Außen hart, innen zart: Heute feiert Deutschlands kompromisslosester Manndecker aller Zeiten seinen 65. Geburtstag. Karlheinz Förster über Heimweh in der VfB-Jugend, Cliquenwirtschaft im DFB-Team und Obstkuchen mit Bernard Tapie.
Legendär ist ein VfB-Trainingslager im schweizerischen Lauchingen unter Coach Lothar Buchmann im Jahr 1979.
Das kam auf Mayer-Vorfelders Initiative zustande. Der kannte den Lauchinger Bürgermeister und hatte verabredet, dass wir ins Trainingslager dahin kämen. Leider stellten wir nach Ankunft fest, dass es völlig in der Einöde lag. Wir wohnten in einem Landgasthof namens „Krone“, nebendran war ein Bauernhof mit Misthaufen vor der Tür. Als wir nachts das Fenster aufmachten, kamen Tausende von Schnaken ins Zimmer. Die ganze Mannschaft ist noch auf Mückenjagd gegangen, aber am nächsten Morgen waren wir alle komplett zerstochen.
Wie haben Sie die Zeit herum bekommen?
Abends saßen wir am Stammtisch in der „Krone“ und hörten Schorsch Volkert zu, wie er uns auf dem Klavier vorspielte. Manchmal haben wir mitgesungen.
War Ihre Spielergeneration genügsamer als die heutige?
Wir haben uns mehr mit dem Klub identifiziert und deshalb auch mehr Verantwortung übernommen. Ich bin auch mal zu Mayer-Vorfelder und habe Namen von Spielern genannt, die wir verpflichten sollten. Etwa Klaus Fischer, als er nach Bochum wechselte, oder Cha Bum.
Aber die wurden nicht geholt?
Es herrschte stets eine schwäbische Einstellung vor, die wollten keine Ablöse für Spieler um die 30 bezahlen, von denen sie nicht wussten, ob sie alles für den Klub geben oder nur zum Karriereende absahnen wollen. Der VfB hätte nach der Meisterschaft 1984 die Chance gehabt, langfristig ein Spitzenteam aufzubauen. Aber die Führung hat weiter aufs Geld geguckt und schwächere Spieler verpflichtet. Ich bin 1986 unter anderem deshalb weg aus Stuttgart, weil ich keine Perspektive mehr sah.
Sie hatten vorher auch Angebote aus München und vom HSV.
Die habe ich abgelehnt, weil ich sehr heimatverbunden war und glaubte, mit dem VfB zu den ganz Großen aufschließen zu können. Aber 1986 war klar, dass sich wenig bewegt.
Waren Sie mit der Perspektive Profi geworden, beim VfB alt zu werden?
Der VfB war mein Verein. 1981 kam Uli Hoeneß zu meinen Eltern nach Schwarzach. Er wollte Bernd und mich zum FC Bayern holen. Da war ich derjenige, der nicht weg wollte. Anfang der Achtziger hat mich Günter Netzer auch nach Hamburg eingeladen.
Haben Sie die Einladung angenommen?
Ja. Er hat mich sogar ein paar Runden mit seinem schwarzen Ferrari an der Alster drehen lassen. Am Ende bin ich nach Hause, ohne unterschrieben zu haben.
Die Angebote waren sicher lukrativ.
Natürlich hätte ich dort besser verdient. Aber ich war zufrieden in Stuttgart. Ich habe schon als junger Spieler immer die Verhandlungen für meinen Bruder und mich geführt. 1978 hatte ich eine Beteiligung an den Zuschauerzahlen mit im Vertrag – und damals kamen über 50 000 ins Neckarstadion. Später habe ich die Inflationsrate mit reinverhandelt. Da gab es am Ende der Saison einen schönen Aufschlag.
Unter Jupp Derwall wurden Sie zur festen Größe im Nationalteam.
Aber nicht gleich. Ich werde nie vergessen, wie ich vor meinem vierten Länderspiel in der Türkei während des Trainings auf die Toilette ging. Plötzlich lehnt Derwall in der Tür und spricht mich an, während ich am Pissoir stehe: „Jung, du spielst mir zu viel mit dem Außenrist.“ Da wusste ich, dass ich nicht von Anfang an spiele.
Er galt als Trainer, der seine Lieblinge hatte.
Das stimmt. Felix Magath mochte er seltsamerweise nicht, obwohl der extrem ehrgeizig und technisch beschlagen war. Ihm zog er Hansi Müller vor. Er sagte: „Der Hansi ist ein Spieler wie ich früher.“
Der Rheinländer stand also eher auf die kommunikativen Typen?
Nicht unbedingt, sein absoluter Liebling war Manni Kaltz.
Warum hat es in zwei Endspielen für Sie nie zum WM-Titel gereicht?
Wissen Sie, wir hatten zu meiner Zeit sehr viele gute Einzelspieler in der Nationalelf. Aber uns fehlte meist eine gute Kameradschaft. Paul Breitner sagte: „Elf Freunde, was soll der Schmarrn, jeder ist für sich verantwortlich.“ Das sehe ich bis heute anders: Eine Mannschaft, in der jeder für den anderen läuft, ist auch erfolgreich.
Für eine intakte Mannschaft ist ein Trainer verantwortlich.
Jupp Derwall hatte aber nicht den Mumm, bestimmte Quertreiber nach Hause zu schicken, dadurch gab es gerade 1982 eine extreme Cliquenbildung. Ein wirkliches Team hatte Deutschland erst wieder 1990 – und da wurden wir Weltmeister.