Warum unterstützt jemand einen Sechst- oder Siebtligaverein, wenn der große Bundesligist gleich um die Ecke spielt? In unserer neuen Ausgabe haben wir neun Fans von Amateurklubs durch Deutschland begleitet. Auch TeBe-Berlin-Anhänger Denis Roters.
Doch Roters beobachtet auch, wie sich der Berliner Amateurfußball verändert. Er scheint attraktiver geworden zu sein, ein bisschen en vogue sogar, seit die Stadt in großen internationalen Zeitungen zum neuen New York oder London stilisiert wird. Bei den Spielen stehen nun immer mehr Mittzwanziger mit Jutebeutel und Mate-Tee, in Neuköllner Szenekneipen hängen Poster, auf denen Spiele zwischen Tasmania und TeBe mit Slogans wie „Support your local Footballclub“ beworben werden.
Es schwingt die Hoffnung mit, dass man all die Zugezogenen aus Stuttgart, Rom oder Barcelona mit erdigen und ehrlichen Fußball abgreifen kann, bevor sie sich doch für Hertha oder Union entscheiden. So kommen zu Spielen zwischen Tasmania gegen TeBe auch mal 800 Zuschauer, was vor ein paar Jahren noch unmöglich gewesen wäre. Heute wird TeBe auch nicht mehr gehasst. Im Gegenteil: Der Klub ist mittlerweile sexy geworden. Hier legt der Stadion-DJ in der Halbzeitpause Ramones auf, hier tragen Fans Shirts mit linkspolitischen Botschaften. Einige Leute sagen, TeBe sei so was wie der FC St. Pauli in den frühen Neunzigern – mit dem großen Unterschied, dass er seine Andersartigkeit kaum jemand was mitbekommt, weil er vier Ligen weiter unten kickt.
Daher muss Roters auch auf etwas verzichten, das ihn viele Jahre am Fußball fasziniert hat: das Reisen. Alle Stadien der Berlin-Liga – ob beim TSV Rudow, bei Sparta Lichtenberg oder beim Köpenicker SC – kann er in weniger als einer halben Stunde mit dem öffentlichen Nahverkehr oder seinem Motorroller erreichen. Die längste Auswärtsfahrt ist die zur VSG Altglienicke im Berliner Speckgürtel – sie dauert mit dem Auto 24 Minuten.
Den Europapokal zu TeBe holen
Roters, der für Punkrock und Fußball um die Welt tourte, vermisst dieses Unterwegssein. Er sitzt nun auf der Holzbank der Haupttribüne, etwas abseits von der Wendeltreppe, und erzählt von legendären Auswärtstrips. Etwa der „Fummelfahrt“ nach Cottbus, bei der hunderte TeBe-Anhänger am Stadion der Freundschaft in lilafarbenen Tutus oder pinken Rüschenjacke erschienen, um ein Zeichen gegen Homophobie zu setzen. Die bulldozerartigen Ordner trauten sich nicht, die Berliner Fans abzutasten, und zahlreiche Energie-Fans wollten den TeBe-Fans an den Kragen. Sie schrien: „Schwuler, schwuler TeBe!“ Doch die TeBe-Fans lachten darüber und stimmten mit ein: „Schwuler, schwuler TeBe!“. Roters, tatsächlich homosexuell, war beeindruckt. „Ich wusste, dass unsere Fans cool sind“, sagt er. „Aber so cool?! Es machte mir Mut! Auf der Rückfahrt habe ich mich als schwul geoutet.“
Weil es solche Fahrten heute nicht mehr gibt, werden sie von den Tebe-Fans inszeniert. Zum fünf Kilometer entfernten Spiel beim Steglitzer Klub Stern 1900 reisten die Fans in der vergangenen Saison über das 160 Kilometer entfernte Wittenberge an, um dort ein paar TeBe-Fans einzusammeln. Ebenso machten sie es bei einem Spiel in der vergangenen Saison, als sie erst nach Leipzig fuhren und dort ein paar befreundete Fans von Roter Stern Leipzig abholten.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Europapokal, von dem der Sponsor „Göttinger Gruppe“ in den Neunzigern immer wieder gesprochen hat. „Sie haben es uns hoch und heilig versprochen“, sagt Roters. Und weil die Firma ihr Versprechen nicht hielt, will er demnächst mit einigen anderen Fans ins Ausland fahren und in einem leeren Stadion ein fiktives TeBe-Champions-League-Spiel supporten. Gegen den FC Barcelona. Oder den FC Chelsea. Es gilt halt immer noch das alte Punk-Credo: Wenn es sonst niemand tut – do it yourself!
Mit Amateurfans auf großer Deutschlandreise. Unsere Reportage aus 11FREUNDE #155 – jetzt am Kiosk und im App-Store