Axel Kruse, Sie wech­selten zur Rück­runde 1990/91 von Hertha BSC zu Ein­tracht Frank­furt. In was für ein Team kamen Sie? 
Axel Kruse: Es war eine Mann­schaft, die zum großen Teil aus Indi­vi­dua­listen bestand. Die Qua­lität wurde durch Leute bestimmt, die in ihrer Art ein­zig­artig waren: Uwe Bein, Andi Möller, Uli Stein, Tony Yeboah und viele andere.

Woran erkannten Sie, dass es sich um Indi­vi­dua­listen han­delte? 
Axel Kruse: Dazu brauchte ich nicht nach Frank­furt zu wech­seln. Im Herbst 1990 hatten wir mit Hertha gegen die Ein­tracht gespielt, schon da fiel mir auf, dass die sich immer wieder auf dem Platz gegen­seitig anpö­belten und auch mal ein Pass nicht so ankam, wie er sollte. (lacht) Dabei waren das alles außer­ge­wöhn­liche Kicker.

Was war das Erfolgs­ge­heimnis dieser Elf? Der innere Zusam­men­halt offenbar nicht. 
Axel Kruse: Eine Pro­fi­mann­schaft kann nie aus elf Freunden bestehen. Ohne Dif­fe­renzen geht es nicht. Dass die Kon­flikte hier viel­leicht noch extremer waren, kann sein. Aber Spieler wie Andy Möller auf dem Platz und Uli Stein im Tor waren damals das Maß aller Dinge. Sie machten den Unter­schied.

Uli Stein galt als das schlechte Gewissen des Teams.
Axel Kruse: Wenn einer sich hängen ließ, machte der Keeper Druck. Er war eben ehr­geizig, wollte immer gewinnen. Wer in Trai­nings­spielen in Ulis Mann­schaft stand, hat seinen Gegen­spieler nicht laufen lassen, denn Uli nahm jedes Gegentor per­sön­lich und zog einem, der nicht auf­passte, schnell mal die Ohren lang. Aber damit hat er uns auch extrem gepusht. Manchmal viel­leicht ein biss­chen zu extrem, aber ich kam gut mit ihm aus.

Da sind Sie aber eine rühm­liche Aus­nahme in der Mann­schaft.
Axel Kruse: Ich war auch nicht gerade pfle­ge­leicht und habe mir nichts gefal­len­lassen. Und wenn es sein musste, habe ich zurück­ge­kloppt. Aber mal ehr­lich: Für mich als Jung­scher war Uli ein Held, von dem ich viel gelernt habe.

Spe­ziell Andy Möller soll für Uli Stein wie ein rotes Tuch gewesen sein. 
Axel Kruse: Wir hatten damals alle unsere Eitel­keiten, hielten uns für wahn­sinnig wichtig und wollten wahr­ge­nommen werden. Natür­lich führte es zu Rei­be­reien, wenn der eine mal mehr im Fokus stand, als der andere. Aber das hielt sich alles in Grenzen.

Sie waren Teil der Clique, die Dra­go­slaw Ste­pa­novic als Rebellen“ bezeich­nete, zu der auch Uli Stein, Heinz Gründel und Lothar Sippel gehörten. 
Axel Kruse: Wir waren nach jedem Trai­ning am Rie­der­wald in der Kneipe und standen am Flipper. Wenn wir nach Aus­wärts­spielen im Bus nach Hause fuhren, hat Uli vorher dort ange­rufen, um Bescheid zu geben, damit sie noch nicht abschließen, weil wir gleich kämen. Da wurden dann auch ein paar Bier­chen getrunken. Wir waren die Rebellen“, aber aus heu­tiger Sicht würde ich sagen: Ich war der Ober­re­bell. (lacht)


Wie kam es zu dem Rebellen-Image? 
Axel Kruse: Ich war noch von Jörg Berger nach Frank­furt geholt worden, der wie ich aus der DDR geflohen war. Aller­dings wurde er nach wenigen Wochen durch Stepi“ ersetzt. Berger war mein Zieh­vater, zu dem ich ein freund­schaft­li­ches Ver­hältnis hatte. Des­halb habe ich mir von Ste­pa­novic erst mal gar nichts gefallen lassen. Zuge­geben, nicht beson­ders schlau von mir. Denn Stepi“ war genau wie ich ein sturer Bock – und so kamen wir dann auf keinen gemein­samen Nenner mehr.

Sie waren 24. Eigent­lich hat ein Jung­profi in dem Alter Respekt vor seinem Trainer.
Axel Kruse: Mich muss man mit Argu­menten über­zeugen, nicht mit Sprü­chen. Das ist Stepi“ leider nie gelungen. Hinzu kam, dass ich eben von Natur aus stur war: Wenn ich nicht will, dann will ich eben nicht.

