Weil sie dem DFB beim Auswärtsspiel in Karlsruhe per Fanmarsch den Krieg erklärten, erhielten in der vergangenen Woche mehrere Fans von Dynamo Dresden Strafbefehle. Der Verein stellt sich demonstrativ hinter sie. Und sogar vom ewigen Rivalen kommt Unterstützung.
Am 14. Mai 2017 spielten sich in Karlsruhe bizarre Szenen ab. Begleitet von Trommeln und Böllerschlägen marschierte die selbsternannte „Football Army Dresden“ im Camouflage-Look zum Auswärtsspiel im Wildparkstadion und erklärte dem DFB via Banner den Krieg. Beim Fanmarsch und dem anschließenden Blocksturm wurden insgesamt 36 Ordner und Polizisten verletzt. Überwiegend erlitten sie Knalltraumata durch die gezündeten Böller.
Der Tag war einer mit Signalwirkung für die deutsche Fanlandschaft: Von der Bundesliga bis in die Amateurligen schlossen sich Fußballfans der Dresdner „Kriegserklärung“ an und vereinigten sich in einer beispiellosen Protestwelle – gegen die Sportgerichtsbarkeit des Verbands, fanunfreundliche Anstoßzeiten und die zunehmende Kommerzialisierung.
Ein weiteres Verfahren könnte eine Million Euro kosten
Fast zweieinhalb Jahre später sind die Auswirkungen dieses Tages noch immer zu spüren. In der vergangenen Woche erhielten 14 Dresdner Fans Strafbefehle. Zum Teil mit zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen, in allen Fällen mit Geldstrafen zwischen 900 und 10.000 Euro. Auch Stefan Lehmann, der damalige Vorsänger der „Ultras Dynamo“, zählt zu den Betroffenen. Vorgeworfen werden ihm und den weiteren Dresdnern nicht etwa Körperverletzungen und Sachbeschädigungen, sondern allein die Organisation und Durchführung des Fanmarsches sowie der Vertrieb der einheitlichen T‑Shirts und Fischerhüte.
Nach Rücksprache mit ihren Anwälten verzichten die Fans in den meisten Fällen auf einen Einspruch. Nicht, weil sie die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Strafbefehle anerkennen, sondern weil ein weiteres Gerichtsverfahren für alle 58 Fans, gegen die die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt, in Summe wohl rund eine Million Euro verschlingen würde.
„Gemeint sind wir alle“
Schon jetzt benötigen die Betroffenen für die laufenden Verfahren, Bußgelder und Anwaltskosten rund 290.000 Euro. 110.000 Euro konnten die Fans durch verschiedenste Aktionen bereits generieren. Federführend agiert dabei das „Solidaritätskommitee Dynamo“. Die Initiative gründete sich als Reaktion auf Hausdurchsuchungen bei mehreren Dynamo-Fans sowie in den Räumlichkeiten des Dresdner Fanprojekts im Dezember 2017. Mit Spendensammlungen, Tombolas oder Skatturnieren unterstützt das „SoKo“ seitdem die von den Durchsuchungen betroffenen Fans – finanziell und moralisch. Denn: „Gemeint sind wir alle“, so die Losung.
Um die aktuell benötigte Summe von rund 179.000 Euro zusammenzubekommen, hat die Initiative nun ein Crowdfunding gestartet. Unterstützung erhalten sie dabei sogar vom Rivalen aus Magdeburg. Auf Facebook rief die Fanhilfe Magdeburg zu Spenden für die betroffenen Dresdner auf, „denn Solidarität muss praktisch werden!“. Und auch vom eigenen Verein erfährt das „SoKo“ große Solidarität. In einer Stellungnahme erklärten die Dynamo-Verantwortlichen, die Initiative „mit voller Überzeugung“ zu unterstützen“. Maßgeblich für diese Entscheidung sei, „dass keinem der Betroffenen eine unmittelbare Begehung einer Körperverletzung oder Sachbeschädigung vorgeworfen wird, sondern ihnen das schädigende Verhalten Dritter zugerechnet wird.“ Es gehöre zum in der Sportgemeinschaft gelebten Zusammenhalt, Solidarität mit Schwarz-Gelben zu zeigen, denen keine Ausübung von Gewalt vorgeworfen werde.
