Finalcharakter der letzten Gruppenspiele. Heute stehen nur zwei Partien auf dem Spielplan: Kroatien-Schottland (Tipp: 0:1) und Tschechien-England (Tipp: 0:3). Sollte es so kommen, könnten sich die Schotten als Gruppendritter ins Achtelfinale bugsieren. Ich drücke jedenfalls sämtliche verfügbare Daumen.
Kommt gut in den Dienstag!