Erin­nern Sie sich noch an den Tag des Trai­ner­wech­sels?
Axel Kruse: Ich hörte es mor­gens im Radio gehört, dass Jörg Berger ent­lassen worden sei.

Nachdem die Ein­tracht am Wochen­ende zuhause mit 0:6 gegen den HSV ver­loren hatte. 

Axel Kruse: Zuge­geben, ein schlimmes Spiel. Ich rief bei Uli an und fragte, wer neuer Trainer wird. Er meinte, ein Mann namens Ste­pa­novic, der mal Spieler gewesen sei und hier in der Nähe eine Kneipe habe. Ich dachte, er macht einen Witz.

Welche Rolle spielte Berger, welche Ste­pa­novic dafür, dass die Mann­schaft schon bald für Ihr attrak­tives Spiel das Mar­ken­zei­chen Fuß­ball 2000“ erhielt? 

Axel Kruse: Die Anlagen dazu hat fraglos Jörg Berger gelegt, aber sicher hat Stepi“ auch seinen Teil bei­getragen. Ent­schei­dend aber war, dass die ein­zelnen Spie­ler­typen zusammen so gut funk­tio­nierten. Dadurch stellte sich der Erfolg auto­ma­tisch ein. Wir hatten das Bewusst­sein, gegen jeden gewinnen zu können und waren extrem selbst­be­wusst.

Sie kon­kur­rierten im Angriff mit Top-Leuten wie Tony Yeboah, Lothar Sippel, Jörn Andersen und Edgar Schmitt um einen Platz in der Anfangself. 
Axel Kruse: Natür­lich wollte jeder spielen, aber gerade im Sturm hatten wir ein gutes Ver­hältnis. Ich erin­nere mich gut, wenn ich anfing und Edgar auf der Bank saß, habe ich öfter mal zehn Minuten vor Ende ange­zeigt, dass ich raus will, damit er seinen Ein­satz kriegt. Umge­kehrt lief das genauso.


Fans der Ein­tracht sagen gerne, dass am Ende der Saison 1991/92 die Meis­ter­schaft nun an zwei Dingen schei­terte: An der deut­schen Ein­heit, weil in dieser Spiel­zeit aus­nahms­weise 38. Spiel­tage gespielt wurden, da die Ligen zusam­men­ge­legt wurden. Und an Referee Alfons Berg aus Konz, der in der 76. Minute des letzten Spiels gegen Hansa Ros­tock keinen Elf­meter gab, obwohl Ralf Weber unzwei­fel­haft im Straf­raum gefoult wurde. 
Axel Kruse: Ganz ehr­lich: Wir sind letzt­lich daran geschei­tert, dass es inner­halb des Ver­eins zu viele Neben­kriegs­schau­plätze in dieser Saison gab. Dazu hat jeder aus dem Team seinen Anteil bei­getragen. Wir konnten uns nicht auf ein Spiel fokus­sieren, weil inner­halb der Mann­schaft und mit dem Trainer zu viel nebenbei pas­sierte. Sonst wären wir garan­tiert Meister geworden.

Erin­nern Sie sich noch an den Morgen nach der Morgen nach der Nie­der­lage? 
Axel Kruse: Wir wurden auf dem Römer“ von Tau­senden von Ein­tracht-Fans begrüßt. Ich weiß, dass mir unheim­lich schlecht war. Wahr­schein­lich hatte es damit zu tun, dass wir am Abend vorher getrunken hatten. (lacht)

Axel Kruse, was haben Sie aus Frank­furt fuß­bal­le­risch mit­ge­nommen? 
Axel Kruse: Jeder Profi ist immer abhängig von seinen Mit­spie­lern. Mit einem genialen Vor­be­reiter wie Uwe Bein, einem Andi Möller, der schneller mit Ball lief als ich ohne, oder mit einem Tony Yeboah zu spielen, der allein durch seine Prä­senz dau­ernd freie Räume für mich schaffte, war es ein­fach ein Traum.

Was blieb mensch­lich aus der Frank­furter Zeit übrig? 
Axel Kruse: Ich bin nach wie vor mit Edgar Schmitt sehr gut befreundet, wir tele­fo­nieren min­des­tens einmal in der Woche. Wenn ich Uli Stein oder Heinz Gründel sehe, freut es mich sehr. Und gerade erst habe ich Andy Möller getroffen.

Und Sie haben sich gegen­seitig igno­riert? 
Axel Kruse: Über­haupt nicht. Wir haben uns herz­lich begrüßt, alte Geschichten raus­ge­kramt und uns erzählt, wie eitel und gockel­haft wir früher waren. Und wir haben es auch ein biss­chen bereut.