Es ist nicht das erste Mal, dass Dynamo Dresden seine Anhänger bei den Nachwehen des damaligen KSC-Spiels unterstützt.
Schon seit seiner Gründung kann sich das „SoKo“ der Solidarität des eigenen Vereins erfreuen. So stellte Dynamo Dresden im März 2018 ein Sondertrikot vor, auf dessen Brust sich die Fans mit ihrem Namen verewigen konnten. Der Großteil der Einnahmen sollte der Deckung der Anwaltskosten der Betroffenen dienen. Denn bereits vor der möglichen Aufnahme von Verfahren überstiegen die Kosten die wirtschaftlichen Möglichkeiten einiger der Beschuldigten. Stolze 1.653 Trikots zum Preis von 69,95 Euro verkaufte der Verein.
Ein Sondertrikot für Fans, denen Staatsanwaltschaft und Polizei die Organisation von Straftaten vorwerfen: Zuweilen müssen sich Verein und Solidaritätskomittee den Vorwurf anhören, sie würden Straftäter unterstützen. Dem hält Sportgeschäftsführer Ralf Minge entgegen: „Von Straftätern werden wir uns jederzeit klar distanzieren. Hier geht es jedoch um Menschen, die seit Jahren einen offenen, kritischen und konstruktiven Dialog mit den Verantwortlichen des Vereins pflegen, die sich innerhalb der Fanszene und im Block bereits gegen Straftäter gestellt haben und die sich weit über das erwartbare Pensum hinaus für die Belange des Vereins einsetzen.“
Auktion bringt fast 9.000 Euro
Zudem verweist der Verein auf sein Leitbild, in dem es heißt: „Unsere Urkraft liegt im Zusammenhalt“ und „unser Auftritt ist geschlossen – auf dem Rasen, auf den Rängen, überall und zu jeder Zeit.“ Auch ein Jahr später bleibt der Verein diesem Grundsatz treu. Für den Klassiker gegen den 1. FC Magdeburg legte Dynamo Dresden abermals ein Sondertrikot auf. Über dem Vereinswappen prangte dezent der Schriftzug „Elb-Clásico“, auch die Spielpaarung war dort verewigt.
Im Anschluss an die Partie stellten alle zum Einsatz gekommenen Spieler ihre getragenen Trikots für eine Auktion zur Verfügung, die dem „SoKo Dynamo“ einen Gesamterlös von 8.907,98 Euro bescherte. „Wir haben uns in der Mannschaft Gedanken gemacht, wie man das SoKo Dynamo und die 28 betroffenen Menschen aus der aktiven Fanszene des Vereins unterstützen könnte“, erklärt Dynamo-Kapitän Marco Hartmann damals das Zustandekommen der Aktion. „Wenn Dynamo in der Vergangenheit Hilfe brauchte, waren die Fans immer zur Stelle. Jetzt sind wir für die Leute aus dem Block da, die in einer schwierigen persönlichen Situation Hilfe brauchen.“
Polizei und Staatsanwaltschaft haben ihre Ermittlungen ausgeweitet
„Die Unschuldsvermutung muss gelten, deshalb unterstützen wir das ›Soko Dynamo‹ aus voller Überzeugung“, führt Minge aus und verweist darauf, dass mehrere der Betroffenen nicht einmal in Karlsruhe vor Ort gewesen seien. „Der Zusammenhalt ist es, der diesen Verein durch die schwierigsten Phasen seiner Geschichte gebracht hat. Dieses Miteinander schließt auch die Fans ein, die seit über einem Jahr von Ermittlungsverfahren betroffen sind.“