Peter Neururer trainiert gerade vertragslose Profis. Der Ex-Bochumer ist selbst seit zweieinhalb Jahren ohne Anstellung – doch das scheint ihn nicht mehr zu stören.
Es ist nicht die erste Phase in Neururers Leben, die er ohne Job verbringt. Schon vor seinem letzten Engagement beim VfL Bochum 2013 war er vier Jahre arbeitslos. Damals flehte er nach einer Anstellung, wählte alle Nummern in seinem Handy, stellte die Fußballwelt vor die Wahl: Entweder es meldet sich jemand, oder er hört auf.
Nun sind es wieder fast drei Jahre. Doch der studierte Sportlehrer mag nicht mehr betteln. Er verbringe doch schon genug Zeit mit Selbstmarketing. Er hat sich breit aufgestellt, ist TV-Experte, hält Vorträge bei großen Firmen und neuerdings twittert er auch noch. Da muss er nicht noch den Klubs hinterherrennen. Die Gelegenheiten kommen, nur kein überhöhter Druck.
Ein Angebot zum Beispiel, das hätte Neururer erst kürzlich aus China erhalten. Sagt er. „Das waren Unsummen an Geld“, sagt er. Aber er wolle nicht weg. Also ist er noch da. Und coacht Spieler, die vielleicht in der gleichen Situation, aber gewiss nicht in der gleichen Lage seien wie er.
Käsebrötchen und E‑Zigarette
Gelassenheit scheint das oberste Gebot des Kulttrainers. Nach der Pressekonferenz wird mit der örtlichen Boulevardpresse käsebrötchenverdrückend über die Ex-Klubs geschimpft, ein schneller Zug an der E‑Zigarette folgt wie automatisiert. „Die normalen Kippen darf ich ja nicht mehr“, mault Neururer, „Aber das hier, das ist auch weltklasse. Da hab’ ich ›Irish Coffee‹-Geschmack drin. Überragend!“ Es sind eben die kleinen Dinge.
Das Polo-Hemd und die beige Hose werden für das anschließende Training in die Sporttasche verbannt. Stattdessen: Kurze Hose, Trikot, Einheitsdress. Aus der homogenen blauen Masse des Spielerkreises sticht Neururer trotzdem hervor. Größer ist er, und mit selbstbewussterer Körperhaltung. „Wir machen ein bisschen Zweikampf, ein bisschen Torschuss, das Übliche“, sagt er. Die Spieler nicken. Neururer kennt keinen von ihnen.
„Ich weiß, dass ich das noch kann“
Einer heißt Michél Harrer. Vor zehn Jahren spielte der 30-Jährige noch mit Rot-Weiss Essen in der 2. Bundesliga, jetzt steht er nach durchwachsener Regionalliga-Saison bei Wacker Nordhausen ohne Kontrakt für die kommende Spielzeit da. „Ich weiß, dass ich das noch kann, dass ich noch gut genug bin“, sagt Harrer, „Und ich hoffe, hier sieht das jemand.“ Da ist er also, der Unterschied zwischen Neururer und den Spielern. Die einen verzweifeln, der andere pustet genüsslich Dampf um seinen Schnauzer.
Er weiß sich zu inszenieren. Die ersten 20 Minuten der Einheit verbringt Neururer dann doch damit, für sich selbst zu werben. Interviews am Spielfeldrand, statt Kommandos. Die Reporter stacheln, Neururer spielt mit. Anekdoten, Witze, Kritik. Das ist das Geschäft. Mit den Jahren hat er es akzeptiert, nimmt es hin. Er trifft die Entscheidungen, die er kann und versucht nicht mehr, Dinge zu beeinflussen, die außerhalb seines Wirkungsradius liegen. Das sagt er. Und man mag es glauben.