Paulo Dybala wird Juventus Turin im Sommer verlassen. Beim Rekordmeister musste er sich oft anpassen – dabei sollte das Spiel eigentlich auf ihn ausgelegt sein.
Es war eine dieser magischen Nächte. Nachdem der FC Barcelona im Champions-League-Achtelfinale Paris Saint-Germain in einem Jahrhundertspiel mit 6:1 aus dem Wettbewerb geworfen hatte, gastierten die Blaugrana im Viertelfinalhinspiel bei Juventus Turin. Und schon in der 22. Minute war den meisten klar: hier ist Endstation. Paulo Dybala hatte soeben mit einem perfekt platzierten Distanzschuss das 2:0 erzielt. Nur wenige Minuten zuvor hatte er mit einem Geistesblitz auf engstem Raum schon zur Führung getroffen. Es sind Momente wie diese, die Juventus Turins Tifosi mit Paulo Dybala verbinden. Doch die ganz große Anerkennung bekam er in Turin selten.
„Dybala steht nicht mehr im Zentrum des Projekts Juve“ verkündet der Geschäftsführer von Juventus Turin, Mauricio Arrivabene, am vergangenen Montag. Harte Worte für einen 28-Jährigen Spieler, der in den vergangenen sieben Jahren mit 113 Toren und 48 Vorlagen für den Verein glänzte. Arrivabene hatte sich soeben mit dem Argentinier und all seinen Vertretern getroffen, um über eine ausstehende Vertragsverlängerung zu verhandeln. Das Ergebnis: Dybalas Vertrag wird nicht verlängert und er darf im Sommer ablösefrei gehen.
Es ist das Ende einer Zeit, in der sich der Angreifer häufig anpassen musste. Als Juve ihn im Sommer 2015 für insgesamt 40 Millionen Euro aus Palermo nach Turin lotste, waren die Erwartungen entsprechend hoch. Doch der junge Edeltechniker schlug direkt ein. Im Sturm war er gesetzt und harmonierte blendend, wahlweise mit Mario Mandzukic oder Alvaro Morata. Am Ende der Saison holte Juve mit satten 32 Scorerpunkte von Dybala das Double. Auch im Jahr darauf, als Neuzugang Gonzalo Higuain das Sturmzentrum für sich beanspruchte und Massimiliano Allegri Dybala zum Spielmacher hinter der Spitze umfunktionierte, überzeugte er mit 29 Torbeteiligungen.
Die Ankunft von Cristiano Ronaldo im Sommer 2018 stellte Dybala dann erneut in den Schatten eines Superstars. Der Fokus auf den Portugiesen im Spiel von Juventus drängte Dybala in die Reservistenrolle. Auch nachdem er sich seinen Stammplatz zurückerkämpft hatte, ging er im Spiel von Juve meist unter. Die Statistiken sprechen für sich: nur sieben Scorerpunkte in dreißig Einsätzen in der Liga. Hinzu kam, dass Dybala sich in der Saison 2018/19 mit einer Reihe von Verletzungen herumschlug. Berichten zufolge gab es auch Zoff mit Coach Allegri, nachdem der Stürmer aufgrund mangelnder Einsatzzeiten nach Abpfiff sichtlich angefressen in die Kabine stürmte. Seitdem ist der Argentinier nie wieder richtig in Topform gekommen und wurde in so gut wie jeder Transferphase mit Vereinen aus der Premier League in Verbindung gebracht.
Nun ist die Zeit des Abschieds tatsächlich gekommen. Die Juventus-Führung will ihn mittlerweile nicht mehr haben. Mit der Verpflichtung von Dušan Vlahović habe sich die sportliche Perspektive verändert, so Mauricio Arrivabene. Das Vertragsangebot aus dem Dezember hat Juventus Berichten zufolge zurückgezogen und Dybala ein deutlich schlechter dotiertes Angebot vorgelegt, das dieser nun ausschlug.
Vermutlich wird auch der Argentinier selbst hoffen, durch einem Wechsel wieder heiß zu laufen und all das zu zeigen, was die Juve-Fans während seiner ersten Jahre von den Sitzen riss. Sei es eine schnelle Drehung auf engstem Raum, ein Laufpass mit der Hacke, ein Schlenzer ins lange Eck oder ein Heber über den Keeper: Dybala ist einer dieser Spieler, die einen verzaubern können. Genau deswegen war er in den ersten Jahren bei Juventus auch in aller Munde – halb Europa wollte den Youngster haben.
Aus Turiner Perspektive mag es aufgrund der mangelnden Effizienz in den vergangenen Jahren und der Verletzungsanfälligkeit Sinn ergeben, Dybala ziehen zu lassen. Ganz ohne Einnahmen einen Ersatz mit ähnlichen Qualitäten zu finden, dürfte dennoch eine Mammutaufgabe werden. Möglicherweise findet Dybala einen Verein, bei dem die Spielweise ausnahmsweise auf ihn ausgelegt ist. Als heiße Kandidaten gelten zurzeit Atlético Madrid und Inter Mailand. Auf der richtigen Position, mit genug Vertrauen und der nötigen Fitness kann er immer noch für die ganz besonderen Momente sorgen.