Außen hart, innen zart: Heute feiert Deutschlands kompromisslosester Manndecker aller Zeiten seinen 65. Geburtstag. Karlheinz Förster über Heimweh in der VfB-Jugend, Cliquenwirtschaft im DFB-Team und Obstkuchen mit Bernard Tapie.
Karlheinz Förster, bei großen Stürmern erinnert man sich an Tore, bei Torhütern an spektakuläre Paraden. An welche Sternstunden erinnern sich weltberühmte Abwehrspieler?
Es gibt viele Situationen, in denen ich im letzten Moment einen fast aussichtslosen Ball kläre. Aber diese lassen sich kaum noch bestimmten Spielen zuordnen.
Welche fallen Ihnen noch ein?
Von einigen gibt es Fotos: Bei der WM 1986 in Mexiko spielten wir in der Vorrunde gegen Schottland. Eine Szene etwa sechs Meter vor dem Tor: Ich blocke Gordon Strachan, aus dem Hintergrund kommt ein zweiter Schotte, aber ich kann mit der linken Fußspitze den Ball gerade noch wegspitzeln. Oder als im Finale Maradona fast durch ist. Toni Schumacher kommt raus, ich grätsche, spiele den Ball weg, und Maradona hebt ab wie ein Vogel. Die tragische Folge: Ich rutsche direkt in Toni rein und reiße ihm mit den Stollen den Unterarm auf.
Sie galten zur aktiven Zeit als eisenharter Manndecker. Die Presse nannte Sie den „Treter mit dem Engelsgesicht“.
Das hat irgendwann einer geschrieben und mich damit eine Schublade gepackt.
Das fanden Sie nicht so doll.
Weil es einfach nicht stimmte. Gut, ich habe hart gespielt, damals konnte man sich auch noch etwas mehr erlauben, aber ich habe nie absichtlich Foul gespielt. Ich habe in 81 Länderspielen nur zwei oder drei Gelbe Karten gesehen.
Laut Statistik vier. Und im Januar 1982 im Bundesligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf Ihre einzige Rote Karte als Profi.
Peter Löhr hieß ein Spieler von der Fortuna, der sehr körperbetont spielte. Er hatte sich den Ball zu weit vorgelegt. Also habe ich kurz den Schlappen drübergehalten, und er flog gleich fünf Meter weit. Jörg Berger war damals Fortuna-Trainer, der stand sofort wild gestikulierend auf dem Platz. Da hat sich der Schiedsrichter beeinflussen lassen.
Von Verletzungen blieben Sie lange verschont. In 15 Jahren als Profi haben Sie nie großartig ausgesetzt.
Ganz am Anfang der Karriere zog ich mir im Training mal einen Bänderriss zu, später hatte ich auch noch mal einen im Knie. 1980 bekam ich durch eine Spritze eine Infektion und musste operiert werden. Aber im Prinzip war ich gewohnt, über Schmerzen hinwegzusehen und schnell wieder einsatzbereit zu sein. Der Trainer brauchte mich, der Arzt war verantwortlich, dass ich spielen konnte, wenn nötig auch mit der Hilfe von Schmerzmitteln. Es gab damals im Prinzip keine Reha. Aus heutiger Sicht war vieles falsch, was wir damals gemacht haben.
Haben Sie irgendwann die Grenze überschritten?
Über so etwas habe ich nie nachgedacht. Nur einmal habe ich mich gefragt, ob es gut ist, was ich mache. Es war im September 1982: Im Freundschaftsspiel gegen England traf mich mein Gegenspieler Ray Wilkens nach fünf Minuten an der Wade. Ich spielte damals noch ohne Schienbeinschoner. Als ich wieder aufstehen wollte, sah ich, dass die Wade quasi auseinanderklappte. Die Wunde wurde mit 16 Stichen genäht, ich bekam Antibiotika. Und zwei Wochen später lief ich wieder für den VfB auf.
Warum denn?
Unser Coach Helmut Benthaus fragte, wann ich wieder spielen könne. Er meinte, auch ein durchschnittlicher Förster hilft der Mannschaft. Aber natürlich wollte ich selbst so schnell wie möglich wieder auflaufen.
Viele Spieler Ihrer Generation haben über Jahre unter dem Einfluss von Schmerzmitteln gespielt.
Als ich 1986 nach Marseille wechselte, hatte ich von der WM in Mexiko irgendwelche Bakterien mitgebracht. Die lösten im Körper eine Form von Rheuma aus, so dass ich permanent Voltaren schlucken musste, um spielen zu können. Ich bekam dann später einen Mittelfußbruch, als ich den rechten Fuß zu stark belastete – völlig ohne gegnerische Einwirkung! Wahrscheinlich eine Reaktion des Körpers.
Infolge des Mittelfußbruchs wurden Sie mit 31 Jahren Sportinvalide. Haben Sie Ihrem Körper zu viel zugemutet?
Ich habe nie daran gedacht, dass ich aufgrund einer Verletzung meine Karriere beenden müsste. Als es dann soweit war, ging es eben nicht mehr. Ich habe ein halbes Jahr noch alles probiert, habe sogar in der zweiten Mannschaft gespielt. Operationen, Schrauben rein, Schrauben raus. Es war eine Leidenszeit und anfänglich schwer zu akzeptieren.
Sie haben weder sich selbst noch den Gegner geschont. Eine Tugend, die Ihnen zu Hause beigebracht wurde?
Bestimmt. Mein Vater war Maurer, er arbeitete Tag und Nacht. Für den gab es kein Wochenende. Sonntags hat er gekickt – bis er 45 war in der ersten Mannschaft von Badenia Schwarzach und noch bis 63 bei den Alten Herren. Und wenn mal wieder das Klubhaus umgebaut werden musste, hat er das auch gemacht.