Der Trainer des FC Bayern findet es doof, dass der SC Freiburg ihn nicht einfach gewinnen lässt. Und führt zweifelhafte Argumente gegen den Einspruch ins Feld.
Julian Nagelsmann rümpft die Nase. Dem Bayern-Coach stinkt es, sich im Nachgang tatsächlich noch mit einem eigenen Fehler beschäftigen zu müssen – weil eben der SC Freiburg nicht einfach Gott einen lieben Mann sein lässt, sondern wissen will, wie denn nun mit einem Regelverstoß umgegangen werden soll. Wie ungemütlich!
Die Fakten liegen längst auf dem Tisch. Beim Stand von 3:1 für die Bayern in Freiburg nimmt der Rekordmeister einen späten Doppelwechsel vor; weil aber dessen Verantwortliche dem vierten Offiziellen fälschlicherweise Kingsley Comans alte Rückennummer 29 angeben, verlässt der Franzose den Platz zunächst nicht. Die Gäste spielen für einige Sekunden zu zwölft. Nico Schlotterbeck zählt nach und klärt Referee Dingert auf. Das Missgeschick wird nach einigen Diskussionen geregelt, und das Spiel wird mit Schiedsrichterball fortgesetzt. So weit, so unspektakulär – oder doch nicht?
Der SCF jedenfalls möchte die Sache nicht einfach so stehenlassen und veröffentlichte eine Stellungnahme. Darin wird unter anderem klar, dass der Fall tatsächlich ins Leere liefe, würden die Freiburger keinen Einspruch erheben. An dieser aktiven Rolle, so teilt der Verein mit, „haben wir grundsätzlich kein Interesse und fühlen uns in dieser ausgesprochen unwohl.“ Gezwungenermaßen füllen sie sie dennoch aus, auch, weil es um Treuepflichten dem Klub gegenüber und nicht zuletzt um andere Vereine und die Frage nach einer klaren Handhabung in künftigen Fällen geht.
Nagelsmann hingegen hält die Breisgauer anscheinend für Spielverderber. Auf einer Pressekonferenz vor dem Champions-League-Spieltag gab er mit vorgeschobener Unterlippe zu Protokoll, dass er dieses Vorgehen selbst niemals gewählt hätte. Er störe sich vor allem daran, dass sich der Sport-Club dem Druck und dem sportlichen Wettkampf ergeben habe. Wie recht er damit hat! Zeitgleich soll übrigens Jeff Bezos unterstrichen haben, dass Geld doch nun wirklich nicht so wichtig sei.
Von seinem hohen Ross steigt der Coach auch nicht ab, wenn er sich darüber empört, dass Freiburg „den Fehler eines Dritten ausnutzt, um selber vielleicht zu Punkten zu kommen.“ Es ist davon auszugehen, dass er Schiri Dingert und dessen Kollegen meint, auch wenn er den anwesenden Journalisten nicht den Gefallen tun will, Namen zu nennen. Fakt ist aber mindestens genauso, dass der Fauxpas gar nicht passiert wäre, hätte die Bayern-Entourage die eigenen Rückennummern auf dem Schirm gehabt. Jedenfalls hat der SC Freiburg am allerwenigsten damit zu tun – und wird nun doch ins kalte Wasser der Sportgerichtsbarkeit geworfen.
Dessen Begründung zum Einspruch liest sich schlüssig und keinesfalls heischend. Man verfolge ein „konsistentes Handeln“. Das ist verständlich, stellt man sich die Frage, wo denn nun die Grenze verläuft. Darf etwa erst nach mindestens fünf Minuten und einem Gegentor in Unterzahl der zusätzliche Spieler reklamiert werden? Ja, es ist wahr, dass das Anfechten einer 1:4‑Niederlage wegen einer knappen halben Minute das Gerechtigkeitsempfinden wanken lässt. Doch die Freiburger Verantwortlichen möchten wohl vor allem einen Präzedenzfall schaffen und sich abgesichert sehen. Und sogar aus sportlicher Sicht ist das Geschehen nicht ganz so arglos, wie es scheint; zu dem Zeitpunkt war der Tabellenfünfte dabei, einem Zwei-Tore-Rückstand nachzujagen. Dafür hätten sie noch mindestens sechs Zeigerumdrehungen gehabt, aber nach minutenlanger Diskussion in der Kälte dürfte die Luft raus gewesen sein.
In Julian Nagelsmann hingegen krampft sich schon jetzt alles zusammen, wenn er an einen Zuspruch der Punkte für den Gegner denkt. „Ich weiß nicht, ob du dir im November bei der Jahreshauptversammlung mit den Sponsoren auf die Schulter klopfen kannst, solltest du international spielen aufgrund der gewonnenen drei Punkte, die du sportlich de facto einfach nicht gewonnen hast.“
Womöglich sollte er die Angelegenheit den Fachleuten überlassen und es so halten, wie er es vor seiner entrüsteten Ansprache doch eigentlich selbst formuliert hatte: „Ich bin nicht der Richter.“ Eben.