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Seite 2: Kein China für Peter

Es ist nicht die erste Phase in Neuru­rers Leben, die er ohne Job ver­bringt. Schon vor seinem letzten Enga­ge­ment beim VfL Bochum 2013 war er vier Jahre arbeitslos. Damals flehte er nach einer Anstel­lung, wählte alle Num­mern in seinem Handy, stellte die Fuß­ball­welt vor die Wahl: Ent­weder es meldet sich jemand, oder er hört auf.

Nun sind es wieder fast drei Jahre. Doch der stu­dierte Sport­lehrer mag nicht mehr bet­teln. Er ver­bringe doch schon genug Zeit mit Selbst­mar­ke­ting. Er hat sich breit auf­ge­stellt, ist TV-Experte, hält Vor­träge bei großen Firmen und neu­er­dings twit­tert er auch noch. Da muss er nicht noch den Klubs hin­ter­her­rennen. Die Gele­gen­heiten kommen, nur kein über­höhter Druck.

Ein Angebot zum Bei­spiel, das hätte Neururer erst kürz­lich aus China erhalten. Sagt er. Das waren Unsummen an Geld“, sagt er. Aber er wolle nicht weg. Also ist er noch da. Und coacht Spieler, die viel­leicht in der glei­chen Situa­tion, aber gewiss nicht in der glei­chen Lage seien wie er. 

Käse­bröt­chen und E‑Zigarette

Gelas­sen­heit scheint das oberste Gebot des Kult­trai­ners. Nach der Pres­se­kon­fe­renz wird mit der ört­li­chen Bou­le­vard­presse käse­bröt­chen­ver­drü­ckend über die Ex-Klubs geschimpft, ein schneller Zug an der E‑Zigarette folgt wie auto­ma­ti­siert. Die nor­malen Kippen darf ich ja nicht mehr“, mault Neururer, Aber das hier, das ist auch welt­klasse. Da hab’ ich ›Irish Coffee‹-Geschmack drin. Über­ra­gend!“ Es sind eben die kleinen Dinge.

Das Polo-Hemd und die beige Hose werden für das anschlie­ßende Trai­ning in die Sport­ta­sche ver­bannt. Statt­dessen: Kurze Hose, Trikot, Ein­heits­dress. Aus der homo­genen blauen Masse des Spie­ler­kreises sticht Neururer trotzdem hervor. Größer ist er, und mit selbst­be­wuss­terer Kör­per­hal­tung. Wir machen ein biss­chen Zwei­kampf, ein biss­chen Tor­schuss, das Übliche“, sagt er. Die Spieler nicken. Neururer kennt keinen von ihnen. 

Ich weiß, dass ich das noch kann“

Einer heißt Michél Harrer. Vor zehn Jahren spielte der 30-Jäh­rige noch mit Rot-Weiss Essen in der 2. Bun­des­liga, jetzt steht er nach durch­wach­sener Regio­nal­liga-Saison bei Wacker Nord­hausen ohne Kon­trakt für die kom­mende Spiel­zeit da. Ich weiß, dass ich das noch kann, dass ich noch gut genug bin“, sagt Harrer, Und ich hoffe, hier sieht das jemand.“ Da ist er also, der Unter­schied zwi­schen Neururer und den Spie­lern. Die einen ver­zwei­feln, der andere pustet genüss­lich Dampf um seinen Schnauzer.

Er weiß sich zu insze­nieren. Die ersten 20 Minuten der Ein­heit ver­bringt Neururer dann doch damit, für sich selbst zu werben. Inter­views am Spiel­feld­rand, statt Kom­mandos. Die Reporter sta­cheln, Neururer spielt mit. Anek­doten, Witze, Kritik. Das ist das Geschäft. Mit den Jahren hat er es akzep­tiert, nimmt es hin. Er trifft die Ent­schei­dungen, die er kann und ver­sucht nicht mehr, Dinge zu beein­flussen, die außer­halb seines Wir­kungs­ra­dius liegen. Das sagt er. Und man mag es glauben.