Bei der Brandkatastrophe im Trainingszentrum von Flamengo sterben zehn Fußballtalente. Doch bei der Aufarbeitung geraten die Klubveranwortlichen massiv unter Druck.
Für einen Moment stand die Fußballwelt still in Rio de Janeiro. Fassungslos blickte Brasilien auf die Brandkatastrophe im Nachwuchszentrum Ninho de Urubu von Rios populärsten Klub Flamengo. Aus der ganzen Welt trafen Beileidsbekundungen ein, sogar der FC Bayern drückte dem Klub und den betroffenen Angehörigen sein Mitgefühl aus. Besonders betroffen war aber Real Madrids Supertalent Vinicius Junior: „Wenn ich an die Tage und Nächte denke, die ich im Trainingsquartier verbracht habe, schaudert es mir. Ich kann es noch gar nicht fassen.“
„Ich habe zehn Söhne verloren“
Insgesamt starben zehn Nachwuchskicker. Talente wie Arthur Vinicius, der am Tag nach dem Feuer 15 Jahre alt geworden wäre. Brasiliens U15-Nationaltorhüter Christian Esmerio (14), der den Ruf hatte ein Elfmeterkiller zu sein oder Keeper Bernado Pisseta (14), der seinem Idol Danilo nacheiferte, der beim Flugzeugabsturz von Chapecoense ums Leben kam.
Viele von den Jugendspielern waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, so dass die Gerichtsmediziner zwei Tage brauchten, um deren Identität zweifelsfrei festzustellen. Jugendtrainer Mario Jorge, der am Sonntag seinen 41. Geburtstag feierte, gab sich untröstlich: „Ich habe zehn Söhne verloren. Das ist der schlimmste Geburtstag meines Lebens.“
Einblick ins Innenleben
Vinicius Junior, der vor dem Wechsel zu Real Madrid seinen Abschied mit einer rauschenden Favela-Party feierte, hatte selbst die Einrichtung durchlaufen. Er war das vorerst letzte Juwel, dass die Klubführung für viel Geld vom Zuckerhut in Richtung europäische Fleischtöpfe verkaufte. Die Ablösesummen in Millionenhöhe investierte Flamengo aber offenbar nicht in einen funktionierenden Brandschutz und entsprechende Fluchtwege. Die Hintergründe des Unglücks geben auch einen ersten Einblick in das Innenleben eines Klubs und dessen Haltung zu den meist aus bettelarmen Verhältnissen stammenden Talenten.
Flamengo ist ein traditionsreicher Ruder- und Fußballklub. Die Ruderanlage des Vereins im Herzen Rios ist ebenso wie die große Vereinsanlage für die meist wohlhabenden Mitglieder ein Schmuckstück. Für die Jugendkicker weit draußen im Westen der Millionenmetropole standen aber nur Container zur Verfügung. Der, in dem das Feuer ausgebrochen sein soll, hatte wohl auch als improvisiertes Fitness-Studio gedient.
Tropensturm oder Sparmaßnahmen?
Das alles wird nun zu einem großen Problem für die Geschäftsführung, die juristisch verantwortlich gemacht werden könnte. Offenbar gab es für den Betrieb der Anlage gar keine Genehmigung, das Gelände ist bei der Stadtverwaltung nur als Parkplatz ausgewiesen. Erste Ermittlungen deuten darauf hin, dass ein Defekt einer Klimaanlage ein Brandauslöser gewesen sein könnte. Die Klubverantwortlichen verweisen zudem auf höhere Gewalt: Ein Tropensturm, der zuvor in Rio de Janeiro teils heftige Verwüstungen anrichtete, sei für die Beschädigungen verantwortlich gewesen. Das allerdings wirft die Frage auf, warum die Menschen dann nicht aus dem Trainingszentrum evakuiert wurden.
Inzwischen erhöhte auch die Tageszeitung „Folha“ aus São Paulo den Druck auf die Klubführung. Sie berichtet über Steuerrückzahlungen an die Vereinsspitze, die eigentlich an Investitionen gebunden waren. Das wirft immer mehr Fragen auf, die die Klubführung bei öffentlichen Pressekonferenzen aber nicht zulässt. Die ersten Angehörigen haben bereits Anwälte hinzugezogen.
Zicos Worte
Sollten die Vorwürfe wegen des unzulässigen Brandschutzes und der fehlenden Genehmigungen zutreffen, wird es sehr eng für den Klub und dessen Führung. Dann dürften hohe Schadensersatzforderungen fällig werden. Oder wie es Klub-Legende Zico formulierte, der inzwischen als Technischer Koordinator von Kashima Antlers in Japan tätig ist: „Ich hoffe, es wird alles genauestens ermittelt, denn eine Tragödie wie diese darf nicht ungestraft bleiben.“